#146 Courage Award Spezial: 3. Platz Dr. Katharina Ros über ECVM
In diesem Podcast-Spezial stellt Christian Kröber die drei Gewinner des wehorse Courage Awards vor. Die Auszeichnung soll Menschen ehren, die sich in besonderer Weise um den Tierschutz im Pferdesport verdient gemacht haben. Verliehen wurde die Auszeichnung auf der Equitana 2023 in Essen.
In dieser Folge spricht Christian Kröber mit der drittplatzierten Dr. Katharina Ros. Sie untersucht gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Fehlbildung ECVM bei Pferden. Diese Fehlbildung führt dazu, dass Halswirbel und Rippen falsch oder gar nicht ausgebildet werden. Doch noch wird dieses Problem in der Pferdezucht nicht genug beachtet, meint Dr. Katharina Ros.
Falls du dich für ECVM interessiert, haben wir hier weitere Informationen zusammengetragen.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 2]Herzlich willkommen zum wehorse Podcast. Wir haben ein Podcast Dreierpack in den nächsten Tagen. Für euch sozusagen der Headtrick. Denn vor einigen Wochen, ziemlich genau vor zwei Wochen, haben wir in Essen auf der Weltmesse des Pferdesports den wehorse Courage Award verliehen. Ein Preis, den wir aus der Taufe gehoben haben, um Menschen zu prämieren, die sich mit Mut und Einsatz dafür eingesetzt haben, dass aktiver Pferdesport und aktiver Tierschutz im Gleichklang genannt wird. Die Jury, bestehend aus Ingrid Klimke, Dr. Carsten Zech, Katja Schnabel, Petra Tegen und Lisa Röckner, hat aus 1214 Einsendungen am Ende die besten drei herausdestilliert und in den nächsten Tagen möchten wir euch diese besten drei präsentieren, ihre Geschichte erzählen und gemeinsam drauf schauen, was ist eigentlich das Besondere an den Personen, die sich einsetzen, die konstruktiv dafür sorgen, dass Tierschutz und Pferdesport zusammengedacht werden. Heute geht es los mit Dr. Katharina Roos. Sie wurde als Drittplatzierte geehrt. Die Tierärztin führt das Pferdezahnzentrum Döhle und setzt sich medienwirksam für Themen rund um den Tierschutz im Pferdesport ein, insbesondere zu Fehlentwicklungen in der modernen Zucht und noch genauer gesagt das Thema ECVM. Und wir steigen jetzt gemeinsam ein in diesen ersten Podcast, der dritte Platz des Courage Awards. Morgen kommt dann der zweite Platz mit Diana Späth und dann am Sonntag, am heiligen Sonntag, dann der erste Rang. Das ist nämlich die Organisation Möhrchengeber rund um Kerstin Wabel und Christine Kienhöfer, höchst interessant das Ganze und insbesondere der Podcast heute für eigentlich alle Reiter wirklich nicht nur hörenswert, sondern auch ein Denkanstoß. Deswegen, los geht es jetzt mit Rang Nr. 3 im wehorse Courage Award 2023 mit Dr. Katharina Roos. Einen kleinen Hinweis von mir noch vorweg, wir kannten uns im Vorfeld nicht, Und im Zuge des Awards haben wir uns jetzt angefangen zu duzen. Deswegen nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. Vorher kannten wir bei wehorse Dr. Katharina Roos nicht. Das ist jetzt der Fall. Daher duzen wir uns jetzt. Das vielleicht als kleiner Einordnungshinweis vorweg. Und jetzt legen wir los mit dem dritten Rang und Dr. Katharina Roos.
[SPEAKER 1]Auf geht’s.
[SPEAKER 2]Hallo Katharina.
[SPEAKER 1]Hallo, grüß dich.
[SPEAKER 2]Es sind jetzt zwei Wochen vergangen seit dem Courage Award. Etwas mehr, zweieinhalb Wochen auf der Equitana. Wie fühlst du dich? Wie geht’s dir so mit dem Courage Award?
[SPEAKER 1]Ja, ich finde das ganz hervorragend, dass dieser Award quasi ins Leben gerufen wurde, um den Tierschutz voranzubringen. Und vor allem für uns, für unsere kleine Forschungsgruppe, meine beiden Kollegen Christi Dresen und Aldo Duverin aus Holland, für uns ist das Rückenwind, weil wir ein sehr unangenehmes Thema anschneiden. was niemand so gerne hören möchte und Widerstände überwinden müssen regelmäßig. Das ist eine Anerkennung und natürlich auch ein positives Gefühl. Das ist schön. Wir haben uns sehr gefreut. Das bin nicht nur ich, das sind mehrere Personen betroffen von der Freude darüber.
[SPEAKER 2]Nun ist das Thema, das du ansprichst zusammen mit deinen Kollegen, ein wichtiges Thema. ECVM, und das ist glaube ich gar nicht allen unbedingt bekannt, ganz offen gesagt, wusste ich es vor dem Courage Award und den vielen Einsendungen, wo du sehr häufig genannt wurdest, war mir das Thema auch nicht bewusst. Was ist ECVM?
[SPEAKER 1]ECVM ist eine, also beschreibt eine Veränderung des sechsten und siebten Halswirbels und der ersten beiden Rippenpaare. Der sechste Halswirbel ist nicht vollständig ausgebildet, da fehlen knöcherne Strukturen, die etwa halb Handflächen groß sind, die im unteren Bereich im sechsten Halswirbel Ansatz bieten. für einen sehr großen stabilisierenden Muskel, der vom sechsten Halsrübel zum sechsten Brustrübel zieht und den Übergang Hals-Brust-Rübel-Säule anhebt und stabilisiert. Das ist der größte Muskel an der Halsbasis. Und dieser Muskel kann nur vollständig am sechsten Halswirbel ansetzen, wenn die Knochenflächen dafür da sind. Man nennt das auch Insertionen. Wenn die fehlen, komplett fehlen, ein- oder beidseits, und dann in einer kleinen Miniaturform angebildet sind, unten am siebten Halswirbel, dann kann dieser Muskel nur eingeschränkt ansetzen. Und wir haben das festgestellt in Sektionen mit Professor Christoph Mülling aus der Uni Leipzig. dass bei Pferden mit und ohne ECVM dieser Muskel, wenn es beidseits ausgebildet ist, ungefähr nur 30 Prozent des Volumens hat, also wahrscheinlich auch nur 30 Prozent der Kraft. Das ist Teil 1 und 2 von ECVM und der dritte Grad quasi, der betrifft in unserem Forschungsgut Patientengut immer öfter junge Pferde und bei diesen Pferden fehlen die ersten Rippen, das erste Rippenpaar oder die ersten Rippen sind als kleine Rudimente ausgebildet. Die zweiten Rippen sind auch Form verändert und genau das erfüllt uns mit Sorge, weil die ersten Rippen besonders starke, stabile Tragerippen sind, die Gewicht übertragen vom Pferdekörper vom Reiter, Gewicht von oben nach unten zum Brustbein und wieder hoch über Muskelketten in den Schultergürtel. Und weil die ersten Rippen eine wichtige Schaltstelle sind für die ganzen großen Muskelketten, die das Pferd stabil halten. Sehr, sehr viele lange Muskelketten setzen dann die ersten Rippen an. Wenn die ersten Rippen fehlen oder nur rudimentär ausgebildet sind, können diese Muskelketten nur ganz eingeschränkt ansetzen. Und wir haben festgestellt, dass viele Pferde mit rudimentären oder fehlenden ersten Rippen stark eingeschränkt sind körperlich. Wir haben auch Pferde, die damit relativ gut zurechtkommen. Das sind wenige Pferde und die haben dann in der Regel ein sehr gutes, straffes Bindegewebe, die haben einen eher kurzen Hals, nicht so lange Beine, nicht so viel Schwung und sind breitbrüstig vom alten Schlag und sind sehr gut gemanagt. ETVM ist nur ein Problem, was ich sehe in der aktuellen Pferdezucht. Für mich ist das Hauptproblem, dass wir sehr weiche Pferde anpaaren, dass wir immer weicheres Bindegewebe kriegen. Die Pferde werden hypermobil in ihrem gesamten Bewegungssystem.
[SPEAKER 2]Was ja so ein Buzzword auch der Pferdezucht so der letzten Jahre ist.
[SPEAKER 1]Genau und so ein Modewort ist noch Trageerschöpfung. Das wird herzuhören immer wieder, Trageerschöpfung. Gab’s ja früher eigentlich gar nicht. Gab’s früher gar nicht. Früher hat sich der ganz normale Mensch auf ein ganz normales Pferd gesetzt und das Pferd hat ihn getragen und heute ist es so, dass die Pferde so weich sind, dass die zum Teil sich selber nicht mehr tragen können, sich nicht mehr selber gerade und stabil stehen können und dass sie eben gerade den Reiter nicht mehr tragen können, den normalen Reiter. Der Profi, der dem Pferd hilft, sich auszubalancieren, sich zu stabilisieren, der kann dieses Pferd vielleicht noch ausbilden und reiten, aber der dem normalen Reiter, der vielleicht auch etwas der körperliche Einschränkungen hat und dem Pferd nicht zusätzlich hilft, das ist eine schwere Kombination geworden. Also diese Reiter kommen mit diesen Pferden nicht mehr klar oder immer weniger gut klar.
[SPEAKER 2]Woran liegt das, dass dieses Thema jetzt aufkommt? Du bist ja Veterinärmedizinerin, Veterinärtierärztin, forschst zu dem Thema auch. Ist das jetzt ein Thema, was ganz aktuell kommt? Gab es das schon vor 20 Jahren oder ist es wirklich in der Aktualität getrieben und jetzt bist du eine der Galleonsfiguren, die es raustreibt?
[SPEAKER 1]Das ist eine sehr gute Frage. Wir wissen von Skeletten alter Hengste, dass wirklich eben alte Hengste, die schon 20, 30, 40, 50 Jahre tot sind, dass die schon ECVM hatten und zum Teil auch wirklich gute Leistungspferde. Was wir wissen von diesen Pferden ist, dass sie zum Teil nur geringe Veränderungen hatten, nur am sechsten Halswirbel oder das nur einseits hatten, gering am sechsten Halswirbel, gering gradig am siebten Halswirbel und wir kennen das nicht, dass die ersten Rippen verändert sind von diesen Pferden. Das haben wir bei den Jungpferden, also jungen Warmwirtpferden, die wir geröntgt haben, jetzt eben im hohen Maße gefunden und das ist ein relativ neues Phänomen. Es gibt ein Paper aus dem 18. Jahrhundert von Bradley. 18. Jahrhundert. Von Bradley, genau, wo dieses Thema diskutiert wurde. Da wurde ein Pferd sitziert, das hatte eine rudimentäre linke Rippe. Und die ganze Wissenschaftswelt aus England, aus Holland, aus Belgien, aus Deutschland hat diskutiert, warum finden wir ein solches Pferd. Züchten wir in die Richtung, kreieren wir ein Pferd mit einem achten Halswirbel? Weil die Wirbeltiere haben eigentlich das goldene Gesetz der sieben Halswirbel. Und wenn das gebrochen wird, die allermeisten Wirbeltiere haben sieben Halswirbel, wenn das gebrochen wird, dann kommt es normalerweise dazu, dass diese Individuen stark leiden oder sterben, tot geboren werden. Das ist ein schwerer Eingriff in die Struktur des Wirbeltierkörpers. Weil es lässt sich reinzüchten sozusagen. Genau. Wir wissen zum Beispiel über die Forschung von Sharon May Davis aus Australien, dass verschiedene Wirbeltierarten, die kurz vorm Aussterben waren, wegen einem sehr kleinen Genpool zum Beispiel die Marmots, die Wölfe auf einer Insel isoliert und die Wollnashörner, in dem Stadium, wo der Genpool zu klein war, um weiter zu existieren als Population, dass diese Pferde Halsrippen am siebten Halswirbel entwickelt haben oder rudimentäre erste Rippen am ersten Brustwirbel. Also rudimentäre erste Rippen am ersten Brustwirbel. Also dieses Diese Malformation bei diesen drei Tierarten, ich hab auch die Paper nachgelesen, hab’s kontrolliert, steht im Zusammenhang mit dem Aussterben.
[SPEAKER 2]Was ja schon relativ fatal wäre.
[SPEAKER 1]Was sich vielleicht nicht unbedingt auf die Pferdezucht übertragen lässt eins zu eins, aber es ist bedenkenswert und es ist ein modernes Phänomen, dass wir so viele Pferde finden mit rudimentären und fehlenden ersten Rippen.
[SPEAKER 2]Nun hast du eben gesagt, dass ihr als Gruppe und auch du persönlich gegen Widerstände ankämpft. Das ist ja auch ein bisschen die Essenz des We Have Courage Awards, dass wir Menschen auch in den Mittelpunkt stellen wollen, die mit Zivilcourage, Mumm und Einsatz sich für die gute Sache einsetzen, nämlich dass Pferdesport, aktiver Pferdesport und aktiver Tierschutz zusammen gedacht werden. Warum existieren diese Widerstände bei einem Thema, das du ja gerade sehr sauber und klar hergeleitet hast?
[SPEAKER 1]Ich glaube, es ist so, dass dieses Phänomen EZVM ist für viele neu, für viele Tierärzte neu. Und was ich von Kollegen schon gehört habe, ist, dass gesagt wird, ja, erst wurde gesagt, Kissings Binds ist ein Riesenproblem und alle Pferde wurden geröntgt auf Kissings Binds und dann wurden Studien gemacht und es wurde festgestellt, dass manche Pferde mit Kissings Binds super zurechtkommen, andere nicht so.
[SPEAKER 2]War auch mal ein Trendthema so in den Nullerjahren, glaube ich.
[SPEAKER 1]Genau, genau. Und dann wurde von der Tierärzte geschafft, die Meinung geformt, dass Rückenröntgenbilder quasi ohne klinische Relevanz sind und dass man das eigentlich gar nicht mehr röntgen muss bei der Ankaufsuntersuchung. Dass eben das klinische Bild immer vorrangig ist. Und jetzt entsteht der Eindruck, dass ECFM jetzt quasi wieder so eine Modediagnose ist, die keine klinische Relevanz hat. Tatsächlich gibt es sehr, sehr viele wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema. Und eine einzige Arbeit sagt, dass es keine klinische Relevanz hat. Aber genau dieses Paper von Vera wird von nachfolgenden Veröffentlichungen zum Teil stark kritisiert, weil das Studiendesign nicht wirklich geeignet ist, um diese fehlende klinische Relevanz darzustellen aus verschiedenen Gründen. Das führt jetzt hier vielleicht zu weit und andere nachfolgende Studien haben entweder empfohlen, die klinische Relevanz festzustellen, haben zum Beispiel Die RUHN-Studie 2016 und auch die Bekati-Studie ordnen klinische Symptome ECFM zu und haben herausgefunden, dass wenn man ein Pferd ECFM hat, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd Ataxie entwickelt oder Schmerzen der Halswirbelsäule stark erhöht ist. vielfach erhöht ist. Vor allem, wenn da noch Facettengelenksarthrose zusammen damit vorkommt. Und dann gibt es eine Metastudie, das Care Note Paper von letztem Jahr, das ganz klar eCVM-klinische Symptome zuordnet. Also was über viele verschiedene Studien, die besten Studien ausgewählt hat und über die ganzen Fallzahlen klinische Symptome herausgearbeitet hat. Also es ist schon von der Wissenschaftsseite die klinische Relevanz wird sehr nahegelegt oder man kann schon sagen, die ist fast schon da. Und weil wir das wirklich genau wissen möchten, soll jetzt eine prospektive Studie starten, wo verschiedene deutsche Pferdekliniken und private Tierärzte, unter anderem auch ich, beginnen werden, Pferde zu untersuchen auf klinische Relevanz. Das heißt, unsere Voruntersuchungen, klinische Untersuchungen, neurologische Untersuchungen, Röntgenuntersuchungen versuchen festzustellen, wie
[SPEAKER 2]Und das ist ja am Ende eine wichtige Arbeit, denn wenn ich dich richtig verstehe, betrifft das ja eigentlich, oder nicht nur eigentlich, alle Warmblutpferde in Deutschland.
[SPEAKER 1]Die Warmblutpferde auf jeden Fall und auch andere Rassen. Also wir haben gerade die Pferde, die sehr spektakuläres Vorderbein-Aktion haben, finden wir auch regelmäßig mit ECVM. Wir haben sogar eine Studie, die Miniponys mit ECVM gefunden hat. Also die Isländer fangen gerade an mit ECVM. Die haben noch ein eher geringgradige Befunde von dem, was wir wissen. Aber auch gerade die spektakulären Vorderbeine, was die Isländer ja auch gerne möchten oder wo die eben auch hin selektieren. Diese Pferde werden immer häufiger vorgestellt mit Stolpern und Stürzen und auch dort finden wir mittlerweile ECVM.
[SPEAKER 2]Warum glaubst du, dass die Zucht in diese Richtung geht? Weil es ist ja, wir haben ja zuversprochen, die Diagnose, warum vielleicht auch noch nicht alle Tierärzte so klar darauf schauen. Aber am Ende ist es ja auch das Ergebnis nur der Pferdezucht, die in Deutschland und Europa herrscht. Warum geht das in die Richtung?
[SPEAKER 1]Ich denke, dass wir ganz klar auf EC4M selektieren, ohne es zu wissen, weil wir besonders drittige Pferde haben möchten, die sich besonders leicht beizäumen lassen. Und wir selektieren also gerade in Deutschland sehr stark auf diese eindrucksvolle, sehr raumgreifende Vorderbeinbewegung. Wir wollen, dass der Unterarm
[SPEAKER 2]Also insbesondere bei Dressurpferden ist das dann so?
[SPEAKER 1]Genau, bei Dressurpferden. Wir wollen auch beim Springpferd, dass das Springpferd die Vorderbeine über dem Sprung sehr hoch nimmt, also dass es eine sehr gute Vorderbeinaktion hat. Wir wollen sehr bewegliche Pferde haben. Die Springpferde sollen stark baskulieren, die Dressurferde sollen sehr viel Schwung zeigen, sehr leicht zu sitzen sein, sollen sich leicht beeinflussen lassen vom Reiter, ganz schnell Traversalen lernen und Dinge gelobt wechseln. Wir züchten auch auf ein sehr weiches Bindegewebe, das ist halt einfach bequem für den Reiter. Aber je weicher und je bewegungsstärker wir diese Pferde züchten, desto instabiler werden die auch. Und es fällt halt auf, dass auch die Haltbarkeit schwindet. Und von Verbandsseite, der Zuchtverbandsseite, höre ich dann, ja, das wird an den Reitern liegen. Die Reiter können nicht mehr reiten, nicht mehr ausbilden. Die Haltbarkeit schwindet, das wissen wir. Aber ja, das liegt nicht an der Zucht. Und ich habe das früher auch gedacht. Ich habe früher mal gedacht, wenn die Leute, meine Kunden haben ein junges, gutes Pferd gekauft, reiten Dressurpferdeprüfung A und L und M und sind sehr erfolgreich und dann kommen die siebenjährig und die Pferde lassen sich nicht mehr reiten, habe ich immer gedacht, gut, die können nicht reiten, die Leute. Mittlerweile ist es aber so, dass die guten Profis, die diese Pferde dann immer noch reiten konnten, dass diese guten Profis auch schwere Probleme haben. Also die Besten der Besten mit dem besten Management. Und deswegen muss es jetzt mittlerweile tatsächlich auch an den Pferden liegen. Also das ist meine persönliche Meinung.
[SPEAKER 2]Was wünschst du dir für die Zukunft rund um dieses Thema?
[SPEAKER 1]Ich wünsche mir, dass der Austausch stattfindet zwischen Tierärzten, Wissenschaftlern und Zuchtverbänden und dass wir wirklich kritisch hinterfragen, wie wir selektieren. Ich denke, dass man wirklich Reitpferde mit Reitpferden anpaaren sollte und dass man selektieren sollte auf ein solides Pferd mit einem guten Schritt und dass man auf Pferde selektiert, die man selber gerne reiten würde. Ich habe den Eindruck, dass wir im Moment Schauferde produzieren, gerade auf dem Fohlenmarkt, auch die prämierten Siegerhengste. Relativ häufig haben die keine lange Haltbarkeit. Die sind früh invalide, sagen wir. Die sind manchmal nach vier, fünf, sechs, sieben Jährigen schon nicht mehr reitbar. Und ich finde das nicht logisch, dass man sehr spektakuläre frühinvalide Hengste nutzt, um Reitpferde zu produzieren. Und ich denke auch, dass wir die Stuten kritisch betrachten müssen. Also ich denke immer, dass das klinische Bild vorherrscht. Also ein klinisches Bild ist wichtiger als Röntgenbilder und ich denke, dass Wenn man Pferde anpaart, sollte das ganz einfach gesprochen, sollte die Stute und der Hengst, sollte man dreimal die Woche Schritt, Rapp, Galopp, unebenes Gelände reiten können. Ganz normaler Mensch sollte ausreiten können und sich keine Sorgen machen müssen, dass das Pferd nicht trittsicher ist oder dass es sich verletzt, weil der Boden uneben ist oder tief ist. Wir brauchen einfach wieder haltbare, normal reitbare Pferde und normal bedienbare Pferde und gerne eben Langlebige Pferde auch, das ist meine Meinung.
[SPEAKER 2]Im Vorfeld haben wir eben auch schon länger über das Thema gesprochen und was mir immer wieder in den Sinn kam ist, das hört sich für mich immer so ein bisschen an wie beim Klimaschutz, dass es immer noch diejenigen gibt, die sagen, naja, ist jetzt der Klimawandel wirklich menschengemacht oder nicht? So hört es sich in diesem Kontext auch ein wenig an. Gibt es denn in der Sache ECVM und auch wie die Zucht derzeit gemacht und gedacht wird, auch irgendwann ein Kipppunkt, ein Point of No Return, wo wir quasi nur noch ECVM Pferde haben, die alle ihre Probleme entwickeln oder schon entwickelt haben.
[SPEAKER 1]Es gibt ja verschiedene Zuchtverbände. Es gibt zum Beispiel einen kleinen holländischen Zuchtverband, der auf sehr korrektes Exterieur selektiert und der möchte eben gesunde Allrounder züchten. Die haben jetzt direkt gesagt im ersten Gespräch, sie wollen selektieren auf eine vollständige physiologische Hals- und Brustwirbelsäule und die Hengste, die in der letzten Körung vor zwei Wochen gekört worden sind, wurden alle von uns geröntgt. Die waren zum Glück auch alle ECFM frei. Es gibt Züchter, die sagen, bitte kommt, röntgt unsere Pferde, wir wollen das rausselektieren. Die es einfach selber machen, die unbedingt gesunde Pferde, stabile Pferde sowieso züchten möchten. Und es gibt eben große Zuchtverbände, in Deutschland stehen die Zuchtverbände in sehr großer Konkurrenz zueinander. Also wenn jetzt zum Beispiel der Hannoveraner Verband sagt, wir wollen Gesundheit, wir wollen voranschreiten. Wir selektieren jetzt quasi auf zum Beispiel EZFM Freiheit. Dann muss dieser Verband natürlich Angst haben, dass Züchter abwandern in andere Verbände und dass es dort anders gemacht wird. Das ist in Deutschland das größte schwere Problem. Ich denke, wir müssten alle in einem Strang ziehen. Alle Verbände müssten sich auf einen Standard einigen, damit man dann wieder anfängt besser anzupaaren und langsam in eine bessere Richtung zu züchten, weil tatsächlich ist es so, wenn ich mir die Abstammung der Körtenhengste anschaue und die Anpaarung anschaue, wenn ich mir den Fohlenmarkt betrachte und sehe, wie wenig Linien wir überhaupt noch übrig haben, glaube ich, dass wir bald Also die Zeit tickt, dass wir noch in Richtung gesunder, stabiler Pferde mit einem vollständigen Skelett züchten können. Ich glaube wir müssen das jetzt machen, wir haben nicht mehr viel Zeit.
[SPEAKER 2]Wenn du sagst nicht mehr viel Zeit, lässt sich das eingrenzen?
[SPEAKER 1]Was wir halt sehen, wenn wir die ganzen Pferdefohlen mit rudimentären fehlenden Rippen, wenn wir die durchrechnen nach Inzuchtkoeffizienten an Verlustkoeffizienten, dann ist da ganz klar ein roter Faden. Also je mehr Inzucht wir haben auf bestimmte Linien, desto größer wird das Risiko, glaube ich. Im Moment ist es unsere Meinung, also das Ergebnis unserer Kalkulation, desto höher steigt das Risiko, dass wir immer mehr ECVM bekommen. Und hätten wir jetzt noch den alten Schlag, den wir vor 40, 50 Jahren noch hatten, alte Schlag an Pferden, stabile Pferde, breite Brust, kurze Beine, relativ kurzer Hals, nicht so viel Schwung, dann würden wir den Pferden das vielleicht gar nicht anmerken. dass sie ECVM haben, wären die vielleicht ein bisschen asymmetrischer bei einseitiger ECVM, also ein bisschen stärkere Händigkeit, dann hätten die aber immer noch eine lange Lebensdauer, dann würden die damit klarkommen, weil es nur ein Instabilitätsfaktor ist. Aber jetzt haben wir weiches Bindegewebe, wir haben eben, wie gesagt, langen Hals, lange Beine, Hochkantmodell, Rechteckmodell, viel, viel Schwung. Und dann noch eCVM und das wird halt kritisch. Die Stabilität des Pferdes ist eingeschränkt.
[SPEAKER 2]Inwiefern ist das eigentlich vergleichbar mit der Genkrankheit oder das Gensyndrom WFFS, das es ja auch vor einigen Jahren gab, dieses große Thema?
[SPEAKER 1]Das ist eine ganz wichtige Frage. Es gibt ja Studien, die erklären, dass WFFS diese genetische Höherittigkeit macht. ein weicheres Gewebe wird vererbt. Und was aber bei WFFS passiert ist und das darf uns jetzt nicht mehr passieren, dass ein Panik entsteht und dass alle Hengste mit WFFS rausgenommen werden aus der Zucht. Aus meiner persönlichen Sicht haben wir schon einen großen Ahnenverlust erlitten dadurch, also durch WFFS unter anderem und wir dürfen jetzt nicht planlos jeder Einzelne ohne saubere Betreuung in Panik verfallen und sagen, wir paaren nur noch EZFM-freie Pferde an, weil dann verlieren wir noch mehr Genetik. Wir müssen unsere gute Genetik erhalten und
[SPEAKER 2]Und breiter aufstellen am Ende.
[SPEAKER 1]Und dann mit Vernunft und wissenschaftlicher Betreuung uns langsam und sinnvoll aus dieser ECVM-Situation planvoll herausarbeiten. Das wäre meine Sicht der Dinge. Und dafür brauchen wir wissenschaftliche Unterstützung. Heute werden ganz oft Anpaarungen emotional ausgewählt. Mir gefällt der an der Hengst, den hab ich auf der Hengst-Show gesehen, den paar ich jetzt mit meiner Stute an.
[SPEAKER 2]So einfach ist es quasi nicht mehr, ne?
[SPEAKER 1]Genau, wenn wir das einfach machen und nicht wissen, welche Ahnen zusammenkommen in den neuen Generationen zurück und was… Auf was wir dann selektieren, also auf welche Arten wir Inzucht betreiben, wir wissen ja gar nicht, welches Produkt wir kreieren und wenn wir jetzt dann zum Beispiel nachweisliche ECVM-Hengste ganz stark aufdoppeln in dieser virtuellen Anpaarung, die wir planen, dann können wir quasi mathematisch errechnen, dass wir ein hohes Risiko eingehen den Fohlen mit EZVM zu züchten, ohne dass wir das wissen. Weil wir haben vielleicht nur drei Generationen angeschaut und wir haben eine emotionale Entscheidung getroffen. Mit Secret war es so, da gab es ein ganz kurzes Video auf Facebook, nur ein paar Sekunden und sehr sehr sehr viele Züchter haben den direkt eingesetzt. ohne sich zu überlegen, ob dieser Hengst überhaupt zu der jeweiligen Stute passt, ob die Genetik passt. Es wird halt relativ viel planlos gezüchtet und das können wir uns langsam nicht mehr leisten. Das geht eben dann häufig auch schief.
[SPEAKER 2]Du hast eben das Thema Emotionalität angesprochen und Züchten ist für viele Menschen ein sehr emotionales Thema. Natürlich gibt es hochprofessionelle Züchter, die das Ganze auch dementsprechend betreiben, aber für viele kleine Züchter mit ein oder zwei Stuten ist das sehr emotional. Wie wichtig ist, dass man diese Emotionalität natürlich auf der einen Seite respektiert, aber auch diesen wissenschaftlichen Blick da drauf, der am Ende ja den Weg nach vorne auch zeigt, dass man den da wirklich groß schreibt?
[SPEAKER 1]Also für mich ist das auch sehr emotional, dieses ganze Pferde-Zimmer-Zucht-Thema, dass wir gesunde Fohlen haben. Aber ich glaube, wir sind an dem Punkt angekommen, wir müssen die Emotionalität komplett weglassen und wir müssen jetzt ganz klar alle Fakten auf den Tisch legen. Wir müssen alle Gesundheitsdaten, die die Verbände haben, öffentlich machen für die Züchter. Die Züchter können ihre Stute einschätzen, weil die kennen die Stute. Möglicherweise ist sie auch geröntgt oder auch nicht, aber die kennen die Stute und der zu anpaarende Hengst ist eine Blackbox. Man weiß sehr, sehr wenig über die Hengste und ganz viele Daten sind für den Züchter nicht verfügbar. Aus einer bestimmten Anpaarung mit einem bestimmten Hengst werden relativ viele Fohlen geboren mit sehr krummen Beinen, die dann auch eingestiffert werden müssen. Die lineare Beschreibung dieses Hengstes zeigt das ganz klar auf und das sind dann ja nur Also einbezogen in die lineare Beschreibung werden ja nur die Tiere, die schon gezeigt werden können, die guten. Die ganzen getöteten Fohlen, die fallen ja gar nicht, die werden ja nirgendwo dokumentiert. Dann haben wir Anpaarungen, das wissen wir, die ein hohes Risiko haben, dass die Pferde kleine oder sehr kleine oder fehlende Augen haben. Da wurde ja sogar schon mal ein Hengst dann deswegen aus dem Hengstbuch 1 rausgenommen und durfte nicht mehr angepaart werden. Ein einziger Heusteiner Hengst war das, aber diese Genetik gibt es immer noch und wir müssen einfach diese Daten erfassen, damit die Züchter mehr Informationen über die Hengste und über diese gefährlichen Anpaarungen haben. Also alle Fakten müssen jetzt ganz klar auf den Tisch. Alles, was wir wissen, muss oft kommuniziert werden, weil wir sonst unserer Verantwortung nicht gerecht werden, gesunde Pferde zu züchten.
[SPEAKER 2]Wie wichtig ist das, wir alle, die ja die Reiterwelt am Ende repräsentieren, Züchter, Wissenschaftler, Tierärzte, Reiterinnen und Reiter, viele von denen zuhören, dass da hingeschaut wird bei dem Thema. Wie wichtig ist das?
[SPEAKER 1]Ja, ich habe immer mal Kunden, die wollen ein Pferd kaufen und suchen und suchen und suchen und suchen und haben zum Teil sehr viel Geld zur Verfügung und wollen vielleicht einfach nur ein Pferd kaufen, das älteres Huo geht und ämteres Huo gehen kann, was das Potenzial hat. Man wird dann einbezogen in diesen Prozess und sieht, dass es wahnsinnig schwierig ist, diese Pferde auf dem Markt zu finden. Ich habe den Eindruck, dass wir wirklich auf eine Krise zusteuern oder schon teilweise in einer Krise sind, dass wir nicht mehr viele Pferde haben, die wirklich eine gesamte, komplette Ausbildung, Springe und Dressur bis Klasse S durchhalten, die die Haltbarkeit haben für diese Ausbindung. Es gibt viele namhafte Menschen, die viel erfahrener sind als ich, die das auch offen aussprechen. Zum Beispiel Dominique Migré der World of Showjumping vom Besitzerverbund der Springpferdebesitzer.
[SPEAKER 2]World of Showjumping, eine Springreit-Website, News-Seite.
[SPEAKER 1]Der gesagt hat, wir stehen am Scheideweg mit dem Sport und mit der Zucht. Wenn wir keine Sportpferde mehr züchten, dann haben wir keinen Sport mehr. Er hat das vor acht Jahren schon mal gesagt und jetzt sagt er, wir sind wirklich am Scheideweg. Entweder wir tun was oder wir haben bald keinen Pferdesport mehr. Mir liegt der Pferdesport sehr am Herzen. Ich finde, wir brauchen Ich liebe den Pferdesport, der gut gemacht ist. Wir brauchen die Pferde auch für unsere Jugend. Wie viele Mädchen wollen reiten und wie viele Menschen gibt das Halt? Die Pferde geben uns Halt. Man hat normalerweise kaufbaren Pferden, hat 25, 30 Jahre, dann hat man ein Viertel des Jahres, des Lebens, hat man ein Pferd, mit dem man, das ist für die meisten Menschen die längste Beziehung, die sie im Leben haben. Das geliebte Pferd für die Jugend, für die Kinder, der Sport, der ja auch eine Tradition ist, ist ja, wir haben das ja geerbt von unseren Vorfahren. Also wenn wir das jetzt alles aufgeben, unsere haltbaren Leistungspferde, um Schauferde anzupahren und junge Schauferde teuer zu verkaufen, das müssen wir uns überlegen. Werden wir unserer Verantwortung gerecht?
[SPEAKER 2]Man merkt förmlich, wie du auch für dieses Thema brennst und wie wichtig dieses Thema auch am Herzen liegt. Das ist ja auch am Ende, weswegen du einer der drei Gewinnerinnen des We are Scourge Awards in der Erstauflage geworden bist. Und das hat ja auch die Jury, ich kann mich erinnern, an die Jury-Sitzung auch wirklich diskutiert. Ich meine, wir hatten 1214 Einsendungen. Nun ist das ja das ganze auch mit Geld dotiert. Für welchen Zweck ist dieses Geld gedacht? Du hast ja die Möglichkeit, dieses Geld einem Zweck zuzuführen.
[SPEAKER 1]Was ist der Plan? Ich nehme das sehr ernst. Wir haben da schon akribisch drüber nachgedacht. Im Moment ist ja unser Hauptthema wirklich die Forschung der unteren Halswirbelsäule, eben vor allem dieses ECVM. Wir möchten uns aber auch, weil wir persönlich betroffen sind, möchten wir uns auch gerne noch diesen Pferden, den Fohlen widmen, die mit fehlenden oder sehr stark verkleinerten Augen geboren werden. Und dafür brauchen wir auch Gelder, um diese Forschung bereitzustellen. Und ich würde ganz gerne, weil das so ein schreckliches Thema ist, wenn ein Fohlen geboren wird, dem fehlen beide Augen, der wird auf der Wiese geboren und der galoppiert los und rennt in die Zäune und muss eingeschiffert werden. Es ist so schrecklich und es ist so vermeidbar, meiner Meinung nach. Wir würden gerne das Geld für dieses Thema noch einsetzen.
[SPEAKER 2]Wunderbar. Also wir drücken dir auf jeden Fall weiter in die Daumen und fiebern auch mit, dass das wirklich auch jetzt in die Mitte der Gesellschaft beziehungsweise der Reiterwelt kommt, dieses Thema. Wir versuchen damit auch einen kleinen Beitrag zu leisten hier. Es gibt ein höchst interessantes YouTube-Video von dir, das würden wir in die Shownotes nochmal packen, für alle, die nochmal tiefer einsteigen wollen in das Ganze. Und wie gesagt, wir sind sehr dankbar, dass du in Essen mit dabei warst bei der Verleihung und dass du eine von drei Gewinnerinnen des wehorse Courage Awards bist.
[SPEAKER 1]Dankeschön. Ja, vielen, vielen Dank. An euch auch.
[SPEAKER 2]Das war also der dritte Rang mit Dr. Katharina Roos. Morgen hört ihr dann Rang Nr. 2. Diana Späth, die in einer spektakulären Aktion sechs Pferde aus den Fängen eines Clans befreit hat und auch wirklich eine höchst interessante Geschichte zu erzählen hat. Das Ganze morgen, dann in der zweiten kleinen Minifolge rund um das Thema Courage Award.