#145 Volker Wulff: So wird man Turnierveranstalter
Vom Hamburger Spring- und Dressur-Derby bis hin zum Weltcup in Leipzig: Volker Wulff organisiert große Turniere im Pferdesport. In dieser Folge spricht er darüber, wie sich der Pferdesport in Deutschland entwickelt, welchen Einfluss Covid-19 darauf hatte und wie er die Zukunft sieht.
Podcast Transkript
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[SPEAKER 1]Na ja, wie beschreibt man das? Mit zumindest dem Wissen, ich habe an diesem Wochenende oder an diesem Tag genau das Richtige gemacht. Ich hätte gar nichts Besseres machen können. Sicher ist es bei den Sportlern ein bisschen erfolgsabhängig, das läuft mal so, mal so. Aber da soll es zumindest nicht so sein, dass man sich über Situationen im Stall ärgert oder irgendwelche nicht funktionierenden Abläufe oder schlechter Boden oder schlechte Parcours oder wie auch immer oder im Dressurviereck Kritik. Man kann Kritik nicht komplett ausschließen, ganz klar. Wir sind auch gerade bei den Freiluftveranstaltungen immer abhängig von dem jeweiligen Wetter. Aber zumindest wollen wir von unserer Seite alles tun, dass da die Zufriedenheit gewährt ist. Und die Besucher, die sollen sich halt vergnügen, die sollen unterhalten werden, die sollen interessanten Sport sehen. Diese Mischung müssen wir versuchen vorher entsprechend zu planen. Dann soll man sich treffen können, man soll ein bisschen Spannung miterleben können, gerade das Derby ist so ein Tag, der Derby-Sonntag. Die Menschen sind, also wenn jemand im Parcours ist und der ist bis zum 12. oder 13. Hindernis null, dann wird es so dermaßen still. Und dann merkt man wie so ein ganz leichtes, ja, raunen ist es noch nicht, aber man merkt, es kommt irgendwas hoch. Und wenn dieses Reiter-Pferdpaar dann tatsächlich ohne Fehler den Parcours bezwingt, dann ist es so, als hätte der HSV es nun doch nach vielen Jahren mal geschafft, in die Bundesliga aufzusteigen. Und das macht eben diese besonderen Momente aus. Und das ist das, was ich liebe und wofür wir auch leben. Und das versuche ich auch auf das Team zu übertragen, dass wirklich jeder in seinem Bereich bis ins Detail darauf achtet, dass wenig Unzufriedenheit erzeugt wird und dass der Wohlfühlfaktor ganz hoch bleibt.
[SPEAKER 2]Fieberst du selber auch mit? Also du hast es gerade beschrieben, dieser Moment kurz bevor beim Hamburger Derby die erste Nullrunde passiert, gießt du da selber auch noch mit?
[SPEAKER 1]Wenn ich die Zeit habe, mich wirklich darauf zu konzentrieren, dann ja. Aber das Derby ist natürlich, oder die Hauptprüfung, auch der große Preis in Leipzig, die Weltcup-Prüfung, das ist natürlich der Veranstaltungsteil, an dem viele unserer Kunden, unserer Sponsoren da sind, die Hauptansprechpartner da sind, die Gäste vor Ort sind, mit denen man Kontakt halten will, mit denen man Kontakt halten muss. Und die Zeit nutze ich dann immer, mich mit dem einen oder anderen noch zu treffen und man unterhält sich dann meistens am Rand des Parcours und meistens kriegt man dann was mit, aber man ist natürlich auch im Gespräch. Und sicher pickt man sich einige der Favoriten raus, da guckst du mal ganz genau, aber im letzten Jahr zum Beispiel, muss ich ganz ehrlich sagen, Kassandra war nicht ganz oben auf meiner Favoritenliste.
[SPEAKER 2]Kassandra Orschel, die Siegerin des Hamburger Derbys im vergangenen Jahr.
[SPEAKER 1]Die ist dann aber doch souverän nach Hause geschaukelt, muss man sagen. Ich fieber schon mit, wenn ich kann, klar.
[SPEAKER 2]Sind für dich als Veranstalter dann solche Geschichten auch wichtig, dass eine Kassandra Orschel, die vielleicht vorher gar nicht unbedingt jeder als Derbysiegerin auf dem Zettel gehabt hat, dass dann auch so eine Newcomerin beziehungsweise Außenseiterin gewinnt. Ist das auch für die Geschichte dann noch besser?
[SPEAKER 1]Es war perfekt. Erste Frau seit 46 Jahren, Hamburgerin, unter 30. Was wollen wir mehr? Da wurden ja viele Vorurteile ausgeräumt, Frauen können das gar nicht gewinnen, man muss entsprechend jahrelange Erfahrung haben, um das zu gewinnen. Man muss mit einem Pferd dahin gehen, das genau fürs Derby gemacht ist und über Monate antrainiert ist. Bei Kassandra war es mehr oder weniger auch kurz entschlossen, dass sie das Derby mitreitet. Und ja, es geht. Und so haben wir jedes Jahr wieder unsere Geschichte. Da kann man sich ja viele Sachen rauspicken. Den Hello Max zum Beispiel, der vom Karnevalspferd zum Derbysieger wurde. Oder Colin von Toni Haßmann, der in seinem Leben nicht viel gewonnen hat, aber dreimal das Derby und immer wieder irgendwelche neuen Geschichten. Dann hat es jahrelang keinen ausländischen Sieger gegeben und dann gewinnt plötzlich nach langem Warten wieder einer von der Insel. Das sind so die Geschichten, die das Derby eben auch so besonders machen. Und da ist es am Ende auch gar nicht entscheidend, wer jetzt das Derby gewinnt oder auch gar nicht entscheidend, wer jetzt das Derby reitet. Die Stars sind diejenigen, die es schaffen, diesen Parcours zu bezwingen. Und die müssen in der Weltrangliste nicht unter den ersten 100 sein.
[SPEAKER 2]Ist bei dir auch eine gewisse Leidenschaft rund um das Derby entstanden? Also wenn man dir jetzt zuhört, man merkt, dass das Derby auch dir sehr stark ans Herz gewachsen ist. Ist das so?
[SPEAKER 1]Naja, nach 25 Jahren auf jeden Fall. Wir machen das jetzt seit 2000. Wir gehen jetzt in die 25. Veranstaltung. Wenn wir jetzt mal unsere Jubiläumsveranstaltung im Jahr 2020, die leider nicht stattfinden konnte, unsere kleine Geburtstagsfeier, die wir da gemacht haben, mal mitzählen, dann sind wir jetzt zum 25. Mal auf dem Derbyplatz. Das ist schon eine Zeit und natürlich das Derby damals war für mich, ich komme aus Südlede.
[SPEAKER 2]Nördlich von Bremen, hier sitzen wir gerade.
[SPEAKER 1]Genau, wir können uns jetzt umgucken. Das ist sehr beschaulich hier. Da hatte ich schon so ein bisschen Muffe, muss ich sagen, zu jetzt in die große Stadt. Jetzt musste da das traditionelle Derby damals, 75 Jahre alt, übernehmen und das kannte man natürlich von Kindesbeinen an. Und die ganzen Geschichten, die einem vorher erzählt wurden, mit den großen Sponsoren sich zu vereinbaren und allen es recht zu machen, mit den Medien, da gibt es das Abendblatt, da gibt es die Morgenpost, da gibt es die Bild, da gab es die Welt zu der Zeit noch, da gibt es den NDR, den Hörfunk und die nehmen dich auseinander, hieß es dann, wenn du irgendwie was Falsches machst. Alles Blödsinn, es hat alles wunderbar funktioniert mit allen Medienvertretern, bin ich ansatzweise befreundet, muss man sagen und wir verstehen uns wunderbar und wir leben in einem sehr, sehr ehrlichen Umgang miteinander und in einer sehr guten Symbiose, glaube ich. Und Hamburg ist mir sehr, sehr, sehr ans Herz gewachsen.
[SPEAKER 2]Wenn man die Analogie vom Fußball nimmt, würde man sagen, Hamburger Derby, das ist Traditionsverein, Ewig-Tabelle, ganz, ganz weit oben unter den Veranstaltungen. Nun ist ja der Berufsstand des Turnierveranstalters, den kann man ja nicht lernen wie einen anderen Beruf, sondern es ist ja am Ende auch etwas ganz besonderes Turnierveranstalter zu werden. Wie wird man Turnierveranstalter? Wie bist du da selber auch hingekommen?
[SPEAKER 1]Wie wird man Veranstalter? Ich kann jetzt mal wieder die Geschichte erzählen, die manche vielleicht schon gelesen haben. Ich bin ja in diesem Dorf Utlede aufgewachsen, auf einem Bauernhof und wir hatten damals Pferde, als ich Kind war. Ich durfte die Pferde von der Weide mit reinholen, durfte dann auf dem Rücken sitzen und hab da so ein bisschen geschnuppert. Dann gab es ein paar Ponys, die Pferde wurden abgeschafft, mein Vater hatte keine Zeit mehr zu reiten. Ein Trecker kam und der Hof wurde natürlich mehr technisiert.
[SPEAKER 2]Wie das damals so war, Pferde weniger, Landwirtschaft.
[SPEAKER 1]Genau, die Pferde wurden verdrängt durch die Technik. Als ich 14 war, bin ich konfirmiert worden, hatte mein erstes nennenswertes Geld, mit dem bin ich dann zu meinem Großvater gegangen und zu meinem Vater und hab gesagt, wir wollen wieder ein Pferd kaufen. Ihr müsst hier den gleichen Teil dazu packen. Dann sind wir losgezogen, haben eine Stute gekauft, eine Lugano 2 Domspatzstute. Lady. Lady, genau. Die hab ich geritten, Materialprüfung, mehr oder weniger mittelmäßig erfolgreich. Dann hatten wir aber auch vor zu züchten und diese Stute hat tatsächlich mit dem Hengst Winnetou, der hier genau bei uns gegenüber stand, ein Zeller Landbeschäler 8 Fohlen gebracht und daraus kamen 3 gekörte Hengste. Ich hab immer noch Nachzucht von Lady aus dieser Generation.
[SPEAKER 2]Du züchtest selber auch?
[SPEAKER 1]Ja, ich züchte auch selbst aus dem Stamm der Jamaika. Und ja, auch immer noch recht erfolgreich. Naja, so bin ich bei den Pferden geblieben, hab dann angefangen zu reiten, bin so ländlich bis M geritten und dann hatte ich mich aber entschieden, nicht in Lede den landwirtschaftlichen Betrieb weiter zu machen, sondern zu studieren. Bin dann nach Göttingen, hab Landwirtschaft studiert und da gab es einen Zufall, also eigentlich war mein Weg ein bisschen in die Richtung, ich wollte gerne nach Südamerika, ich wollte gerne nach Argentinien, Brasilien und Rinder züchten. Und dann gab es eine Vorlesung in Göttingen, oder vielmehr morgens gab es eine Vorlesung Genetik, da bin ich gewesen, saß neben meinem Kumpel Georg, der mittlerweile Tierarzt ist in Dortmund und wir kamen raus und es hat furchtbar geregnet. Georg war mit dem Fahrrad da, ich war mit dem Auto da und dann haben wir uns entschieden, wir fahren erstmal eben zum Mensa, essen was und dann habe ich ihn zurückgebracht, es war 10 nach 2 und irgendwie fiel mir ein, am Institut am Albrecht-Tierweg hält heute Dr. Hanfried Haring aus Warendorf eine Vorlesung.
[SPEAKER 2]Damaliger Generalsekretär?
[SPEAKER 1]Er war Generalsekretär der FN und Dozent in Göttingen, die erste Vorlesung über Pferdezucht und Haltung und da dachte ich, eigentlich musst du da gar nicht hin, weil das, was er erzählt, das weißt du wahrscheinlich fast genauso gut, aber das Wetter war schlecht, man konnte nichts Sinnvolles machen und da habe ich gedacht, gehst du mal hin. Und dann startete er die Vorlesung mit dem Angebot eines Jobs, Pferde nach Südkorea zu bringen. Und ich weiß nicht, wir waren 60 Studenten vielleicht, 40 haben sich sicher gemeldet und ich habe den Job dann gekriegt, ohne zu wissen, wo Korea überhaupt ganz genau liegt, weil damals hat man nicht einfach so im Handy nachgeguckt, sondern man holte dann zu Hause den Dirke Weltatlas raus und hat erstmal durchgeblättert und dachte, Mensch, Thailand, also noch weiter.
[SPEAKER 2]Du hattest gehofft, es ist in Richtung Südamerika.
[SPEAKER 1]Ne, ne, ne, ganz so blond war ich dann doch nicht. Aber wie gesagt, das ist am hinteren Züpfel von China liegt, das war mir gar nicht so bewusst, aber natürlich umso interessanter. Ich habe dann damals die Pferde dorthin begleitet, die wurden von der FN an einen Investor in Korea verkauft, in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Seoul 88, diesmal 84. Und es war ein Trainer mit angeheuert, Rainer Schwere, das war der erste Diplom-Trainer Reiten, den es in Deutschland gab und ich sollte mich ein bisschen um die Fütterungsumstellung, um die Adaption der Pferde in die neue Umgebung kümmern. Wie gesagt, es hat sich ergeben, dass ich im Mai 84 dort hingeflogen bin und habe dann nicht vier Wochen wie geplant, sondern acht Wochen zugebracht, weil der Investor mich nicht so gerne gehen lassen wollte, weil wir hatten viel Spaß miteinander, der war auch gar nicht so viel älter als ich damals und zudem habe ich immer noch sehr, sehr guten Kontakt, der hat mittlerweile eine große Reitanlage in Seoul, in der Nähe von Seoul gebaut und ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Naja, auf jeden Fall, ich kam wieder und Hanfried Haring hat mich dann überzeugt, meine Diplomarbeit doch nicht über Rinder, sondern über Pferde zu schreiben und so habe ich mich dann in Genetik mit dem Thema Korrelation zwischen Exterieur- und Leistungsmerkmalen bei deutschen Reitpferdehengsten beschäftigt. Da kam nicht viel daraus, es gab keine große Korrelation, aber es war eine weitere Diplomarbeit auf dem Weg der Zuchtwertschätzung. Und dann bin ich über Heiko Meinardus, der damals promovierte für das Thema Zuchtwertschätzung, über ihn bin ich nach Oldenburg gekommen, nach Vechta. Im Oldenburger Verband? Genau, bei den Auktionen, bei Stutenleistungsprüfungen, Uwe Heckmann war damals der Chef im Ring und von ihm habe ich sehr, sehr viel gelernt, muss ich sagen und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Und dann habe ich mich damals mit Kaspar Funke zusammengetan und da wurde ESCON gegründet und Jörg Münzner war noch dabei und so haben wir dann angefangen Turniere zu vermarkten, besser zu gestalten, das war zumindest das Ziel. Nach dreieinhalb Jahren habe ich dann gedacht, die Richtungen stimmen nicht so, wo du hin willst und wo der Rest von ESCON hin will und dann habe ich 92 Engade gegründet und bin dann erstmal hauptsächlich als Mittler zwischen Wirtschaft und Sport aufgetreten. Das heißt, ich habe Sponsoren gesucht, versuchte Sponsoren zu akquirieren, aber nicht nur für Reitsport, auch für Volleyball in Bremen zum Beispiel oder für Rudern, für Ruder-Weltmeisterschaften in Prag und in Finnland, in Rutnitz und in Tampere waren wir damals und für Böhringer haben wir relativ viel gemacht, man musste ja irgendwas machen, womit man dann tatsächlich auch sein kleines Vorhaben finanzieren konnte. Und dann gab es 1993 die erste Möglichkeit ein Turnier zu machen, ein etwas größeres in Anführungsstrichen Turnier in Winsen an der Aller. Winsen an der Aller ist auch nicht viel größer als Südlede, aber auch hier in Niedersachsen und der Heimatort von Hermann Schritte, der ja früh verstorben war. Springreitlegende. Und es sollte ein Hermann-Schritte-Gedächtnisturnier geben. Und da bin ich angesprochen worden und dann haben wir dieses Turnier gemacht in Winsen an der Aller. Wir hatten ein sehr sehr gutes Teilnehmerfeld, also alle namhaften deutschen Springreiter kamen auf jeden Fall, es war ein nationales Turnier, wir kriegten den NDR überredet, dass er 45 Minuten am Samstag übertragen hat und das ZDF hat eine Viertelstunde am Sonntag übertragen. Aus Winsen an der Aller. Und das war natürlich mega, wir konnten unseren Sponsoren wirklich einiges bieten. Sensationell eigentlich. Absolut. Und das interessante, so nebenbei, auch für Fußballfans werden ihn kennen, Bela Reti, Bela Reti war damals der Kommentator für das ZDF. Der war selber da. Den habe ich vor vier Jahren mal getroffen in München, ich sage, Herr Reti, Sie werden mich nicht kennen, aber Sie haben mal mein erstes Reitturnier kommentiert. Ja, ja, stimmt, sagt er, das war irgendwo in der Nähe von Hannover. Ich sage, ja, Winsen an der Aller. Ja, genau. Ich hatte keine Ahnung, sagt er, ich wusste nichts von diesen Tieren und von diesem Sport. Aber war total interessant. Das ist ja so einer, den kann man auf alles loslassen. Den gibt man ein Regelbuch und dann erklärt er den Sport. So haben wir dann unsere erste Veranstaltung gemacht, dann kamen 95 die ersten Meisterschaften in den neuen Bundesländern, in Gera, das war sehr erfolgreich. Dann haben wir Gera gemacht und dann habe ich mich 97 so ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, in welche Richtung willst du jetzt eigentlich, willst du jetzt wirklich mehr reine Agentur sein oder willst du mehr Veranstaltungen machen? Und dann habe ich auf der Karte geguckt, so in Gedanken und habe mir gedacht, in Bayern ist noch nichts und im Osten ist ein Turnier in Leipzig gewesen, das hatte man dann aber wieder eingestampft. Vielleicht versuchst du das nochmal. Und dann bin ich nach München gefahren, habe die Olympiahalle gemietet und bin nach Leipzig gefahren und habe mich mit der Messe verständigt. Übrigens auf Vorschlag deines Vaters, Wolf, der sehr gut mit dem Ulrich Kromer zu Berle bekannt war, der damals Messechef in Leipzig war und der hat gesagt, man spricht doch mal mit dem Wolf und so kam das zustande.
[SPEAKER 2]Und vielleicht auch für die Hörer, weil das hier noch nie so richtig thematisiert wurde eigentlich, denn mein Vater hat 1972 die Equitana gegründet und war glaube ich deswegen auch mit den Messegesellschaften ganz gut verdrahtet.
[SPEAKER 1]Genau, Ulrich Kromer war, bevor er nach Leipzig als Messechef gegangen ist, war er bei der Messe Essen und dadurch kam die Bekanntschaft zu deinem Vater. Der Plan war damals in Leipzig die Equitana Ost aufzubauen und so kam ich dann plötzlich in zwei Städte ganz neu und da haben wir Veranstaltungen angeschoben, die Munich Indoors haben wir 22 Mal gemacht. Das Turnier in Leipzig mit Weltcup-Status seit 2000, da haben wir das erste Weltcup-Finale sogar schon 2002 mit zweimal 2011 und 2022 Weltcups mit vier Disziplinen, was es noch nie irgendwo sonst auf der Welt gegeben hat. Sehr, sehr erfolgreiche Veranstaltung und die Munich Indoors waren jahrelang Finale der Riders Tour und in einer schwierigen Halle mit 11.000 Sitzplätzen und da kam eins zum anderen dazu, dann haben wir in Paderborn eine kleine Veranstaltung gemacht. Dann waren wir 2003 das erste Mal aktiv in Kuala Lumpur und so wuchs das Ganze und plötzlich bist du Veranstalter von RIDE Turnieren.
[SPEAKER 2]Was sind dann die Erfolgsfaktoren, dass ein Turnier einschlägt, wenn man jetzt Leipzig nimmt, ein Event das sich unglaublich entwickelt hat über die Jahre, du hast selber gesagt mehrfach Weltcup-Finale Standort auch. Ist das zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein, ist es harte Arbeit, natürlich ist es harte Arbeit, aber wie viel Fortunge zählt dann dazu, dass am Ende doch so eine Weltklasse Veranstaltung rauskommt, was sie heute ist.
[SPEAKER 1]Es ist eine Mischung aus allem natürlich, also zur richtigen Zeit am richtigen Ort war ganz entscheidend damals, die neue Messe wollte ein Event in der Richtung, ich weiß noch ich bin bei der Stadt gewesen, Wolfgang Tiefensee war damals Bürgermeister, nee Bürgermeister war er noch gar nicht, er war Sportreferent in der Stadt. Oder nee nicht Referent, sondern Dezernent. Auf jeden Fall hatte er für den Sport zu sorgen in der Stadt und er sagte, naja, wenn Sie hier jetzt mit Reiten noch hinwollen, meinetwegen, aber wir haben doch schon Tennis, wir haben Hallenfußball, wir haben Motocross, wir haben Sechstagerennen, wir haben schon eine große Vielfalt, aber versuchen Sie es doch. Und wir sind die einzigen, die übergeblieben sind. Das habe ich ihm später, er war ja Bürgermeister relativ lang und dann war er ja auch Bundesverkehrsminister, glaube ich.
[SPEAKER 2]Er war Bundesminister auf jeden Fall.
[SPEAKER 1]Bundesminister war er auf jeden Fall und da haben wir oft noch drüber gesprochen, als es dann wirklich ein bisschen größer wurde, ein bisschen erfolgreicher wurde und wirklich auch ein Faktor für die Stadt wurde, das haben wir jetzt gerade mit der Handelshochschule Leipzig einmal ausgewertet. Und es kamen überraschend tolle Ergebnisse dabei raus, zum Beispiel, dass die Veranstaltung im vergangenen Jahr, Longines F.E.I. World Cup Finals, einen Mehrumsatz für die Stadt von etwas mehr als 25 Millionen Euro generiert hat. Und dass wir in puncto Nachhaltigkeit, besonders im Bereich sozialer Nachhaltigkeit in Anlehnung an die Sollen der Nachhaltigkeitssäulen der UN, extrem hohe Werte erreicht haben, womit keiner so richtig gerechnet hat. Das heißt ja, man erreicht einen Sport und kann sich eh keiner mal stäblicher leisten, aber diese Umfrage hat ergeben, wie viele Familien, wie viele Menschen durch alle Schichten der Gesellschaft dort sich eben zusammenfinden und Gefallen an dieser Veranstaltung finden. Und so ein Event hingekriegt zu haben, das macht mich stolz, das muss ich sagen, das bin nicht nur ich, das ist das gesamte Team, das ist auch die Messe, mit der wir sehr gut harmonieren, es ist auch die Anerkennung, die man erfährt, die Stadt weiß um uns, auch der Freistaat Sachsen weiß um uns. Ich bin vom Ministerpräsidenten vor einigen Jahren mal geehrt worden mit dem Sächsischen Verdienstorden, da kommen nur insgesamt 300 Personen in den Genuss, das zu kriegen und ich war einer von dreien aus dem Sport überhaupt und das zeigt, dass die ganze Region dahinter steht und das ist natürlich am Ende auch das Salz in der Suppe. Die Zuschauer sind das große Punt in Leipzig und ich hab den Zuschauern immer gesagt, wir können hier alles veranstalten, was wir wollen, aber wenn wir euch nicht hinter uns hätten, dann hätten wir keine Chance so etwas daraus zu machen. Die Zuschauer in Leipzig sehen das auch so, das ist nicht mein Turnier, das ist deren Turnier und genau so muss es sein. Und ähnlich ist es auch in Hamburg gegangen, dass wir eine Veranstaltung übernommen hatten, die Mitte der 90er ziemlich weit runtergefahren war. Man ging nicht mehr unbedingt zum Derby und die Reiter blieben auch aus und dann hat sich vor uns eine Gruppe um Jochen Döhle, einem Reder aus Hamburg, des Derbys angenommen und hat schon mal die Weichen in eine andere Richtung gestellt und damals waren insgesamt 30.000, 35.000 Besucher über das ganze Wochenende, wovon alleine fast 25.000 am Sonntag da waren. Und als wir es übernommen haben, da habe ich auch mal gesagt, unsere Aufgabe ist es nicht den Sonntag schöner zu gestalten, sondern wir müssen von Donnerstag an jeden Tag füllen. Und das haben wir auch mit kontinuierlicher Arbeit geschafft, dass wir jetzt wirklich nahezu jeden Tag rausverkauft sind und etwa 90.000 Besucher in den Derbypark kriegen. Und ja, das sind, wie gesagt, es gehört eine Menge Glück dazu, es gehört aber auch die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit dazu und dann kann es Mut werden oder es gibt auch Sachen, wo man dann irgendwann sagen muss, geht vielleicht auch nicht mehr so gut, müssen wir sein lassen.
[SPEAKER 2]Und als Zuschauer sieht man ja häufig gar nicht, wie viele verschiedene Gewerke ineinander greifen müssen, die kombiniert werden, damit am Ende das in Anführungsstrichen Produkt dann fertig ist. Das ist eure Aufgabe.
[SPEAKER 1]Genau, wenn man so eine Halle hat wie in Leipzig, da ist viel Platz, da sind 60.000 Quadratmeter für uns, da können wir uns austoben, aber wir müssen auch ganz genau wissen, welcher Eckpunkt muss wo sein, damit alles am Ende zusammenpassen kann und wie kann man es am besten gestalten, um eben tatsächlich das, was ich am Anfang geschrieben habe, den Wohlfühlfaktor für alle entsprechend hoch zu halten.
[SPEAKER 2]Und es ist ja so, zum Beispiel in Leipzig, ich war ja vor vielen, vielen Jahren, grauer Vorzeit auch mal Praktikant bei euch, ihr kommt ja quasi in die leere Halle rein, dann ist Turnier und ihr übergebt wieder eine komplett leere Halle.
[SPEAKER 1]Genau.
[SPEAKER 2]Was man sich als Zuschauer ja gar nicht vorstellen kann, dass zum Beispiel wenige Minuten nach der letzten Siegerehrung wird angefangen, die Arena abzubauen.
[SPEAKER 1]Zwei Tage später sieht man nicht mehr, dass wir da gewesen sind. So ist es vertraglich geregelt. Und acht Tage vorher sieht man auch nicht, dass wir kommen werden. Und ja, da muss vom Sitz für den Besucher über die Reitfläche und die Stallung und die Aussteller VIP-Bereich alles entsprechend eingerichtet werden und vorher muss man natürlich dann auch versuchen, das Ganze finanziell vernünftig auf die Beine zu stellen. Die Kommunikation muss stimmen, vor und während und nach der Veranstaltung. Und gut, das ist ein eingespieltes Team mittlerweile und die Partner, mit denen wir zu tun haben, die haben Vertrauen und wir haben Vertrauen zu denen und das macht dann viel aus.
[SPEAKER 2]Hier bei uns im Podcast reden wir auch viel in den vergangenen Monaten über die Zukunft des Turniersports. Wohin geht die Reise? Sowohl in den kleinen Veranstaltungen, auf ländlichem Niveau, aber auch auf Top-Niveau. Wie siehst du gerade so die Entwicklung? Wir haben ja auch viel die Thematik, sinkende Nennungszahlen, stagnierende Zahlen. Wie schaust du so auf den Status Quo der deutschen Turnierwelt?
[SPEAKER 1]Ja, das ist sicher nicht einfach. Covid hat ganz viel dazu beigetragen, dass wir eine sehr indifferente Situation haben im Moment. Fangen wir mal mit dem ländlichen Turniersport an. Die Veranstaltungen konnten nicht stattfinden, die Vereine haben sich ein bisschen auseinandergelebt, man konnte das Vereinsleben gar nicht so betreiben. Dann musste die Veranstaltung zwei Jahre ausfallen und ein Teil der Menschen, die sonst involviert waren, sagen erstmal, naja, es ging ja auch ohne, warum müssen wir es denn machen? So gut war es in den letzten Jahren finanziell ja auch gar nicht mehr. Ganz gefährlich, finde ich, ganz ganz gefährlich, weil das große Pfund, das wir in Deutschland haben im Reitsport sind die Vereine und sind die ländlichen Veranstaltungen. Der Reitsport wird ja oder ist ja häufig in der Kritik und sehr sehr häufig durch Unwissen. Und wir brauchen schon eine gewisse Grundneigung für den Sport, um ihn überhaupt für die nächsten Jahre erhalten zu können. Und diese Grundneigung entsteht natürlich nicht nur bei denen, die sich mit dem Sport beschäftigen, sondern weit darüber hinaus. Und wenn ich jetzt zum Beispiel mal hier in unserer Umgebung gucke, so ein Turnier in Gestenseet, immer an Pfingsten traditionell, da gehen übers Wochenende vielleicht 1500 Menschen hin. Davon sind 1200 Menschen, die gehen auf kein einziges anderes Turnier, weil sie einfach in der Region sind, weil sie andere treffen, das wissen sie, weil sie sich das einmal angucken und das finden sie auch toll. Der jährliche Treffpunkt. Genau. Und man sieht die Reiter und man sieht tatsächlich auch die Harmonie zwischen Mensch und Pferd und wie die das hinkriegen. Man kennt den einen oder anderen Reiter, weil er ein Arbeitskollege ist oder mit dem ist man zur Schule gegangen oder das sind Nachbarn oder wie auch immer. Und das ist extrem wichtig. Und wenn diese Veranstaltungen verschwinden, verlieren wir diese 1200 Menschen, die überlegen sich dann nicht und fahren nach Hamburg zum Derby oder irgendwo anders hin, sondern für die ist Reitsport dann nicht mehr präsent. Und wenn man das mal multipliziert, wir haben über 3000, 3500 Veranstaltungen in Deutschland, wenn da 10% von verschwinden, was glaube ich im Augenblick so die Tendenz ist, dann sind das 300 Veranstaltungen, 1000 Leute sagen wir mal, dann sind 300.000 Menschen weniger mit Pferden im Kontakt.
[SPEAKER 2]Prozentual hört sich das gar nicht so schlimm an, aber in der absoluten Zahl, die du gerade ausgesprochen hast, 350 Veranstaltungen mal den Menschen, die da hingehen, ist das wieder eine riesengroße Zahl.
[SPEAKER 1]Genau, genau. Und da müssen wir aufpassen, dass wir in der Tiefe bleiben. Es nützt nichts, dass wir Late Entries hier und da und da und da haben unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das ist natürlich für die Reiter, für die Entwicklung der Pferde, für den Sport gut, aber wir müssen trotzdem versuchen in der Öffentlichkeit zu bleiben. Und wenn wir das nicht schaffen, dann wird es über die nächsten Jahre und Jahrzehnte deutlich schwerer werden, den Sport überhaupt in der Gesellschaft zu halten. Wir müssen das Pferd wieder zurückbringen, wieder selbstverständlicher machen. Ich weiß, als ich Kind war, wurden bei uns die Milchkannen mit einem Pferdefuhrwerk abgeholt. Pferde waren präsent, überall. In jedem Dorf gab es Pferde, es gab in jedem Dorf Reiter. Es war, ja für alle, das Pferd war ein großer Begriff. In den Städten wurden noch Bierwagen mit Pferden gefahren. Es gehörte noch dazu. Mittlerweile seit 40 Jahren ist das nahezu nicht mehr der Fall. Und das heißt, dass die Kinder, die jetzt geboren sind, die jetzt die jüngste Generation sind, Eltern haben, die die Pferde schon nicht mehr vor Ort hatten. Da gibt es schon viele Eltern, die ein Pferd noch nie so richtig live gesehen haben. Und es gibt ja interessanterweise eine gewisse Grundneigung bei Mädchen ausgeprägter als bei Jungs dem Pferd gegenüber. Aber wenn so ein Mädchen, ich sag mal die Eltern, Vater war Fußballer, Mutter war Leichtathletin, den Wunsch hat nach einem Pferd, das kann sich den Mund fusselig reden, das wird niemals erreichen, dass es mit einem Pferd zusammenkommt. Niemals will ich nicht sagen, aber sehr schwer. Deutlich unwahrscheinlich. Genau, weil da kommen die Argumente, das ist viel zu gefährlich und die beißen und die schlagen und außerdem stinkst du immer, wenn du nach Hause kommst aus dem Stall. Und deshalb haben wir vor Jahren auch schon mal uns mit dem Thema beschäftigt und unseren Verein Pferde für unsere Kinder gegründet, der leider immer noch nicht so richtig von der gesamten Gesellschaft verstanden wird. Pferde für unsere Kinder soll heißen, oder soll nicht heißen, dass wir Pferde für unsere Kinder sammeln wollen, sondern dass wir die Pferde für unsere Kinder und deren Kinder und deren Kinder in der Gesellschaft erhalten wollen. Als das Tier nämlich, das es wirklich ist und sein kann. Zum einen im Sport, aber zum anderen im Umgang, wie viel können Kinder lernen im Umgang mit Ponys und mit Pferden. Sachen, wo man als Eltern verzweifelt und sich wirklich abmüht, Kindern beizubringen, wie Pünktlichkeit oder wie Verantwortungsbewusstsein oder auch einfach wie Selbstbewusstsein.
[SPEAKER 2]Was ja auch wissenschaftlich belegt ist. Es gibt ja auch eine klare Studienlage dazu, dass das so ist.
[SPEAKER 1]Und das halte ich für sehr wichtig und das geht natürlich über die Vereine und das geht über kleinere Betriebe. Deshalb Pferde im ländlichen Bereich ganz extrem wichtig. Im großen internationalen Bereich ist die Welt kleiner geworden. Die Logistik hat wahnsinnig aufgeholt in den letzten 15, 20 Jahren. Und man kann Turniere in Südamerika oder in Shanghai oder in Riyadh oder wo auch immer machen und die Pferde gelangen dorthin auf sehr bequeme Art und Weise. Und mit einer ausgefallten Logistik, die Veranstalter lernen Turniere nach entsprechendem Standard, nach entsprechendem Niveau zu machen. Wir waren jetzt gerade in Riyadh, haben ein Test-Event gemacht für die Weltcup-Finals in Dressur und Springen in 24. Und diese Facility musste einmal getestet werden. Aber die scheuen keine Kosten und Mühen, wie man immer so schön sagt, um es wirklich toll zu gestalten. Und wir hatten als Test-Event ein Zwei-Sterne-CSI. Ich glaube, das war das aufwändigste und beste Zwei-Sterne-CSI, was es hier auf der Welt gegeben hat. Und die Logistik und alles ist überall aufzubauen und das macht es natürlich für bestimmte Veranstalter auch schwieriger. Wenn ich mir überlege, wie wir vor 15 Jahren unser Turnier in München gemacht haben, dann hatten wir teilweise Pressemeldung 8 der ersten 10 der Weltrangliste in München am Start. Keine Chance heutzutage.
[SPEAKER 2]Weil sich der Sport so unglaublich globalisiert hat.
[SPEAKER 1]Verteilt hat, genau. Wir haben teilweise drei, vier, fünf, fünf Sterne-CSIs an einem Wochenende. Und das ist klar, dass sich dann die Spitze aufteilt. Und da kann es Global Tour heißen oder es kann Nationenpreis heißen oder wie auch immer. Und man findet diese enge Spitze der Weltrangliste nur noch sehr, sehr selten zusammen. Und gut, das muss man anders argumentieren. Der Sport ist deshalb nicht schlechter. Aber man darf sich eben nicht an den einzelnen Namen festhalten, sondern man muss eben den Event an sich in den Vordergrund stellen. Und dazu gehört dann wieder, dass nicht nur Reiten stattfindet, sondern eben, dass auch vieles drumherum stattfindet. Das kriegen einige Veranstalter hin. Das können einige schaffen. Es ist jetzt ungleich schwerer geworden durch die extremen Kostenexplosionen, die wir haben im Personalbereich, im energetischen Bereich. Wir haben ja, ich sag mal, Kostensteigerungen im Vergleich zu 2019, als wir das letzte Mal das ganze Jahr durch veranstalten konnten, bis heute haben wir Steigerungen im Schnitt von 30 Prozent, was die Produktionskosten einer Veranstaltung angeht. Und da muss man erstmal sehen, wie kann man das umlegen. Starke Partner, starke Sponsoren sind extrem wichtig, aber auch die Eintrittspreise werden erhöht werden. Das ist nicht nur im Reitsport so, das ist in allen Bereichen so. Wenn man sich Konzerte anguckt, das sind teilweise astronomische Fußballkarten, wo man hin will, muss man mehr Geld lassen. Das wird sich wieder einpendeln, aber viele Veranstaltungen werden es auch nicht schaffen für die Zukunft von den größeren oder frühermals größeren Veranstaltungen. Weil die Kosten einfach so aus dem Ruder laufen, dass man das mit unserem Sport nicht mehr realisieren kann.
[SPEAKER 2]Wir sehen beim Fußball beispielsweise die Premier League, die sich abgesetzt hat von den anderen Ligen. Siehst du die Gefahr auch im Pferdesport, dass wir eine starke Zweiteilung haben, dass man den ganz hochkarätigen Spitzensport hat, der zwischen Mexiko City und Shanghai pendelt, in Anführungsstrichen, und dann ein Bereich da drunter, wo die Durchlässigkeit nicht so hoch ist?
[SPEAKER 1]Der Bereich da drunter lässt sich eben durch diese immensen Preissteigerungen schwer gestalten. Wir müssen das ja mal aus der wirtschaftlichen Perspektive sehen. Wenn ich einen Sport vermarkten will, dann brauche ich eine gewisse Aufmerksamkeit. Ich muss ja Werte schaffen für die Sponsoren, von denen ich Geld möchte, um diese Veranstaltung durchzuführen. Und da wird ja auch ganz klar gerechnet. Was ohnehin wichtig ist bei den Partnern, ist eine gewisse Neigung zu dem Sport. Das ist ganz egal, ob es Fußball ist, ob es Reiten ist, oder ob es Röhnradfahren ist.
[SPEAKER 2]Ohne Interesse daran wird es schwierig.
[SPEAKER 1]Ohne Interesse daran wird es schwierig, aber dann muss ich trotzdem, wenn ich Entscheider bin in einem Unternehmen, muss ich mir die Veranstaltung so rechnen lassen können, dass es sich für mich auch wirtschaftlich lohnt. Das heißt, ich brauche Fernsehen, ich brauche Zuschauer, ich brauche B2B oder B2C im VIP Bereich. Es müssen interessante Leute da sein. Ich muss die Möglichkeit haben, dort am Rande dieser Events Geschäfte zu machen. Das geht natürlich besser, je hochklassiger die Veranstaltung ist. Wenn ich jetzt eine Veranstaltung, sagen wir mal ein 2 oder 3 Sterne CSI habe, dann kann ich es schwer realisieren, es schwer rechnen, weil mir fehlen die Stars, mir fehlt dadurch möglicherweise das Fernsehen, mir fehlt dadurch die Attraktivität, die Gesamtattraktivität der Veranstaltung. Dann kann ich es schwer realisieren, in großen Hallen wie München oder Dortmund oder wo auch immer, die Kosten dagegen zu rechnen. Ich habe extrem gestiegene Energiekosten, ich habe extrem gestiegene Personalkosten im Bereich Security, Reinigung, was alles dazu gehört. Da sind sechsstellige Summen, die es mehr kostet, überhaupt keine Seltenheit. Und dann lässt sich das nicht mehr rechnen. Ich glaube, diese Veranstaltungen werden mehr in Facilities gehen, die rein für Reitsport gebaut sind oder auch werden. Das heißt aber auch raus aus den Städten. Das heißt, ich muss einen Weg finden, um die Menschen oder die größere Öffentlichkeit wieder dort hin zu kriegen.
[SPEAKER 2]Also ein Trend, den man in den Niederlanden sieht, die Pehl-Bergens, Liess, Okklabek dieser Welt, wo Veranstaltungsplätze und Hallen für den Pferdesport gebaut sind. Da sind x Turniere im Jahr und weniger die Veranstaltungshallen, die du gerade genannt hast, wo quasi reingebaut wird, lediglich für das eine Wochenende.
[SPEAKER 1]Genau. Aber diese Pehl-Bergens und Okklabeks und Liess, die haben meiner Meinung nach auch die Aufgabe, es attraktiv für Besucher zu machen. Damit fangen sie jetzt auch an. Es gibt ja tatsächlich schon ein bisschen Entertainment-Gedanken, um eben Leute dort hinzuziehen. Und das ist, wie gesagt, da kommen wir wieder zu dem Punkt, als wir über die ländlichen Veranstaltungen gesprochen haben. Wir müssen sehen, dass wir die Öffentlichkeit mit in den Sport integrieren. Dass wir den Sport auch für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Weil, wie gesagt, die Stimmen müssen Pferde geritten werden, darf man überhaupt auf Pferden sitzen, müssen Pferde springen können, müssen Pferde dressurmäßig ausgebildet werden. Die Fragen werden ja gestellt. Wir haben im Augenblick die Situation, Grundgesamtheit 80 Millionen in Deutschland, davon 10 Millionen mit einer positiven Neigung zum Pferd. Aber 70 Millionen, ist das völlig egal, was mit dem Pferd gemacht wird oder ob es überhaupt Pferde gibt. Und da müssen wir dran arbeiten, dass da eine gewisse Grundakzeptanz erreicht wird. Und das ist nicht einfach.
[SPEAKER 2]Ja und das spannende ist, wir haben es ja gerade hier bei uns bei WeHoS gemerkt, wir haben ja den Courage Award aus der Taufe gehoben vor einigen Wochen, um Menschen auszuzeichnen, die sich mit Engagement und Einsatz dafür einsetzen, dass Tierschutz und Pferdesport zusammen gedacht werden. So frei nach dem Motto aktiver Pferdesport gleich aktiver Tierschutz. Ist das etwas, was wir als Pferdewelt auch wieder mehr herausstellen müssen, um einfach rauszugreifen aus dem inner circle in Anführungsstrichen, raus in die breitere Gesellschaft?
[SPEAKER 1]Ja eindeutig, eindeutig. Es muss Aufklärung betrieben werden. Und es wird immer sogenannte schwarze Schafe geben, die sich bestimmte Medien, bestimmte Organisationen rauspicken können und sagen können, guck mal was der mit seinem Pferd macht. Das wird immer passieren, das wird bei Hunden aber nicht anders sein oder beim Umgang mit anderen Tieren. Aber wir müssen versuchen Aufklärung zu leisten, dass Pferde mittlerweile so gezüchtet sind über die verschiedensten Generationen, dass sie durchaus springen können und wollen und nicht dazu gezwungen werden müssen. Wir wissen das. Ich habe ein wunderbares Video von einem Fohlen von mir, das springt freiwillig immer über einen Baumstamm auf der Weide, der da liegt. Und da ist keiner in der Nähe, der irgendwie diesem Fohlen auch nur ansatzweise versucht zu erklären, du musst da jetzt rüber. Das macht es von sich aus. Und das sind natürlich auch die Gene, die dann eben dazu beitragen. Und das wissen die wenigsten. Also wenn ich dann gefragt würde, welche Pferde sind das denn eigentlich, die springen da auch in Riyad, sind das alles Araber? Nee, Araber nicht. Araber sind nicht für den Springsport gezüchtet. Es gibt zwar Linien, die beinhalten ein bisschen Araberblut, aber das ist einfach nur um die Pferde da ein bisschen blütiger zu machen, wie wir sagen. Also vom schweren Warmdut zum modernen, leichteren Pferd hin, sensibleren Pferd hin. Und wie gesagt, wenn wir das schaffen, da ein bisschen mehr Aufklärung zu leisten, dann wird auch vieles anders verstanden werden können.
[SPEAKER 2]Was stimmt dich positiv für die Zukunft?
[SPEAKER 1]Ich glaube, dass sich immer mehr Menschen Gedanken darüber machen, wie wir diesen Schritt gehen können, wie wir es machen können, dass bei den Veranstaltungen tatsächlich auch sowas passiert, dass man es öffentlich macht. Ich weiß noch früher, Abreiteplätze in der Halle waren nie einzusehen. Natürlich machen wir das ganz offen in Leipzig. Wir bauen sogar Gastronomie um den Abreiteplatz oder andere Ausstellungsstände, dass die Menschen wirklich an den Abreiteplätzen vorbeigeführt werden und sehen können, wie bereitet derjenige sein Pferd für die Prüfung vor. Dann ist da ein großer Screen und dann können sie da stehen bleiben und gucken, wie das dann gleich im Parcours abgeht. Und das ist wichtig. Und das dann eben entsprechend auch noch erklären. Wir haben natürlich immer, besonders für die Gäste der Partner, wir können nicht alle Besucher da durchführen, aber dann die Parcours Erklärung. Wo kommt es drauf an? Wie kann man überhaupt die Leistungsdifferenzen unterscheiden? Was macht nachher den Sieger in einer schweren Springenprüfung aus? Es ist nicht nur das Pferd, das besser springen kann, sondern es ist eben die Kommunikation, die Harmonie zwischen Pferd und Reiter, zwischen beiden und die Feinabstimmung, die nötig ist, um den Parcours, den sich der Parcoursbauer überlegt hat, fehlerfrei und schnell zu überwinden. Und da gibt es viele technische Möglichkeiten, die ganzen Bereiche Social Media können ja helfen, da diese entsprechende Aufklärung zu verbreiten.
[SPEAKER 2]Vor zwei Wochen hatten wir die amtierende deutsche U21 Meisterin im Springreiten zu Gast und es ging sehr viel um die Durchlässigkeit des Sports. Wie kann jemand mit Talent, aber der nicht mit Geld ausgestattet ist, in den Sport reinkommen? Muss der Sport und gar nicht mal primär der Springsport, sondern der Pferdesport generell auch durchlässiger werden für Talente, die mit Schweiß und Tränen sich hochkämpfen wollen?
[SPEAKER 1]Ja, absolut. Das ist auch ein Punkt, den man dann häufig diskutiert. Wenn dann die Menschen Gefallen daran finden, dann wird dann gesagt, aber am Ende ist es ja doch ganz schön teuer, oder? Natürlich ist es am Ende relativ teuer oder ganz schön teuer, wenn man im Spitzensport dabei sein will. Aber da gibt das System natürlich auch Menschen die Möglichkeit, die aus finanziell nicht so starken Schichten kommen, wenn sie sich dann eben entsprechend durchsetzen können. Das System Sichtungen, Talentförderung, gerade auch von Personen, die nicht die finanziellen Mittel haben. Das System ist deutlich ausbaufähig, würde ich mal sagen. Und da ist es auch sicher, dass auch der Verband oder die Verbände sich darüber Gedanken machen müssen. Wie kann man Menschen den Zugang gewähren? Wie können wir überhaupt, wir müssen noch eins zurückdenken, wie können wir überhaupt, wenn wir jetzt Interesse am Pferd, am Sport erzeugen, wie können wir dieses Interesse überhaupt befriedigen? Wenn man jetzt irgendwo fragt und reiten lernen will, dann gibt es Wartelisten. Dann gibt es auch viele Betriebe, die keine Ponys haben, aber das Kind ist erst sieben und dann aufs große Pferd und dann ist alles schwierig. Ein großes Problem, ein Riesenproblem. Da müssen wir die Menschen ermutigen, gerade auch im ländlichen Bereich. Viele normale kleinere Betriebe sind landwirtschaftlich nicht mehr durchzuhalten, existenzgefährdet. Warum nicht Richtung Ponyreitschule? Es kann sich rechnen, so ein Modell und da muss viel mehr gemacht werden.
[SPEAKER 2]Und es ist ja so auch, dass viele, wie du sagst, viele Ponyreitschulen so lange Wartelisten haben, dass man teilweise Monate, wenn nicht gar Jahre wartet. Meine Schwester Sandra betreibt eine Reitschule, die hat eine Warteliste, die könnte fünf Reitlehrer einstellen, aber da fehlt es dann auch an der Anzahl der Reitlehrer, die man dann auch einstellen kann, also Angebot. Und wenn ich auch gefragt werde immer, was wäre denn ein spannender Job im Pferdebereich, das ist glaube ich einer der spannendsten Gebiete in der Nähe von einer großen Stadt, in einem Großraum am Rande, vielleicht mit S-Bahn Anschluss, eine Reitschule, das wird funktionieren.
[SPEAKER 1]Absolut, absolut. Die Nachfrage ist da, wenn die Nachfrage da ist, kommt normalerweise irgendwann auch das Angebot, bloß das muss transparent gemacht werden, das muss den Menschen erklärt werden, das kann gehen. Du musst nicht mehr für acht Euro die Stunde eine Reitstunde geben. Die Zeiten sind lange vorbei. Die Menschen sind bereit mehr Geld auszugeben dafür und bloß sie finden nichts, genau wie du eben beschrieben hast.
[SPEAKER 2]Also falls ihr noch auf Jobsuche seid, wir haben eine gute Idee für euch.
[SPEAKER 1]Definitiv.
[SPEAKER 2]Ebenfalls hier im Podcast vor einigen Wochen hatte ich Hubertus Schmitt, der hat mir am Ende des Podcasts verraten, dass er glühender Arminia Bielefeld Fan ist und sogar eine Dauerkarte über Jahre besitzt. Jetzt habe ich in der Vorbereitung unserer Gespräche festgestellt, du bist Werder Bremen Fan.
[SPEAKER 1]Das heißt, dann gibt es ja Menschen, die sind noch viel schlimmer dran als ich. Genau. Wir haben ja auch eine gewisse Leidenszeit hinter uns. Doch im Augenblick muss ich sagen, bin ich ganz froh mit unserem Team. Es gibt ja den schönen Spruch, man kann sich zwei Sachen im Leben nicht aussuchen. Das eine sind die Eltern, das andere ist der Fußballverein. Werder ist schon seit eh und je hier in der Region sowieso stark dominant. Aber ein Spieler, der für Werder über 300 Bundesligaspieler absolviert hat und auch in der Nationalmannschaft gespielt hat, linker Verteidiger, man sagt immer noch der beste, den Bremen je hatte, Johnny Otten kommt hier bei uns aus dem Ort. Das ist ja eine Legende wahrscheinlich hier. Dann war es natürlich klar, dass man mit Bremen fiebert. Mittlerweile bin ich gut befreundet mit der Familie Baumann. Frank Baumann ist Geschäftsführer Sport bei Werder und muss ehrlich sagen, hat einen mega Job gemacht in den letzten sehr, sehr schwierigen Jahren. Immer ganz im Hintergrund.
[SPEAKER 2]In Bremer Stil.
[SPEAKER 1]Obwohl er Franke ist, aber er hat wirklich Bremen verstanden und die Familie liebt auch Bremen. Reiten auch, also seine Frau Steffi reitet, die beiden Kinder reiten. Das verbindet natürlich noch mehr zu Werder. Da ist auch die ganze Family. Gehst du häufiger hin? Ja, ich gehe ab und zu hin, wenn unsere Töchter Freunde haben und die sind fanmäßig anderweitig gelagert, dann haben die es schon mal sehr schwer bei uns.
[SPEAKER 2]Das wird ja nicht akzeptiert.
[SPEAKER 1]Ja, Beto haben wir da nicht.
[SPEAKER 2]Lieber Volker, am Ende eines jeden WHO-Podcasts warten die vier klassischen WHO-Fragen, jetzt auch auf dich. Und Frage Nummer eins ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 1]Ja, erst machen, dann reden. Also viele erzählen, was sie alles vorhaben, was sie alles tolles machen wollen und so weiter. Und ich bin der Meinung, man soll das erstmal machen, man soll es erstmal zumindest bis zu einem gewissen Punkt vorantreiben und dann kann man drüber reden. Und ja, da habe ich versucht, mich weitgehend dran zu halten.
[SPEAKER 2]Wunderbar. Frage Nummer zwei, gibt es einen Menschen, der dich auch im Hinblick auf die Pferde besonders geprägt hat?
[SPEAKER 1]Ja, ich glaube, da kann ich sagen, das ist der langjährige Gestüter, der hier in Ludlede die Decksstelle für Hannover geleitet hat, Hans Badenhagen, mittlerweile, ich glaube, 91. Und er war eine sehr dominante Person, ich war tatsächlich einmal ein halbes Jahr angestellt hier bei der Decksstelle, weil er mit dem Vorzeigehengst der Hannoveraner damals mit dem Einblick auf Amerika-Kanada-Reise musste und er hat ihn am langen Zügel in hoher Schule vorgestellt und dann habe ich hier die Decksstelle geleitet. Und er war jemand, der ein straffes Regiment führte und ich gehörte mit dazu und das war sehr prägend.
[SPEAKER 2]Frage Nummer drei, wenn du Reitern bzw. Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es?
[SPEAKER 1]Fairness. In jeder Situation. Fairness dem Pferd gegenüber.
[SPEAKER 2]Und dann vervollständige bitte diesen Satz, Pferde sind für mich.
[SPEAKER 1]Eines der besten Geschöpfe auf Erden. Man kann es schwer beschreiben, sie bringen so vieles mit sich, was andere Haustiere nicht können. Natürlich sind Hunde süß und gehören bei uns auch zur Familie und Katzen und alles mögliche mögen wir und lieben wir, aber die Pferde sind etwas ganz besonderes und die Kommunikation mit den Pferden, nicht nur wenn man sie reitet, im Allgemeinen ist sehr sehr sehr speziell.
[SPEAKER 2]Wunderbar, lieber Volker, vielen Dank, dass du bei uns im Podcast warst. Wir wünschen dir und euch viel Fortun für die anstehenden Aufgaben und Dankeschön.
[SPEAKER 1]Danke dir, es hat Spaß gemacht.
[SPEAKER 2]Diese Folge wurde vorbereitet von Juliane Trenkler, produziert von Mara Landwehr. Mein Name ist Christian Kröber, wir würden uns außerordentlich freuen, wenn ihr uns eine Bewertung dalasst oder auch, einige von euch wissen das, einen Vorschlag abgibt. Wen möchtet ihr gerne mal bei uns im Podcast sehen? Ganz einfach, wehos.com. Dort gibt es eine Möglichkeit, dann eure Vorschläge anzureichen. Wir freuen uns drauf, bis bald.