#130 Pferdemediator Timo Ameruoso: Der Blick hinter das Problem
Timo Ameruoso erlitt in jungem Alter einen Unfall, durch den er querschnittsgelähmt wurde. Dieses Schicksal eröffnete ihm die Möglichkeit zu einem ganz neuen Umgang mit Pferden. Er wollte sie besser verstehen und beschäftigte sich viel mit Hirnforschung und Verhaltensforschung. Dadurch gelang ihm immer besser die Ursachen zu erkennen, die bestimmte Verhaltensmuster bei Pferden auslösen.
In dieser Folge des wehorse-Podcast spricht Timo über seinen Werdegang und warum ein Umdenken im Hinblick auf gängige Trainingsmethoden im Reitsport aus seiner Sicht unumgänglich ist.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 2]Herzlich willkommen zur neuesten Folge des wehorse Podcast. Es ist Folge Nummer 130. Mein Name ist Christian Kröber und heute habe ich einen Mann zu Gast, der schon einen sehr, sehr ernsten Unfall in jungen Jahren erlitt, von dem er eine Querschnittslähmung davontrug. In der Folge hat er aber sich nicht davon abbringen lassen, mit Pferden zu arbeiten und einen ganz eigenen Blick auf die Dinge entwickelt, auf die Psychologie des Pferdes, wie Mensch und Pferd miteinander interagieren und wie man Probleme auch lösen kann. Er nennt sich selber Pferdemediator. Es handelt sich um Timo Ameruoso, mit dem ich heute spreche, wie man ja die Ursachen findet, anstatt das Symptom behandelt. Seinen Blick auf diese Dinge, wo er sich auch sehr viel mit Forschung beschäftigt hat. Vor wenigen Wochen hatten wir zum Beispiel auch Dr. Vivian Garber, wo wir auch über diese Themen gesprochen haben. Wo steht die Forschung eigentlich gerade? Wie kann man das Zusammenwirken mit dem Pferd eigentlich auch verbessern und weiterentwickeln? Und darum geht es heute. Also viel Spaß mit der Folge mit Timo. Wir legen los. Ja, hallo bei uns im Podcast, hallo Timo.
[SPEAKER 1]Hallo, einen wunderschönen guten Morgen.
[SPEAKER 2]Schön, dass du da bist. Wir wollen über dich sprechen, deine Arbeit und als ich im Vorfeld so über deine Homepage gebrowst bin, bin ich an einem Begriff so ein bisschen kleben geblieben und damit starten wir vielleicht am besten. Du bist oder bezeichnest dich als Pferdemediator. Was ist ein Pferdemediator?
[SPEAKER 1]Also zunächst mal vielen Dank, dass ich hier sein darf und Zum Fede-Mediator. Ein Fede-Mediator macht etwas anders als herkömmliche Trainer, Horsemanship, Cowboys, Reitlehrer etc. Und zwar versucht der Fede-Mediator einen Graben zu schließen. Ich würde das vielleicht gerade noch ergänzen, wie es dazu gekommen ist. Also ich bin heute mit 44 sitze ich jetzt knapp 30 Jahre im Rollstuhl und der Grund, weshalb ich heute im Rolli sitze, ist ein Unfall, den ich mit 16 Jahren hatte. Und bis dahin war ich Springreiter und eben nach diesem Unfall, oder der Unfall hat dazu geführt, dass jetzt eine Querschnittlähmung, dass ich eine Querschnittlähmung habe, So etwa ab Brustbein, so unterhalb des Mikros ungefähr. Das heißt, alles, was darunter liegt, geht keine Muskulatur mehr. Und hab nach meinem ersten Unfall, bin ich wieder aufs Pferd, auf mein Springpferd. Und ich war als Springreiter und als Reiter prinzipiell eigentlich recht gut. Und hab aber nach meinem ersten Unfall mein 1,75-Stock-Maß-Springpferd besser, leichter am kleinen Finger reiten können als davor. Und das auch gebisslos. Eben mit dieser Lähmungshöhe so weit oben. Hab mich dann auf die Paralympics vorbereitet, mit meinem Springfett 2000, also fürs Jahr 2000.
[SPEAKER 2]Also nach dem ersten Unfall, seitdem bist du gelähmt? Verkehrsunfall?
[SPEAKER 1]Absolut, genau.
[SPEAKER 2]In der Folge bist du quasi so gesagt, okay, wenn ich nicht im Regelsport reiten kann, dann versuche ich es in Richtung Paralympics, also für die Sportlerinnen und Sportler mit Handicap.
[SPEAKER 1]Ganz genau, exakt, mit eben dieser sehr hohen Lähmung und habe trotz dieser hohen Lähmung oder vielleicht sogar wegen dieser hohen Lähmung mein Springpferd am kleinen Finger reiten können. Also man muss sich das nochmal auf der Zunge zergehen lassen, ohne jetzt da zu sehr drauf rumzureiten. Aber eben ab hier oder ab hier abwärts geht keine Bauchmuskeln, keine Rückenmuskeln, keine Beine sowieso, ne? Damit Schritt, Trab, Galopp, fliegender Wechsel reiten zu können, geht nur, wenn man dazu in der Lage ist, bestimmte Mechanismen im Gehirn zu kontrollieren. So will ich das mal umschreiben. Und hatte dann aber kurz vor Qualifizierung Paralympics einen zweiten Unfall, weil eben aufgrund der hohen Lähmung Kann es natürlich passieren, wenn das Pferd mal einen Schritt zur Seite macht. Also das muss gar nichts machen. Du musst immer nur gut in der Mitte sitzen. Aber es kann einfach passieren. Oder wenn du müde wirst, bin ich vom Pferd gestürzt. Und das hatte eben zur Folge sieben Tage Koma, zwei Herzstillstände und Atemstillstand. Das war die Bilanz nach damals vier Jahren Rollstuhl und wieder Reiten. Was mir vor diesem zweiten Unfall so leicht von der Hand gegangen ist, war dann umso schlechter danach. Also das Ergebnis, um es abzukürzen, war eben das, dass, als ich mich wieder aufs Pferd gesetzt habe, nach dem zweiten Unfall, und mein Pferd war dann deutlicher unter Spannung, und das ist erschrocken, ist er weggerannt, ist mit dem Kopf gegen die Wand gerannt, hat sich umgedreht, ist weitergerannt. Das war unser Ergebnis. Und was mich da so getroffen hat und echt zu Boden gedrückt hat, war eben die Sache, dass ich gesehen habe, dass mein Pferd extrem darunter gelitten hat. Unter meiner Todesangst beim Reiten, vor allem um diese, wie will man das nennen, totale psychische Niedergeschlagenheit. Und das endet dann eben auch darin, dass wenn ich auf die Weide gekommen bin und wollte mein Pferd holen, ist der vor mir weggelaufen. Und noch direkt nach meinem Unfall, nach diesem zweiten Unfall, als ich aus dem Krankenhaus zurückgekommen bin, bin ich in den Stall gekommen, da hat die Tür aufgedrückt und ist zu mir getrabt. Und das war Wochen, Monate später das Ergebnis. Und das war damals auch so die Zeit 99, 2000, die Zeit der Pferdeflüsterer, nenne ich mal.
[SPEAKER 2]Monty Roberts zum Beispiel, die ganz große Zeit damals.
[SPEAKER 1]Zum Beispiel, ich habe Monty Roberts getroffen persönlich. Ich habe einige andere Größen auch aus den USA getroffen. In Deutschland natürlich meine alten Kontakte aus meiner Turnierzeit. Es war kein einer da, nicht ein einziger, der mir hat helfen können. und der vor allem irgendeine Antwort auf meine Fragen hatte. Und dieses Tal, in dem ich saß, war im Grunde die Geburtsstunde des Fede-Mediaturs. Und Fede-Mediatur, der Begriff kommt daher, oder diese Andersartigkeit kommt daher, weil mein Ansatz ein anderer ist als beim Horsemanship, als bei diesen konventionellen Ausbildungen. Und zwar ist ein ganz, ganz entscheidender Punkt, den Unterschied von Symptom und Ursache zu kennen. Also zum Beispiel, wenn du ein Pferd hast, was nennt man mal, was man so häufiger kennt, was unterm Sattel schreckhaft ist, als Beispiel.
[SPEAKER 2]Und einfach ein Warmblüter, der schreckhaft ist.
[SPEAKER 1]Der schreckhaft ist oder schreckhaft im Gelände ist. Dann ist dieses Schreckhaft nur das Symptom. Und wenn man jetzt versucht, Durch Gelassenheitstraining, das zu beheben, wird man merken, immer. Der Erfolg ist, wenn überhaupt, der sich einstellt, nur sehr temporär. Weil man nur am Symptom arbeitet. Und ein Symptom, um das mal auf uns zu übertragen, da ist das ein bisschen einfacher zu greifen. Wir nehmen mal hypothetisch an, du hättest ein Loch im Zahn. Oder ich hab ein Loch im Zahn, ist egal. Und du kriegst Schmerzen, Zahnschmerzen. wäre, jetzt mal genommen nochmal am Gelassenheitstraining, das Gelassenheitstraining die Schmerztablette. Das heißt, der Schmerz verschwindet temporär, muss aber wiederkehren, weil die Ursache noch besteht.
[SPEAKER 2]Behandlung der Symptome und nicht der Ursache, sozusagen.
[SPEAKER 1]Absolut. Würde man den Schmerz vollkommen unbeachtet lassen und das Loch behandeln, würde der Schmerz von selbst verschwinden. Das ist ein Unterschied von unserer Arbeit. Das ist ganz, ganz wichtig, weil man kann im Außen, egal was du hast mit dem Pferd, ob es gut ist oder schlecht ist, man sieht, man kann nur Symptome sehen, keine Ursachen. Und ein weiterer Punkt ist, dass ich mich über die letzten 20 Jahre sehr viel mit Psychologie, vor allem mit Psychotherapie und mit Hirnforschung beschäftigt habe. Also wie bestimmte Mechanismen im Gehirn funktionieren. Also wenn du auf unserer Homepage warst oder ein bisschen was über mich gelesen hast, hast du bestimmt gesehen, dass wir also nicht nur Pferde ausbilden, sondern auch Problempferde behandeln. Vor allem schwer traumatisierte Pferde. Ein wiederkehrender Aspekt zum Beispiel bei traumatisierten Pferden ist, dass die stark beißen. Und bei einem traumatisierten Pferd, was Angst hat, kann man das noch relativ gut einordnen. Aber es gibt auch Pferde zum Beispiel, die einfach so beißen. Also wenn du das Pferd sattelst und gurtest, fangen die an zu beißen. Dann ist ja, ich vereinfache das einfach mal ein bisschen, dann ist ja unsere Assoziation sehr häufig, Das Pferd ist widerwillig, ist ungehorsam, ungezogen und so weiter. Das ist aber gar nicht so, weil man muss verstehen, dass das System, Mensch als auch das System Pferd, drei Schutzmechanismen besitzt. Also das Gehirn hat drei Schutzreflexe. Fluchtreflex, klar das kennen wir. Kampfreflex, da wird die Luft schon dünner und Todstellreflex. Das sind drei Schutzmechanismen. Fluchtreflex ist klar, das Pferd hat Angst, rennt weg. Kampfreflex ist, wenn das System erkennt, fliehen ist keine Option, also kämpft’s. Beißen gehört dazu. Und Todstellreflex, das sieht man auch ganz häufig. Ich will jetzt nicht sagen, wo man da hingucken muss in der Pferdewelt, aber das sieht man ganz, ganz häufig. Auch bei heutigen Pferdetrainern, Trainerinnen, Das sind die Pferde, die entweder ganz viel zwinkern, also so ein ganz stark, sehr, sehr hoher Zwinkerreflex haben. Oder Pferde, die die Augen schließen oder Pferde, die gar nicht mehr zwinkern und so scheinbar ganz entspannt sind. Das ist Totstellreflex. Und das gehört alles zusammen. Und damit habe ich mich sehr viel beschäftigt und auseinandergesetzt und das analysiert. beziehungsweise nicht versucht gemacht, vom Menschen aufs Pferd zu übertragen. Weil beim Pferd gibt es eigentlich keine Hirnforschung. Aber gemessen am Verhalten, dazu braucht man natürlich sehr viele Pferde, kann man sehr viele Parallelen ziehen. Vor allem was die Funktion des Gehirns betrifft. Also so ein Schlüsselsatz ist der amygdala. Amygdala ist vielleicht nochmal ganz einfach erklärt, wenn du einen Grusel- und Horrorfilm guckst, als Beispiel. was weiß ich, Freddy Krüger oder du bist vielleicht etwas jünger als ich, also für mich ist es Freddy Krüger, Halloween oder sowas, guckst du das?
[SPEAKER 2]Ich bin nicht der größte Horror-Fan, ich kann dir jetzt leider keinen. Saw hat man glaube ich früher mal geguckt, das war ein ganz schlimmer Film, das war nicht gut.
[SPEAKER 1]Ja genau und bei Saw ist es ja, das ist ja so ein Psychomensch, aber wenn du so Halloween oder so guckst, auch diese Bösen, die sterben ja einfach nicht im Film, aber du würdest jetzt sowas gucken, kannst du dir 100 mal sagen, das war nur ein Film und der Schauspieler ist im normalen Leben ganz nett. Trotzdem, wenn es knistert hinter dir, erschreckst du. Und erst dann kommt die Erkenntnis, ach, es ist nichts. Und dieses Erschreckt liegt an der Amygdala, die ist nämlich schneller als der Rest des Gehirns. Das ist quasi ein Teil des Gehirns. Das ist ein Teil des Gehirns, genau. Deshalb kann man Pferde, wenn die Angst haben oder erschrecken und schon mal losgerannt sind, so schwer wieder zur Ruhe zu bringen. Weil die Amygdala Vollgas gibt, schneller ist als der Rest des Gehirns und dann bestimmte Teile im Gehirn aktiviert werden, die autonom laufen. Und das ist das Problem. Und das verändern wir zum Beispiel über das autodynamische Reflexionsprinzip. Wenn man ein schreckhaftes Pferd hat, dann hilft das nichts, Gelassenheitstraining zu machen, weil was man machen muss ist, wie bei einer Psychotherapie, kontrolliert amygdala auslösen und unterbrechen und das Gehirn in die Reflexion bringen. So ganz im Groben.
[SPEAKER 2]Das ist ja auch gerade bei einem Fluchttier wie dem Pferd, ist das ja auch noch sehr sehr viel ausgeprägter. Ich habe Angst, ich muss fliehen und dann kommt ja auch ein Adrenalinschub, der dann nochmal ganz neue Kräfte freisetzt. Anders als bei uns Menschen, die relativ schnell wieder in die Reflexion kommen. Im Vergleich.
[SPEAKER 1]Ganz genau. Und das liegt mit daran, dass es einen großen Hauptunterschied gibt zwischen Pferd und Mensch. Und zwar ist das Pferd ein Beutetier und der Mensch ist ein Räuber. Das ist ein großer Hauptunterschied. Deswegen gibt es auch ganz, ganz viele Systemmissverständnisse zwischen Pferd und Mensch. Also wir, wenn der Mensch das Pferd betrachtet und beurteilt, macht er das tendenziell, beurteilt er das Pferd wie einen Menschen. Also ich würde nochmal ein Beispiel nehmen. Ein ganz, ganz großes Systemmissverständnis ist Sattelzwang zum Beispiel. Also bei Sattelzwang hat man ja so zuerst im Kopf, das Pferd beißt beim Satteln, das Pferd tritt beim Satteln, das Pferd schmeißt sich hin oder was auch immer. Ganz wichtig, ein Naturgesetz besagt, es gibt nichts, was einfach so da ist, sondern alles unterliegt einem Prozess. Auch der Sattelzwang. Beißen, überschlagen, was auch immer. Das heißt, das kann nicht plupp so da gewesen sein, sondern das hat ganz klein angefangen. Und dieses klein angefangen ist genau der Punkt. Das heißt, das hat jeder schon mal erlebt, ganz sicher, vielleicht auch du. Also freistehende Satteln können ja ganz, ganz wenige. Und wenn, können die das nur, weil sie einem Pferd das Stehenbleiben beigebracht haben. stehen bleiben. Beim Satteln ist wieder das Symptom. Unsere Pferde bleiben stehen, ohne dass sie das gelernt haben, weil die keinen Impuls dazu haben, innen drin sich wegzulaufen beim Satteln. Also die wissen, Reiten ist belanglos als Beispiel. Ganz vereinfacht. Und wenn man ein Pferd, was lose angebunden ist oder frei steht und man kommt mit dem Sattel und das Pferd dreht seinen Kopf zu uns und beschnuppert den Sattel, ist das keine Neugier, sondern das ist der kleine, kleine, kleine Beginn eines Abwehrmusters, also von Sattelzwang, wenn man es genau nimmt.
[SPEAKER 2]Aber Sattelzwang ist ja etwas, das kennt jeder und jeder hat sicherlich das auch schon mal erlebt. Aber wenn wir jetzt hier nochmal, du sagst ja, es ist einmal das Symptom, ist quasi der Sattelzwang, das Beißen, das Treten, auch dieses Gefühl des Unwohlseins, was das Pferd ja einfach ausstrahlt. Aber wenn wir jetzt noch einmal da zur Ursache gehen, wie kann ich denn, wenn ich ein Pferd zu Hause habe, was jetzt Sattelzwang hat, wie komme ich denn an diese Ursache ganz konkret ran?
[SPEAKER 1]Genau. Grundsätzlich müsste man das Fett fragen können. Können wir aber alle nicht. Ich habe ja noch keinen getroffen, der es kann. Also es gibt so ein paar Punkte oder es gibt zwei Hauptpunkte, von denen das kommen kann. Wenn man Sattelzwang hat, egal wie stark oder schwach das ist, ist es entweder der Körper, der Sattel oder die Psyche. Zwei sind drei Punkte. Die können sein. Also wenn der Sattel drückt, weiß das Pferd, okay, Reiten tut weh, sage ich jetzt mal, und zeigt deshalb das Abwehrmuster. Dann ist es natürlich, das würde man aber erkennen daran, ob der Rücken zum Beispiel empfindlich ist, ob der Trapez sich, ob der Trapez atrophiert ist, also man sieht es an körperlichen Reaktionen, an dem körperlichen Ertrag, genau, sieht man das. Natürlich sollte das so sein, dass man regelmäßig guckt, ob der Sattel passt, weil sonst ist es ja wie ein drückender Schuh bei einem kleinen Kind. Und das kleine Kind fängt an zu weinen oder jammert oder sagt, Mama oder Papa, der Schuh drückt. Das kann ja ein Pferd so nicht. Also das ist der eine Punkt. Dabei ist es wichtig, wenn man jetzt mal annimmt, das ist der drückende Sattel. Man passt den Sattel an, dass er nicht mehr drückt. Heißt das nicht, dass das Abwehrmuster verschwindet? Zwar tut es, wenn der Sattel drauf ist, dem Pferd nicht mehr weh, aber das ist wie beim Zahnarzt, wenn du Angst hast. Wenn es nicht wehtut, was machst du? Du denkst nicht, ach, Zahnarzt ist kein Problem mehr, sondern du wartest drauf, wann es wieder wehtut.
[SPEAKER 2]Und das ist ja was rein Psychologisches. Das ist ja was rein Psychologisches, wo ich ja dann schon antizipiere.
[SPEAKER 1]Es ist reine Psychologie, genau. Absolut. Und man findet die Antworten über sein Pferd immer bei sich. Man muss nur mal sich fragen, wie wäre es denn vergleichbar sozusagen. Und das muss man auflösen. Und wenn man da noch mal bei dem Thema bleibt, das wird ja in der Federwelt oder im Horstmönchenschutz so gemacht, über Annäherung und Rückzug. Man geht hin, man zieht sich zurück, man geht hin, man zieht sich zurück. Was auch nur eine sehr schwache Wirkung hat, weil man was anderes beachten muss. Man nähert sich an und wartet darauf, wenn das Fehler kein Abwehrmuster zeigt, Bis das Pferd einmal zwinkert und zieht sich dann zurück. Weil ich hab’s ja eingangs gesagt, Todstellreflex, man nennt das auch im Volksmund erlernte Hilflosigkeit, kann bedeuten, dass das Pferd nicht zwinkert, also das nur über sich ergehen lässt. Was eine ganz schlechte Ausgangsbasis ist. Verstehst du, wie ich meine?
[SPEAKER 2]Und es geht quasi darum, auch genau in diese Schnitt-, ich nenn das mal, Schnittstelle zu kommen. Ähm, dieser Reflexe des Pferdes, richtig?
[SPEAKER 1]Absolut, aber ganz wichtig ist, dass diese Schutzreflexe haben alle Säugetiere. Deswegen kann man das so schön beim Mensch ableiten, weil wir haben das auch. Also dieses zum Beispiel Nicht-Zwinkern weiß man von Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Da hat man auf Überwachungskameras festgestellt, dass die aufgehört haben zu zwinkern, während sie erkannt haben, sie können sich nicht wehren und so weiter und so fort. ohne das Sensitive auszuführen. Daher wissen wir das, dass das Zwinkern ein ganz, ganz ausschlaggebender Punkt ist für den Totstellreflex oder Augenschließen oder sowas. Und deshalb achten wir beispielsweise darauf und das ist dann vom Prozedere Ähnlich, wenn man sich nicht genau damit befasst, aber das beobachtet, wie Annäherung und Rückzug, eben mit diesem kleinen Unterschied, dass wir uns annähern, da bleiben, bis das Zwinkern kommt und dann zurückziehen. Mal so ganz im Groben jetzt erklärt.
[SPEAKER 2]Das ist ja etwas, wie du da richtigerweise sagst, in der Humanforschung könnte ich mir das vorstellen, dass das sehr, sehr weitgehend erforscht ist, weil das natürlich das menschliche Verhalten determiniert. Und im Pferdebereich deutlich weniger, aber diese Übertragung aus der Humanwelt in die Hippologische Welt, die ist quasi möglich, nur mit Anpassung auf die Charakteristika der Pferde.
[SPEAKER 1]Genau, also das muss natürlich angepasst werden. Ich nenne dir gleich nochmal ein Beispiel. Was aber wichtig ist, oder vielleicht was man noch ergänzend dazu sagen muss, Ich habe jetzt bis heute etwa so plus minus etwas mehr als 10.000 Pferde trainiert. Und die sind alle bei uns in der Datenbank aufgeführt. Das heißt, wenn du mit deinem Pferd zu uns kommst, musst du als erstes einen Anamnesebogen ausfüllen. Wie bei Marzt. Da stehen so ein paar Eckdaten drin. Also Alter vom Pferd, klar, seit wann das Problem besteht, was versucht wurde, um das aufzulösen und so weiter und so fort. Das ist der Ausgangspunkt. Dann gibt es nochmal eine Voranamnese, wenn wir dann zusammen trainieren oder zusammen die Strategie ausarbeiten. Und während ich mit dem Besitzer gemeinsam die Strategie ausarbeite, um zur Lösung zu kommen, führe ich einen schriftlichen Anamneseverlauf. Ich notiere dann, wie ist die Reflexionsfähigkeit des Pferdes. Kommt das Pferd von selbst in die Reflexion? Hält das Pferd die Reflexion und so weiter? Nimmt das Pferd Kontakt auf und so weiter und so fort? Ist es instabil? Und unten drunter halte ich dann schriftlich die Strategie fest. Die bekommt dann auch der Besitzer und der wendet diese Strategie an. Und dann acht Wochen später muss die Strategie wieder angepasst werden, weil das Pferd nach acht Wochen etwa nicht mehr vom Verhalten das gleiche ist, wie an Tag 1 sozusagen.
[SPEAKER 2]Ist das nicht etwas auch, wo ich als Pferdebesitzer fast so ein bisschen, ich nenne es jetzt mal Tagebuch führen könnte, um auch zu sehen, wie sich das Verhalten meines Pferdes auch verändert, wenn ich zum Beispiel im Training bin?
[SPEAKER 1]Zum Beispiel, also man merkt’s, aber es ist auch so, dass jeder, dass wir einmal in der Woche, also mittwochs heute, einen Zoom-Meeting haben mit allen Pferdebesitzern, die gerade aktuell im Training stehen. Und da jeder ganz kurz seine Frage stellt beziehungsweise Feedback gibt, weil ich so dann innerhalb von einer Woche sofort einen Fuß in die Tür stellen kann. wenn zum Beispiel das Pferd schlecht in die Reflexion kommt. Also schlecht in die Reflexion heißt, dass das Pferd von selbst zur Ruhe kommt, Spannung abbaut von selbst und ins Denken kommt sozusagen, um das mal wieder vereinfacht darzustellen. Und wenn wir merken, warum auch immer, weil die Herde sich umgestellt hat oder was auch immer, das Pferd kommt schlecht in die Reflexion, passt man die Reflexionsphase an, indem man zum Beispiel bei Beginn der Reflexion, Beginn der Reflexionsphase das Pferd Kontakt aufnehmen lässt. Das heißt, das Pferd berührt die Hand des Menschen, was ein ganz, ganz ausschlaggebender Punkt ist. Zwar nur ein kleines Detail, aber ganz, ganz große Wirkung.
[SPEAKER 2]Warum ist genau das so wichtig?
[SPEAKER 1]Die Kontaktaufnahme, weil das Pferd das auch unter Pferden macht und es ist so, dass das Pferd das Kontakt aufnimmt, also berührt, den Berührenden als Leittier anerkennt. Das muss man aber ganz genau erklären. Es geht nicht darum, das Pferd zu unterdrücken, zu unterwerfen oder zu dominieren oder weiß der Teufel was. Was aber wichtig ist, ist, weil das Pferd etwas braucht, was wir nicht brauchen. Das Pferd braucht die Herde zum Überleben. Und wenn wir mit dem Pferd alleine sind, müssen wir dazu in der Lage sein, diese Herde zu ersetzen. Und das geht nur, indem ich dem Pferd klar mache, ich bin als Leittier geeignet. Und das mache ich nicht über Bodenarbeit, 5000 Spiele oder dem Pferd zeigen, wo es lang geht, überhaupt nicht, sondern nur über zwei kleine Mechanismen, Tempo und Richtung. Und das ganz kurz. Und daraus folgert eben auch noch, dass das Pferd beginnt, es lässt sich durchweg beobachten, das dauert in der Regel zwischen drei und sechs Monate, dass die Pferde selbstbewusster werden, sehr viel selbstbewusster. Und das ist ein ganz, ganz entscheidender Punkt, Selbstbewusstsein beim Pferd. Das weiß man schon aus der Arbeit mit Kindern zum Beispiel. Wenn ich vielleicht das noch kurz ausführen darf, man denkt ja häufig, das Pferd macht was es will, es dominiert, das Pferd ist sehr selbstbewusst, also extrovertiert. Man weiß das von Kindern, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Je selbstbewusster, desto ruhiger. Um es ganz einfach zu erklären.
[SPEAKER 2]Weil man dadurch ja auch mehr, würde ich jetzt so interpretieren, einfach als Mensch mehr in seiner Mitte ruht, Weil die äußeren Einflüsse können mich nicht so aus den Socken hauen, salopp gesagt, dass ich nervös werden muss und dass dann die Kette kommt, über die wir eben gesprochen haben.
[SPEAKER 1]Absolut, genau das ist der springende Punkt und da würde ich vielleicht noch eine Sache ergänzen. Es ist ja leider heute in der Pferdewelt noch üblich zu sagen, Wir reiten die Pferde dreijährig ein, dann sind die noch nicht so stark sich zu wehren, sinngemäß. Das ist ganz schlecht, absolut schlecht. Es kann ja nicht sein, dass ich mein Pferd gefügig mache, wenn es noch keine Kraft hat, damit es immer noch eingeschüchtert ist, wenn es stark genug ist. Ich zum Beispiel mache das umgekehrt oder grundsätzlich mit allen unseren Pferden, die wir betreuen, umgekehrt. Aber ich würde das mal am Beispiel von Paolo erläutern. Paolo kennt man ja, das ist eins meiner Pferde, der Hengst, der sich hinlegt, damit ich ihn aufsitzen kann. Ich habe Paolo, der kam mit 18 Monaten zu mir und habe den fünfjährig angeritten. Ich selbst gebisslos. Und das geht nur, wenn Paolo weiß, ich vereinfache, er ist der Größte, ihm kann nichts passieren. Weil nochmal, ich habe ja die Lähmungshöhe sehr hoch und kann mir das nicht erlauben, dass der Angst hat und erschreckt und wegrennt, dass der eingeschüchtert ist, weil das ist wie ein Kochtopf, der unter Druck steht, wo du einen Deckel draufhältst. Ganz schlecht. Für mich war eins wichtig und das ist eine Erkenntnis aus der Hirnforschung. Was wir brauchen ist Bindung. Absolute Bindung. Egal ob im Freizeit oder im Profisport. Weil das weiß man schon lange. Auch von Menschen, von Erwachsenen, von Kindern. Das kennst du aus deiner Schulzeit auch, das kenne ich auch. Es gab ein Fach, da warst du super gut. Da hattest du einen guten Draht zum Lehrer. Und es gab ein Fach, da warst du super schlecht. Da hattest du einen schlechten Draht zum Lehrer. Definitiv. Kennt ja jeder. Kennt ja jeder.
[SPEAKER 2]Leider waren die Fächer mit schlechter Bindung in der Mehrzahl.
[SPEAKER 1]Ja, aber du hast es trotzdem geschafft. So ist es, genau. Und jetzt denkt ja jeder, ja ich habe Bindung zu meinem Pferd, weil das wird, wenn ich komme, Das ist nicht ganz so, das ist leider ein bisschen unromantischer. Was wir brauchen ist, vor allem Bindung vom Pferd zu uns. Und die schafft man nur, wenn man sich im System des Pferdes bewegt. Jetzt habe ich ja schon wieder fast eine Bergpredigt gehalten, jetzt will ich dich mal zu Wort kommen lassen. Aber du kriegst die Zuhörer hoffentlich so einen Eindruck, was das anders ist bei uns.
[SPEAKER 2]Aber du hast ja gerade gesagt, und das ist ja für dich ist ja, Sicherheit umso wichtiger, weil du querschnittsgelähmt bist. Und das ist ja auch, ich persönlich finde das sehr beeindruckend, deine Geschichte, aber ich habe auch sehr viel schon mit Parasportlern, die heute unterwegs sind, zu tun gehabt. In der Vergangenheit hatten jüngst auch den Bundestrainer der Parareiter. Bernhard Fliegel hier bei uns, du bist auch ein Hesse, ein Landsmann von dir. Und da ist ja Sicherheit und es ist ja beeindruckend, wie Parareiter mit den Pferden und vor allem auch mit ihrem Handicap umgehen. Es ist ja aber Sicherheit auch ein Thema. Jetzt sagst du, ich habe den gebisslos angeritten. Das ist ja auch für dich ein sicherheitsrelevantes Thema, weil du möchtest ja als Querschnittsgelähmter jetzt nicht ein drittes Mal vom Pferd fallen.
[SPEAKER 1]Exakt. Und um dem nochmal eins draufzusetzen, ich kann Paolo auch völlig ohne was vorne am Kopf reiten. Das ist auch kein Problem. Weil was man auch wissen muss ist, Und da würde ich keinen Unterschied machen von Reiter mit Handicap oder Reiter ohne Handicap. Das Wissen, auf das wir uns beziehen, ist schon mehr als 200 Jahre alt. Und man weiß heute, man hat heute sehr, sehr viele Erkenntnisse, die viele Regeln oder Ausbildungsmechanismen widerlegen würden. Als Beispiel will ich nochmal eins nennen. Jeder von uns Reitern kennt das oder hat das schon mal erlebt. Und jeder hat auf seinem Reitplatz oder in seiner Reithalle eine Grusel-Ecke. Kennt man. Kennt man einfach, genau. Und man kennt auch, dass diese Grusel-Ecke auf der einen Hand gruseliger ist als auf der anderen Hand. Mhm. Hundertprozentig. Stimmt’s? Genau. Genau. Woher kommt das? Ganz einfach. Das fährt halt die Augen seitlich am Kopf. Soweit ja klar. Aber das Pferd hat einen kleinen Unterschied im Gehirn zu uns. Also wir haben ja, wenn wir von oben drauf gucken, bei uns oder beim Pferd, eine linke und eine rechte Hirnhälfte. Hat das Pferd auch so. Und beim Pferd als auch bei uns sind beide Hemisphären verbunden durch den sogenannten Balken. Und dieser Balken ist bei uns durchzogen von ganz, ganz vielen Nerven, also sehr nervendicht. Beim Pferd aber ist es so, dass diese Verbindung, sage ich jetzt mal, sehr schwach ist. Deswegen hat man dieses Phänomen, gruseliger auf einer Hand, gruseliger auf der anderen. Was bedeutet das aber jetzt? Und da kommen wir jetzt zum Punkt, warum so vieles veraltet ist, aber die FN hat es ja gemerkt mittlerweile oder hat es abgeschrieben oder wie auch immer. Die linke Hirnhemisphäre ist für die rechte Körperhälfte zuständig und umgekehrt. Wenn ich jetzt alles von links wache, Das kommt vom Militär, weil es für Rechtshänder gemacht wurde. Wenn ich alles von links mache, stimuliere ich die rechte Körperhälfte. Das heißt, mein Pferd muss schief werden. Also schließt sich damit gerade Richtung schon mal komplett aus. Es gibt sogar eine Zahl, ich meine, die hätte, bitte mich aber nicht festnageln, die FN veröffentlicht, plus minus, ich glaube 85 Prozent, ich weiß jetzt nicht, aller Pferde oder der gerittenen Pferde sind links hohl.
[SPEAKER 2]So was veröffentlichen die? 83,
[SPEAKER 1]irgendwas der Weltbevölkerung ist rechtshändig. Das passt extrem gut zusammen. Und das ist so ein Aspekt zum Beispiel, warum das Wissen oder auch die Ausbildungsskala, die wir befolgen, die natürlich, Englisch, Western, alles mehr oder weniger abgewandelt ist, die muss meiner Ansicht nach unbedingt überdacht werden. Auch viele, viele so normal gewordene Vorgehensweisen müssen absolut überdacht werden. Also ich weiß nicht, ob du das mitgekriegt hast, der besagte Hengst Paulo, der sich auf Kalma hinlegt, hat, dem habe ich vor zwei Jahren eine Stute gekauft, der hat letztes Jahr, der lebt mit seiner Stute zusammen und der lebt auch mit seinem Stutfohlen zusammen, was in der Gefangenschaft absolut außergewöhnlich ist. Es gibt glaube ich noch einen in Deutschland und einen in der Schweiz, die das so machen, weil man von den Profis, nenne ich es jetzt mal, Angst hat, der Hengst macht dem Fohlen was, was völliger Quatsch ist. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber es gibt ein Phänomen in der Natur, wo Hengste das machen, das ist aber, wenn die Fohlen krank sind.
[SPEAKER 2]Und dann ist es ja fast so ein natürlicher Rolex. Das ist ein bisschen, ja, ist zwar dabilistisch, aber ist dann auch die Realität.
[SPEAKER 1]Genau. Das ist einfach so. Dann töten die die Fohlen, damit die Herde geschützt ist und keine Räuber anlockt. Aber ansonsten ist das… Und man weiß sogar, jetzt kommen wir wieder auf den Übertrag vom Menschen, dass der Bezug zum Vater ganz wichtig ist. Natürlich zur Mutter auch, aber auch zum Vater. Da hat ein Schweizer Soziologe eine Studie gemacht. Und man hat sogar, es gibt drei tschechische Wissenschaftler, die haben das untersucht an zwei, drei Wildpferdeherden und da hat man ebenfalls festgestellt, und das ist das, was wir hier auch beobachten können, dass die Hengste viel mehr mit dem Nachwuchs machen als die Mütter. Also klar, die Mütter säugen, aber erziehen, spielen, machen die Hengste.
[SPEAKER 2]Was ja spannend ist. Also hätte man ja jetzt nicht so… Absolut.
[SPEAKER 1]Das ist so. Du bist gerne eingeladen, mal zu uns zu kommen. Da schaust du dir das mal an. Das nächste Mal… Und vor allem, das Stutthohlen, die ist jetzt ein halbes Jahr alt. mit ihrem Vater alles so macht. Die klaut ihm das Heu aus dem Maul raus. Also total spannend. Und gibt einen ganz anderen Aufgangspunkt. Total selbstbewusst.
[SPEAKER 2]Das nächste Mal, wenn ich in Südhessen bin, komme ich auf jeden Fall bei dir in Stockstadt vorbei.
[SPEAKER 1]Das steht schon mal fest. Absolut. Die Tür steht immer offen. Sehr gerne.
[SPEAKER 2]Nun ist es ja so, wir haben eben das schon mal angesprochen, dieses Thema Handicap. Du gehst da sehr offen mit um, was, glaube ich, Menschen, die kein Handicap haben, haben ja häufig eine gewisse Berührungsangst zu dem Thema. Ich hab jetzt gelernt auch von sehr viel Kontakt mit Parareiterinnen und Reitern, es wird sehr, sehr offen mit diesem Thema umgegangen. Wenn man sich jetzt anschaut, die ganz großen Parareiter der letzten 20 Jahre, beispielsweise eine Dr. Angelika Trabert, wie die mit ihrem Handicap umgeht, das ist sehr, sehr offen, das ist sehr, sehr transparent und auch so ein bisschen, ja, Nimmt sich selber auch auf die Schippe. Das ist ja auch ein bisschen das Spannende daran. Wie wichtig ist für dich, oder für deine Arbeit, wie relevant ist für dich, dass du vielleicht mit dem Handicap jetzt auch andere Wege gehen musst, als vielleicht ein, ich nenne es jetzt mal, konventioneller Trainer?
[SPEAKER 1]Genau. Also, zunächst mal, um das nochmal gerade aufzugreifen, was du gesagt hast, Grundsätzlich ist natürlich so, dass der Rolli, in dem ich sitze, nichts anderes ist wie die Brille auf meiner Nase. Also im Kern ist es nichts anderes. Aber du sprichst genau den Punkt an. Ich kann eben Pferde nicht durch Kraft trainieren, sondern ich muss das im Kopf des Pferdes machen. Deshalb bin ich durch den Rolli von vornherein dazu gezwungen, andere Wege zu gehen und zwar ganz andere Wege zu gehen, weil ich für mich selbst auch ganz andere Ergebnisse brauche. Also ich überspitze das nochmal und vereinfache das. Wenn du jetzt ein Pferd hast, das so ein bisschen bockt unterm Sattel, aber ansonsten sich reiten lässt, ist das für dich vollkommen belanglos. Für mich kann das den Tod bedeuten, deswegen muss ich wissen, warum tut das Pferd das und wie kann ich es verändern. Verstehst du, was ich meine? Zum Beispiel, oder wenn Pferde nicht in den Hänger reingehen, ist ja so eine ganz beliebte Methode, Und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Alles, was außerhalb des Hängers ist, dem Pferd unbequem zu machen und nur im Hänger bequem zu machen. Das ist in etwa so, als hätte ich ein Kind mit Schulangst und das Kind hat Angst davor, in die Schule zu gehen und ich schikaniere das zu Hause nur ein bisschen mehr als in der Schule, sodass das Kind das kleine Rübel wählt. Das hört sich jetzt lustig an, aber genau das ist der Mechanismus. Und das kann ich Gott sei Dank, wenn man das so will, aufgrund des Rollis nicht machen. Und deshalb brauche ich andere Wege. Deshalb muss ich verstehen, warum die Dinge so sind. Also was ist die Ursache? Und wie kann ich die Ursache auflösen?
[SPEAKER 2]Ich habe im Vorfeld des Podcasts auch gesehen, dass du 2015 zum Hessen des Jahres gekürt wurdest. Wie wird man denn Hessen des Jahres?
[SPEAKER 1]Hesse des Jahres deshalb, weil die Gewinnerin eine Hessin war, also ich war der Zweitplatzierte dieser Auswahl. Das war 2015 und das kam im Zusammenhang damit, dass ich mit dem gerade schon besagten Hengst Paulo, da hat der hessische Rundfunk war das, ich glaube die Hessenschau, einen Beitrag gemacht und der ist über Social Media 18 Millionen Mal um die Welt gegangen. Und so kam es zum Hesse des Jahres.
[SPEAKER 2]Okay, also die hessenschau hat über dich berichtet und das hat dann so eine große Resonanz bewirkt.
[SPEAKER 1]Absolut, ja. Also ich war dann, ich wurde 2015, im September 2015 nach Brasilien eingeladen an der Pferdeuni und durfte da eine Woche mit den Studenten arbeiten und eben auch Vorträge halten in Bezug auf die Pferdepsyche. Das war schon sehr, sehr spannend. War für mich eine große, große Ehre. Und hat… In Brasilien war das? In den 100 Kilometern von Sao Paulo, Sorocaba hieß das. Also in Brasilien, das habe ich da auch kennengelernt, gibt es ja keine kleinen Dörfer, da gibt es Stadt, nichts, Stadt, nichts.
[SPEAKER 2]Und das war eine Stadt?
[SPEAKER 1]Das war eine Stadt, Soho-Kaaba, genau. 100 Kilometer, jetzt frag mich nicht, südlich oder nördlich von São Paulo.
[SPEAKER 2]Ja, spannend.
[SPEAKER 1]Absolut, da hat er echt Spaß gemacht.
[SPEAKER 2]Lieber Timo, du weißt ja sicherlich, im WeHouse-Podcast gibt es vier klassische WeHouse-Fragen. Und die warten natürlich auch auf dich in diesem Podcast. Und Frage Nummer eins ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 1]Habe ich ein Motto, nach dem ich lebe? Ja, ich habe ein ganz, ganz großes Motto, nach dem ich lebe. Ich habe gelernt von Pferden, wir sind alle gleich und keiner hat dem anderen irgendwas voraus. Und jeder hat exakt die gleichen Möglichkeiten, im Leben erfolgreich zu werden oder sein Leben zu verändern.
[SPEAKER 2]Wunderbar. Frage Nummer zwei. Gibt es ein Menschen, eine Person, der dich im Hinblick auf die Pferde besonders geprägt hat?
[SPEAKER 1]Ja, und du wirst erstaunt sein, dass es gar kein Pferdemensch ist. Es ist zwar ein Mann, aber es ist der Boxer Muhammad Ali, Cassius Clay, weil der für mich eine sehr, sehr herausragende Persönlichkeit ist in Bezug darauf. Also er war grandios als Boxer, gar keine Frage, also war er weit überlegen. Aber auch als Mensch sich eben keine Angst davor zu haben, den Platz in der Minderheit einzunehmen und dafür einzustehen, für das, was man für richtig hält. Und das finde ich eine ganz, ganz große Sache. Finde leider auch, dass das so mehr und mehr verloren geht heutzutage.
[SPEAKER 2]Ja, Cassius Claymore mit Ali, der ist ja, viele schauen häufig auf seine Boxkarriere, aber darüber hinaus ja auch wirklich sehr, sehr viel auch für Rechte der Schwarzen, Minderheitenrechte, sehr, sehr viel gemacht.
[SPEAKER 1]Absolut. Und was mich vor allem beeindruckt an ihm ist, für seine Einsichten absolut gerade zu stehen, egal was die Konsequenzen sind, also Gefängnis, der Vietnamkrieg damals, aber auch eben das zu schaffen, seine größten Kritiker am Ende seines Lebens zu seinen größten Fans, aber Fan drückt das gar nicht aus, begleitend zu machen. Und das ist schon eine absolute Leistung. Absolut, ja.
[SPEAKER 2]Dann Frage Nummer drei. Wenn du Reitern eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es?
[SPEAKER 1]Was wäre es? Eine Sache, die ich Reitern auf den Weg geben könnte? Die Perspektive zu wechseln und sich vorzustellen, man selbst wäre in der Lage des Pferdes.
[SPEAKER 2]Und das ändert natürlich die Perspektive fundamental.
[SPEAKER 1]Absolut. Ich will das vielleicht nochmal kurz vertiefen. Ich vereinfache das heute alles. Das ist sehr komplex. Ich vereinfache das mal. Wenn ein Pferd zum Beispiel nicht in den Anhänger geht und es steht ruhig davor, denken wir, das Pferd veräppelt uns, weil es ja von außen ruhig erscheint. Aber das kann trotzdem extrem gestresst sein. Weil es gibt ganz viele verschiedene Punkte, an denen ich jetzt erklären könnte, warum das Pferd uns nicht ärgert oder veräppelt. Und die Frage ist die, wenn man dann am Seil, ich sage es mal, am Seil zieht, ist das Pferd ja auch unangenehm. Dann frage ich mich, wenn ich die Perspektive wechsle, warum nehme ich das auf mich, mir da hinten wehtun zu lassen oder von hinten Zäune zu machen zu lassen, nur damit ich meine Besitzerin ärgern kann? ist ja Käse. Also muss es eine andere Motivation geben. In dem Fall ist es Angst. Genau. Also Perspektivwechsel bringt uns dem Ziel sehr nah oder der Antwort sehr nah.
[SPEAKER 2]Und dann vervollständige bitte diesen Satz Pferde sind für mich.
[SPEAKER 1]Pferde sind für mich die Quelle meiner Inspiration und meiner Kraft.
[SPEAKER 2]Großartig. Lieber Timo, vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Eine kleine Reise durch deine hippologische Welt. Wirklich total spannend. Und vielen Dank und viele Grüße nach Hessen.
[SPEAKER 1]Ich danke dir sehr, sehr, sehr, dass ich hier sein durfte. Und natürlich gebe ich das zurück. Schöne, schöne, viele liebe Grüße in den hohen Norden. Wunderbar. Danke.
[SPEAKER 2]Schön, dass du dabei warst bei dieser Folge des wehorse Podcast. Sie wurde vorbereitet von Josefine Lindner, produziert von Mara Landwehr. Mein Name ist Christian Kröber und wir sehen uns das nächste Mal beim wehorse Podcast.