#97 Hörbuch-Special: Hans Joachim Köhler - “Pferdekenner & Fehlergucker” Teil 1
In dieser Special-Folge des wehorse-Podcasts hörst du den ersten Teil des Hörbuchs von Hans Joachim Köhler.
Wie kein Zweiter erkannte Köhler die Stärken und Schwächen von Pferden und wusste sie genial gegeneinander abzuwägen. Seine Sprache lässt den Zuhörer in die Gedankenwelt dieses großen Pferdekenners eintauchen. Keine leichte Kost, aber sie trifft immer den Punkt und bringt einem mit viel Humor die hohe Kunst der Pferdebeurteilung nahe. Hans Joachim Köhler war ein Hippologe von Weltgeltung, Buchautor und Begründer der hannoverschen Reitpferde-Auktionen.
Podcast Transkript
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[SPEAKER 1]Herzlich willkommen zum wehorse Podcast. Mein Name ist Christian Kröber und wir hier bei WeHouse haben mal wieder sehr tief in unserem Archiv gegraben und eines unserer absoluten Hörbuchklassiker nun ausgepackt. Pferdekenner und Fehlergucker von Hans-Joachim Köhler. Einer der größten Hippologen und Pferdemenschen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Er war Buchautor, weltweit geachteter Pferdeexperte und auch Einige von euch wissen das vielleicht. Der Begründer der Reitpferdeauktion des Hannoveraner Verbandes in Pferden an der Aller. Ein höchst spannendes Hörbuch. Es geht um die Pferdebeurteilung, diese hohe Kunst. Es ist sicherlich dabei nicht immer eine leichte Kost, aber sie trifft immer wieder den Punkt und bringt einem mit sehr, sehr viel Humor die hohe Kunst der Pferdebeurteilung nah. Sicherlich etwas, was eigentlich jeden interessieren kann. Dazu wird das Ganze auch noch gesprochen vom unvergessenen und legendären Hans-Heinrich Isenbarth. Das Ganze haben wir aufgeteilt in drei Folgen. Hier kommt nun zunächst Folge 1 von 3 von Pferdekenner und Fehlergucker von Hans-Joachim Köhler. Eingesprochen von Hans-Heinrich Isenbarth. Viel Spaß!
[SPEAKER 2]Pferdekenner und Fehlergucker. Kriterien für die zeitgemäße Beurteilung des Pferdes. Von Hans Joachim Köhler. Dies ein Name von hippologischer Weltgeltung. Sein Wirken für Pferdezucht, Reiterei und Absatz und seine literarischen Werke aus vielfältiger, tiefgründiger Praxis haben seinen Namen zu internationaler Ausstrahlung gebracht. Lassen Sie uns hören, was er selbst zu diesem Thema sagt.
[SPEAKER 1]Das Pferd ist als Ganzes zu beurteilen. Wer die Zusammenhänge in einer Art Legospiel voneinander trennt, wird der Tatsache nicht gerecht, dass die Natur mit Ausgleichen arbeitet. Geistige und körperliche Funktionen führen zur Konformation oder eben nicht. Den Wert oder Unwert des Interieurs oder Exterieurs erkennt man nicht ausreichend, am Stamm, Gebäude oder einzelnen Gebäude teilen. Eine abschließende Gewichtung kann der Beurteiler erst dann vornehmen, wenn das Pferd sich unter dem Reiter gezeigt und eine bestimmte Aufgabe erfüllt hat. Erlerntes und eigenes Erleben dienen dem Beurteilungsvermögen. das ohne Selbsterfühlung den Grauschleier der Theorie nicht auflösen kann.
[SPEAKER 2]Kapitel 1 Geistige Werte Ohne Geist und Seele ist alles körperliche Fassade. Last not least – die inneren Eigenschaften. So liest man es, so hört man es und stellt doch immer wieder fest, dass das Not least meist schlicht vergessen wird und dass das Last, das eigentlich First heißen sollte, meist ohne die gebotene Gewichtung bleibt, wenn man sich nach aller Exterieurbetulichkeit überhaupt noch daran erinnert. Dies ist eine Erscheinung durch Jahrhunderte. Sie ist zwar Tradition, aber eine höchst zweifelhafte. Und man sollte sie endlich durch zweckmäßigere Gesichtspunkte in der Praxis ersetzen. Mit ihr zugleich die erschreckende Gewohnheit, das äußere Erscheinungsbild in Teile zu zerlegen. um mit vorgefassten formalistischen Stempeln zu versehen und fast ausschließlich danach das Pferd zu bewerten. Man reitet zwar nicht auf dem Kopf, wie es so schön heißt, aber man ist doch verdammt darauf angewiesen, was da drin steckt. Und da geht es um allerlei, um allerlei Faktoren, denen hier nachstehend Aufmerksamkeit zuteilwerden soll.
[SPEAKER 1]Der Charakter.
[SPEAKER 2]Seine Wesensarten reichen von schlichter Anständigkeit über stolze, vielleicht sogar eigenwillige Prägungen bis hin zur Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit. Ja, bedenklicher Gefährlichkeit. Fairerweise sind hier angeborene und erworbene Eigenschaften zu unterscheiden. Die charakterliche Belastbarkeit ist unterschiedlich. Es gibt fromme, ergebene Pferde, bei denen man mit Unverstand und Maßlosigkeit alles falsch machen kann und die sich trotzdem in tumber Hingabe fast alles gefallen lassen. Es sind dies die wirklich interessanten Pferde meistens nicht, die sich derart quälen lassen. armselige Knechte vielmehr, charakterlich zwar rührend, aber ohne Esprit und somit eigentlich auch schon wieder charakterlos. Wenn sie aus Verzweiflung dann doch mal gegen den Stachel löcken, sind es Schweine und sehen harter Bestrafung entgegen, die an sich sein zweibeiniger Ausnutzer unbarmherzig verdiente. Horsemen erwarten charakterliche Anständigkeit mit Esprit. Sie können darauf dann auch bauen, solange sie selbst Geduld und Einfühlungsvermögen walten lassen und Maß zu halten verstehen. Denn es ist nicht das Wesen eines anständigen Charakters, in bedingungsloser Duldung alles über sich ergehen zu lassen. So gibt es also Charaktere knächtischer Unterwürfigkeit und lautere Charaktere von Anständigkeit um Anständigkeit. Dazwischen leben lebenswerte Individuen, die jeder menschlichen Hilflosigkeit oder Schwäche grundsätzlich wohlwollend und gutmütig gegenüberstehen. solange ihnen keine vorsätzlichen Überforderungen oder Rohheiten zugemutet werden. Pferde werden sehr selten als menschenfeindlich geboren. So darf man Lebenserfahrungen bei ihnen nicht unberücksichtigt lassen. Oft die interessantesten und leistungsbegabten Pferde weisen einen stark ausgeprägten Charakter auf. Sie haben ihre eigene Meinung und zeigen dies bis hin zur Eigenwilligkeit. Dies sind die Unternehmer. Mit ihnen muss man sich als der Klügere arrangieren und sie zur Partnerschaft erziehen, ohne ihnen in Passion ruhendes Selbstbewusstsein zu nehmen und damit ihre meist hilfreichen geistvollen Initiativen zu zerstören, wodurch leider dann nämlich jene Stumpfheit eintreten würde, die ein Kadavergehorsam zur Folge hat. die von Haus aus charakterlich labilen, die in ihren Kontakten und ihrer Bereitschaft verkrochenen, die sich immer wieder zu drücken versuchen oder in feiger Hinterlistigkeit ein undurchsichtiges Spiel betreiben, diese Kategorie, die jede menschliche Schwäche für sich auszunutzen trachtet, und in widersetzliches, oft gefährliches Gebaren ummünzt, sollten sich Zucht und Reiterei nicht nur vom Leibe halten, sondern konsequent sich ihrer entledigen. Es müssen dies nicht ausdrücklich Verbrecher sein. Es geht auch um die Lauwarmen, die letzten Endes immer wieder menschliche Verzweiflung heraufbeschwören. Der gute Charakter ist zweifellos eine zuverlässige Tugend. Man darf nur nicht außer Acht lassen, dass gerade der starke, gute Charakter sich nicht alles gefallen lässt. So kann man es hoch anständigen Pferden nicht übel nehmen, wenn sie sich gegen Angriffe verteidigen, die menschlicherseits im Umgang oder in der Reitweise denkbar sind. Wenn vernünftige Pferde in großen Stallungen bei Auktionen oder Ausstellungen immer wieder durch starken Verkehr an ihren Boxen entlang beunruhigt, während der Ruhe zum Aufstehen animiert oder durch Fingerspiele in den Gittern zur Kontaktaufnahme aufgefordert werden, dann kann man es ihnen nicht übel nehmen, wenn sie darauf schließlich ärgerlich reagieren. Den aufdringlichen Passanten die Kruppe zudrehen oder mit angelegten Ohren an die Gitter heranschießen, womöglich offenen Maulis. Diese Reaktion ist hier eigentlich sogar das Zeichen eines guten Charakters, der Versuch, einem unerträglichen Zustand durch abwehrende Gebärden zu begegnen. das spätere Militarepferd Viotti von Valentino, charakterlich ein famoser Fuchs, war derart auf Hausrecht in seiner Box bedacht, dass er deren hektisches Betreten nach armfuchtelndem Motto »Los, geh rum« als Angriff auf seine Persönlichkeit und sein Castle ansah. Er vertrieb dann mit Angriffsgebärden den gefühllosen Eindringling und verfolgte ihn sogar noch auf der Stallgasse. Sobald man sich ihm höflich näherte, war er freundlich und zeigte sich wohlerzogen. Er schien dann ein Willkommen auszusprechen. Im Übrigen muss man davon ausgehen, dass auch Pferde sich ärgern können, sogar über sich selbst. Dass sie dann ihren Unmut auslassen, ist nur natürlich, und so muss ein guter Pferdekarakter, wie jeder andere davon ausgehen können, dass Homo sapiens hierfür Verständnis hat und in der Lage ist, gelegentlich Spannungsfelder abzubauen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das Temperament Hier ist es ähnlich wie beim Charakter. Das Temperament ist zwar naturgegeben, äußert sich aber unter mannigfacher Belastung oder unter bestimmter Beeinflussung unterschiedlich. Es ist also auch beeinflussbar, leichter noch als der Charakter. Solchen Schwankungen kann eine angeborene, abstammungsmäßig gesicherte Ausgeglichenheit des Temperaments am besten begegnen. Jener leistungsbonitierte Phlegmaticus kommt einer temperamentlichen Idealvorstellung am nächsten, der nach dem Motto »mehr sein als scheinen« nur dann voll aus sich herausgeht und alles gibt, wenn er dazu aufgefordert wird. Dieser Typ gibt sich nicht unnötig aus, ist aber hellwach, wenn es gilt, und arbeitet dann in angenehmer Gelassenheit gleichsam automatisch, ohne sich mehr zu verbrauchen, als es die Zielsetzung erforderlich macht. Der Gegentyp findet sich im Kikeriki, der stets in Pose, in unrationeller Aufwendigkeit seinem Strohfeuertemperament freien Lauf lässt und sich oft schon dann verausgabt hat, wenn es erst eigentlich losgehen soll. Auch jener Phlegmaticus. der von Grund auf faul ist und dem jede Leistung in kräftevergehendem Einsatz des Reiters abgerungen werden muss, ist ein negatives Pendant. Eine mindestens so unangenehme Erscheinung ist der sogenannte heiße Ofen. der in rastlosem Vorwärtsdrang, mit unverwüstlichem Nerv und in unliebsamer Nervigkeit gegen die Hand geht und sich nimmer beruhigt, sondern immer mehr zum Feuerofen wird, je länger man sich mit ihm bemüht. Dieser Typ stürmt oder verkriecht sich in Unrast, achtet auf jedes Geräusch, springt vom Trab zum Galopp an, im Galopp dauernd um und im Schritt wippt er dahin, wenn er nicht sogar zu zackeln beliebt. Wenn er dann stillstehen soll, quengelt er herum oder macht vor lauter innerer Unruhe Männchen und Lansaden.
[SPEAKER 1]Schließlich
[SPEAKER 2]versucht ein verzweifelter Mensch dort oben, den Schweißgebadeten trocken zu reiben, und jeder neue Tag bringt neue Hoffnungslosigkeit. Zugegeben, solche Temperamentsschwierigkeiten können durch reiterliche Unvernunft provoziert worden sein. Vom ausgesprochenen Temperamentsvitalität zeugen sie nicht. Wildes Juchsen oder erbarmungslose Kniebelei tragen allerdings entscheidend dazu bei, solche Schwierigkeiten aufkommen zu lassen und zu vertiefen. Setzt man aber ein nur durchschnittlich vernünftiges Reiten voraus, so muss ein angeboren gutes Temperament stabil genug bleiben, um nicht die vorgenannte Kopflosigkeit und Unregulierbarkeit aufkommen zu lassen. Wie beim Charakter, so ist auch die Frage des Temperaments neben aller Angeborenheit auch eine Sache von Erziehung und angemessener Belastungsrationierung. Reiter, die dazu neigen, ihr Pferd in übertriebener Anlehnung und gleichzeitig stark forciertem Treiben unter Starkstrom zu setzen, die brauchen sich nicht zu wundern, wenn dies den Sicherungen des Temperaments arg zu schaffen macht. In Begegnung reiterlichen Wohlbefindens, aber auch reiterliche Unzulänglichkeiten muss es bei alledem Aufgabe der Zucht sein, temperamentliche Qualitäten mindestens so hoch zu bewerten wie äußere formalistische Vollkommenheit in sogenannter Korrektheit.
[SPEAKER 1]Nerven.
[SPEAKER 2]Sie können das Temperament beeinflussen. Eingeschränkt auch den Charakter. Und doch sind sie auch isoliert ein wesentlicher Wertbestimmungsfaktor in sich. Temperamentsschwierigkeiten können sich auch bei Nervenstärke einstellen. Auf der einen Seite kann es sich um einen grundsätzlichen, schwer regulierbaren Vorwärtsdrang handeln. Auf der Nervenseite um Störungen des inneren, nur bis zu einem gewissen Punkt konstanten Gleichgewichts. So erkennt man den eigentlichen Grad der Qualität des Nervenkostüms meist erst bei zunehmender Belastung durch harte Leistungsansprüche oder bei einer gewissen Pausenlosigkeit des Einsatzes. Es kann Jahre dauern, bis man dahinter kommt, dass nach vorsichtiger Aufbauarbeit schließlich die Nerven nicht halten, sobald es ganz ernst wird. Deshalb fordert die Reiterei zurecht dicke Nerven mit absoluter Klarheit im Kopf. So ist es beispielsweise nicht das Temperament, wenn ein Pferd sich in der Prüfung plötzlich völlig verspannt und mit deutlichem Herzklopfen gegen den Schenkel, nachdem es beim Abreiten noch absolut losgelassen gegangen war, sondern es ist dies reine Nervensache. Man wirft also auch hier unwillkürlich einen Blick auf die Zucht. Wohin sollte man ihn auch sonst wohl lenken?
[SPEAKER 1]Herz.
[SPEAKER 2]Hier ist nicht das lebenerhaltende und kräftebewirkende Organ gemeint, sondern das Herz des Mutes, der Unerschütterlichkeit und des Kämpfens. Auch hier wartet die Natur mit großen Unterschiedlichkeiten auf. Das von Haus aus furchtsame Pferd lässt sich bis zu einem gewissen Grad erziehen, wenn man ihm Misstrauen und Übervorsichtigkeit durch Vertrauensstärkung nehmen kann. Angeborene Feigheit wird nicht zu ändern sein. Guckrigkeit kann vorübergehende Albernheit sein, auch der neugierige Versuch eines jungen Pferdes, festzustellen, wie weit der Reiter sich solchen Jucks gefallen lässt. Der notorische Gucker allerdings, möglicherweise gehorsam auf Zeit in der Furcht des Herrn, wird immer konzentrierter Aufmerksamkeit seines Reiters bedürfen, weil dann eine angeborene Schwäche vorliegt, die kaum ganz zuverlässig zu beseitigen ist. Ein Pferd mit Herz guckt nicht, sondern geht unbekümmert und selbstbewusst seinen Strich. Auch packt er alles an, im Gelände und im Parcours. Bei ihm fühlt man sich bestens aufgehoben, auch wenn er möglicherweise vorn etwas verstellt oder in einer hinteren Einschienung etwas matt sein sollte.
[SPEAKER 1]Bereitschaft
[SPEAKER 2]Hierzu gehört neben Ehrlichkeit und Herz noch etwas mehr, und zwar etwas sehr Wesentliches. Die Bereitschaft, sich hilfenmäßig anfassen zu lassen. Es geht da um die körperliche Berührbarkeit, die gefühlsmäßig bedingt ist und daher zu den inneren Werten gehört. Es gibt Pferde, die das Anlegen des Reiterschenkels als unangenehm empfinden und missmutig quittieren. Am liebsten laufen sie aus dem Sattel heraus. Auch Schweifschlagen ist bei ihnen keine Seltenheit. So muss der Reiter also lavieren. Zu einem richtigen Treiben kommt er nicht. Dieses Fabankspiel lässt sich nur sehr schwer ausschließen, wenn gleiches Pferde gibt, die sich allmählich an den Schenkel gewöhnen lassen. Im Grunde handelt es sich um eine Sensibilität des Wesens. Rühr mich nicht an! Klemmende Schenkel und prickende Sporen vermehren natürlich das Übel. Aber eine Veranlagung zu übertriebener Empfindlichkeit kann gleichzeitig Ursache sein, dass Losgelassenheit sich nicht vom Fleck weg einstellt, sondern erst nach immer wieder neuer Gewöhnung an bestimmte Berührungseffekte, hier auch Sattel und Gurt, erzielt werden kann. Solche inneren Abwehrmotivationen erschweren das Reiten mangels unkomplizierter Bereitschaft. Auch das Kleben beruht auf einem Defekt der inneren Einstellung und kann nicht allein mit dem sogenannten Herdentrieb entschuldigt werden. Die meisten Pferde leiden ja nicht darunter, und so ist es erwiesen, dass es sich hier in erster Linie um einen Bereitschaftsmangel handelt, der zwar reiterlich vertieft worden sein kann, im eigentlichen aber doch auf einer angeborenen inneren Verklemmtheit basiert. Intellekt wenn auch dem Pferd Intelligenz im eigentlichen Sinne abgesprochen wird. So ist doch nicht zu bestreiten, dass es ausgesprochen clevere und wesenspatente Individuen gibt und andererseits auch sehr dämliche. Begriffsstutzigkeit, auch Guckrigkeit fällt an dieser Stelle noch einmal ins Gewicht und Reaktionsschwäche überhaupt allgemeine Stupidität, mindern die Reitqualität erheblich und können die Qualität des Materials ganz erheblich infrage stellen. Zu den positiven Merkmalen eines Intellekts beim Pferd zählen Aufgewecktheit, Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit und Gelehrigkeit, um nur einmal die Gegensätze in negativer und positiver Veranlagung herauszustellen. Sozusagen intelligente oder patente Pferde ecken so leicht nirgends an. erkennen von sich aus rechtzeitig auftretende Gefahren oder Kriterien und richten sich in weiser Voraussicht darauf ein, ohne dass es eines ausdrücklichen »Attention, please« bedarf. Sie erfassen augenblicklich, was der Reiter von Ihnen will, und kommen einer feinen Abstimmung der Hilfen gefühlvoll entgegen. Auch treten Sie einen höchst selten auf die Füße, Beim Führen arrangieren Sie sich gefällig und selbst bei übermütigen Boxsprüngen oder Kapriolen reißen Sie weder zurück noch versuchen Sie seitlich abzuschrammen. In schwierigen Situationen wächst Ihnen ein fünftes Bein. Über Hindernisse, deren Ausdehnung Sie falsch taxieren, retten Sie sich und Ihren Reiter durch einen Rückenschnick. um eine zusätzliche Höhe oder Weite zu gewinnen. Man mag solche Pferde patent, clever oder geistreich nennen. Alle diese Begriffe treffen zu und sie kommen letztlich aus einem Intelligenzbereich, von dem eben andere Pferde so wenig profitieren, dass sie vergleichsweise der Ablehnung verfallen und damit der Pferdezucht die Aufgabe stellen, ihre so einseitig gesehene Materialvorstellung zu überdenken. und auf umfassende Reitqualität auszudehnen, in der Notwendigkeit, alle wichtigen Faktoren selektierend zu beachten. Die geistigen Eigenschaften sind hiermit herausgestellt und kommentiert. Daher bleibt eine Feststellung abschließend zu treffen. Der Begriff der Seele. Dies hat mit einer stets unangebrachten Vermenschlichung nichts zu tun. Jedes Pferd hat in der Tat eine Seele, wie auch jeder Hund. Dies zu vergessen oder nicht zu berücksichtigen wäre eine folgenschwere Unterlassung. In der Herde oder auch in kleiner Gesellschaft auf der Weide sind sich Pferde untereinander gut genug. Und doch warten sie darauf, besucht, in den Stall geholt zu werden oder zufuttert zu bekommen. Sie lieben den menschlichen Kontakt, der den notwendigen Connex erhält, denn sie leben ja nicht wild. Da sie domestiziert sind, brauchen sie das Vertrauen, das Wohlwollen, die Fürsorge des Menschen, den sie von Geburt auf kennengelernt haben, wovon sie abhängig geworden sind. Dies ist nicht so eng zu sehen wie ein Verhältnis zwischen dem Menschen und seinem Hund. Aber all die geistigen Eigenschaften, die zuvor in diesem Kapitel herausgestellt wurden, können schnell verkümmern, wenn anstelle einer Freundschaft ein schroffes, kaltes Dienstverhältnis das Seelische verkümmern lässt. Denn mit einer seelischen Verhärtung ist eine gewisse Traurigkeit, ja, Trostlosigkeit verbunden, eine Interessenlosigkeit, die sich auf alle geistigen Reaktionen auswirkt und deren Funktionen im besten Fall noch auf die Stufe eines Dienstes nach Vorschrift stellt. Ja, man sieht seelenlose Pferde, vom Menschen gefühlsarm degradiert, zum Knecht oder zum Sportgerät, ausdruckshohl, ohne Lebensfreude, ohne Initiative, hässlich geworden, Muskel verkümmert, Kümmerlinge schlechthin, alles Geistige, Alles Körperliche ist abhängig von einer gesunden, zuversichtlich sich geborgen fühlenden Seele. So auch beim Pferd. Nun, Extreme sind meist immer recht fraglich, so auch hier. Fettgefütterte Lieblinge mit Zückerchen hinten und vorn und ständigen bedingungslosen Verzeihen in übermüßiger Verwöhnung werden faul und frech. und ihr Wohlbefinden erstickt in stumpfer, gelangweilter Trägheit. Auch dies kann nicht der Sinn sein, sich ein so edles, interessantes und vielseitiges Geschöpf wie das Pferd zu dessen und zu eigener Lebensfreude zu erhalten. Kontakte Wohlgemut sein bedeutet inneres Gleichgewicht und schafft beste Voraussetzungen für Umgang, Einsatz und Hochleistung. Schon aus diesem Grunde ist es so abwegig, vom Pferd als einem Sportgerät zu sprechen. Wer das so sieht, ist weit davon entfernt, ein Pferd vertrauensvoll ausgeglichen und von gesundem Ehrgeiz beseelt auf seiner Seite zu haben. Ein schönes Beispiel für diese These bietet der Welt bislang erfolgreichste ungarische Wunderstute Kingsham. 54 Starts, 54 Siege. Nach ihrem Sieg im Goodwood Cup in England wurde Kingsham nach Deauville an die normannische Küste gebracht. Nach dem Ausladen vom Schiff weigerte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben in den Wagen hineinzugehen. Ihre Lieblingskatze war verschwunden, wahrscheinlich, weil sie nach Ratten auf dem Schiff jagte. Zwei Stunden stand Kingsham auf dem Kai vor dem Wagen und wierte nach ihrer Katze. Als diese schließlich ihre Stimme hörte, raste sie herbei und sprang auf ihren Rücken. Daraufhin ging die Stute ruhig in den Waggon und legte sich nieder. Sie war eine sehr gutherzige Kreatur. Als sie in einer kalten Nacht feststellte, dass Frankie keine Decke hatte, zog sie ihre eigene herunter und legte sie auf ihren schlafenden Pfleger. Nach jedem Sieg war Kingsum ungeheuer stolz. Ihr Besitzer schenkte ihr nach jedem Sieg einen Blumenstrauß. Die Stute bestand jedes Mal darauf, dass die Blumen an ihrer Trense festgemacht wurden. Einmal hatte sich Herr von Blaskowicz verspätet und Kingsham wollte nicht zulassen, dass ihr Jockey sie absattelte. bis ihr Blaskowicz ganz außer Atem von der Eile den Blumenstrauß gegeben hatte. Die Stute wusste genau Bescheid, worum es im Rennsport ging. Sie wusste auch, dass sie die Königin der Königinnen war. Am Start begann sie zu grasen und sich Gänseblümchen zu suchen, die sie besonders liebte. Dies ein Zitat aus De Beaulieu, Vollblut, 1960. Manch einer mag denken, solche Starrallüren seien kein Beweis für Wohlbefinden. Und doch. Jedes Pferd ist mehr oder weniger abhängig von Gewohnheiten, Freundschaften und Anerkennungsbezeugungen. Wer dies nicht ernst nimmt, wird selbst auch nicht ernst genommen oder liebenswürdig behandelt. Dies aber ist wahrhaftig bedeutsam auch zwischen Mensch und Pferd. Es beruhigt beidseitig die Nerven, es schafft Kontakte und erhöht die Bereitschaft des Pferdes mitzumachen. Ohne dieses Mitmachen aber ist der Reiter verloren, zumindest gehandicapt. Man denke da nur an Halla, die im Olympiastadion von Stockholm praktisch den Part ihres verletzten, schmerzgeplagten Reiters Hans-Günther Winkler mit übernahm, undenkbar, wenn da nicht Wohlbefinden, Zuneigung und Kontaktstärke im Spiel gewesen wären. So gehören auch diese Ausführungen zum Titel unseres Buches. Sie zeigen eine der Voraussetzungen auf, richtig werten zu können. Nicht umsonst sieht man leider auch Pferde, bei denen in seelenlosem Ausdruck geistig und auch körperlich verhärmt zwar noch ihre eigentlichen Werte durchstimmen, nicht aber mehr ihr eigentliches Ich repräsentieren können, weil man sie lediglich als einen Körper behandelt hatte, der Futter frisst und hinterher die Einstreu verunsäubert. Pferd und Mensch, es basiert alles auf Gegenseitigkeiten. Auch hierauf soll eingegangen werden, denn bei aller grundsätzlich wohlwollenden Einstellung des Menschen zum Pferd, kommt es doch erst dann zu einem bleibenden, bündigen Verhältnis, wenn auch das Individuelle seinem zweibeinigen Partner interessant genug ist. Es ist sicher, dass ein Besitzer beispielsweise wirtschaftlich in Schwierigkeiten bedenkenloser eine Pferdehaltung aufgibt, wenn er sich individuell nicht gebunden fühlt. Er verkauft also ein ihm weniger interessant erscheinendes Pferd, leichter und schneller, als einen echten Partner, der ihm täglich neue Lebensfreude bringt. So ist also auch, das Wohlbefinden des Menschen hier zu untersuchen und in eine Gesamtbewertung der geistigen Eigenschaften des Pferdes einzubeziehen. Niemand wird bezweifeln, dass es auf die Dauer nicht reizvoll bleibt, täglich ein Pferd unter sich zu haben, das poesielos bis zur Monotonität seine Arbeit leistet. Da haben wir nämlich die Kehrseite der Medaille, von charakterlicher Anständigkeit und temperamentsmäßiger Ausgewogenheit. Ohne Temperament, ohne gelegentlichen Übermut und ohne Wachheit der Sinne wären die Tugenden einer Wohlanständigkeit Fahdebegriffe. Der besitzende oder reitende Mensch würde sich nicht wohlfühlen. Er will zwar ein im Kopf klares, aber nicht ein stupides Pferd. Es sind eigentlich drei geheime Wünsche in jedem Reiter, die den Grad der Zuneigung und das Maß der Erwartung jeden neuen Tag bestimmen. Grundsätzliche Anständigkeit, Poesie und gelegentliche oberflächliche Widerstände, die ein reiterliches Engagement zum Erfolg werden lassen. Da war einmal der Schimmel Peschkö. Geboren 1955 von Pigasse und Amathie von Amateur. Als er in Pferden zur Auktion kam, faszinierte er allgemein. Nicht allein wegen seines visionären Springens, sondern auch besonders wegen seiner ästhetischen Manieren, in Schönheit und Eleganz, seines lebhaften und klugen Verhaltens in allen Lebenslagen, und seiner Ausstrahlung, der sich niemand entziehen konnte. Dieser Schimmel war unwahrscheinlich interessant und begehrenswert, und so hatten sich viele in ihn verliebt. Er brachte denen, die ihn nicht bekamen, langwährenden Liebeskummer und seinen glücklichen Käufern viele Jahre unbeschreiblicher Freude, als der Zuschlag bei 10.000 D-Mark und das war damals ein Spitzenpreis viel, musste Helga Köhler den Peschkeu einem Brauch gemäß zu dem Käufer glückwünschend an die Bande reiten. Dieser, Baron Werner von Spörken, war aber nur der Bieter für die Reiterin, die den Schimmel sogleich wieder wendete und mit ihm eilends die Halle verließ. Sie wollte ihre Freudentränen verbergen. Dies Beispiel zeigt, dass Emotionelles mitschwingt, wenn echte Zuneigung entsteht und von Dauer bleiben soll. Das sollte die Pferdezucht nie außer Acht lassen, die einzelnen Züchter nicht und die Oberen schon gar nicht, wenn sie das Exterieur gewichtig bewerten. Peschke, der ja bald schon ein international gefeiertes Springpferd wurde, hatten Experten als viel zu leicht im Fundament befunden. die der wohl irgendwelche Leistung aushalten will. Also, das Wohlbefinden des Reiters ist eine entscheidende Komponente in der Pferdebeurteilung. Sein Urteil ist letztlich ausschlaggebender, als manche vermeintliche Fehlerlosigkeit, die Experten an einem Pferd konstatieren, wenn sie es zum Gebäude degradieren. Umgekehrt könnte mancher Reiter ein liebenswerteres und besseres Pferd besitzen, wenn er sich von einer Fehlerpunktierung, wie ihm diese leider vorgemalt wird, weitgehend distanzieren würde. Kapitel 2 Konstitution Kerngesundheit Energie Der Begriff Konstitution umfasst so erstrangig wesentliche Faktoren wie Gesundheit, Vitalität und Ausdauer. Damit verbunden ist die Funktion der inneren Organe, den Magen nicht zu vergessen. Ausschlaggebend gehören dazu die Widerstandshärte der Sehnen und Bänder. wie auch die Muskelbildung in ihrer Unterstützung der großen Gelenke und Hebel zur Kräfteentfaltung in tragender oder schubwirkender Arbeitsleistung. Innere Organe Herz und Lunge sind, wie alle inneren Werte, unsichtbar für unser Auge. Aber wir empfinden ihre lebenserhaltenden Funktionen erkennen ihr Potential bei der Entwicklung von Leistung und haben also darauf zu achten, dass diese edelsten Organe korrekt sind und robust leistungsfähig in ihrer Eigenkonstruktion, in ihren räumlichen Ausdehnungsmöglichkeiten, in ihrer automatischen Funktion. Man weiß, dass diese Organe viel Platz haben müssen. Doch liegt die benötigte Räumlichkeit weniger im Brustbreite und Bodentiefe als vielmehr in der Gurtentiefe und in jenem Raum, der durch ein vorgeschobenes Brustbein zusätzlich entsteht. Mit Kurzbeinigkeit oder Löwenbrust hat also eine großzügige Unterbringung von Herz und Lunge nichts zu tun. Die Beurteilung von Herz- und Lungenverfassung ist nicht allein eine klinische Aufgabe, sie obliegt zunächst mal ganz allgemein der Feststellung und Erhaltung der Gebrauchswerte durch Besitzer, Trainer und Reiter. Hier gibt es nicht nur Möglichkeiten, sondern auch Verpflichtungen. Die Beobachtung der Atmung im Gebrauch gibt untrügliche Aufschlüsse, nicht zuletzt in der Wahrnehmung ihrer zeitbegrenzten Normalregeneration. Dass dies im Maßstab des Trainingszustandes und des Beanspruchungsgrads gesehen werden muss, liegt auf der Hand. Hierbei ist allerdings auch das Kriterium des Maßhaltenkönnens ausschlaggebend. üble Juxa, die ihr Pferd rigoros zur Erschöpfung treiben oder die organische Anstrengungen weder vorwärmen noch genügend ausklingen lassen, werden schließlich nichts anderes feststellen, als dass sie durch Trainingsunkenntnis und trostlosen Unverstand diese Organe geschädigt, vielleicht für immer, in Mitleidenschaft gezogen haben. Robustheit Hier ist zunächst nicht so sehr eine körperliche, sondern vor allem die eigenschaftliche Robustheit gemeint. Sie kann dem hochedlen, leichten Pferd ebenso eigen sein, wie dem starken, kompakten Brummer oder umgekehrt auch Fehlen. Es geht hier um die Eigenschaft, einen Puff vertragen zu können, ohne zu resignieren oder auch nur zu mucken. Ausschlaggebend ist der Grad der Unempfindlichkeit, die Schmerz oder Verletzung ignoriert, härteres Anfassen nicht übel nimmt und erhebliche Leistungskräfte auch dann mobil bleiben lässt, wenn vorübergehend mal Futterqualität, Wasserversorgung oder Pflege nicht dem üblichen entsprechen. Auch die Heilhaut spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, vor allem aber die Regenerierungsmöglichkeit nach einer Leistung. All dies ist abhängig von den inneren Werten, ist vornehmlich geistig und organisch bedingt. Kondition Diese antrainierte Verfassung des Pferdes für bestimmte Anforderungen entsprechend vorbereitet zu sein, basiert auf der Ausgewogenheit von Fütterung und körperlicher Arbeit. Diese Dosierung ist Gefühls- und Erfahrungssache, und hier also ist das Pferd im hohen Grade vom Menschen abhängig. Es bringt die konstitutionellen Voraussetzungen mit. Und diese gesund zu erhalten und sie vernünftig zu nutzen, ist die Sache des Horsmann. Auch hier wäre es ein Irrtum, den Grad der Kondition lediglich aus der äußeren körperlichen Verfassung des Pferdes ablesen zu wollen. Das organische Blutbild muss stimmen. Die Einsatzfreude soll sich festigen. Die Nerven sollen sich balsamieren lassen. Die Luftwege müssen frei sein für forcierte Durchatmung. Trockene, in ihren Sehnen und Bändern vital streckende und beugende Extremitäten sollen den Körper bewegen, in voller, lockerer Muskulatur die Gelenktätigkeit komprimierend. Belastbarkeit Sich hierüber ein Bild zu verschaffen, gibt es mannigfache Gründe. Sie beziehen sich auf Leistungen an sich, auf die Häufigkeit ihrer Wiederholbarkeit, auf Reisen und Stallwechsel, überhaupt äußere Einflüsse verschiedener Art, zu denen auch leichtere Verletzungen gehören. Man wird hierbei Unterschiedlichkeiten feststellen, die teilweise erheblich, wenn nicht sogar gravierend sind. Abgesehen von bestimmten Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit, Alter, Kondition, Abhärtung, Gewöhnung, sind Pferde schon von ihrer Mentalität her nicht alle über einen Kamm zu scheren. Was den Horsmann hierbei zunächst interessiert, ist der Härtegrad für die Leistung und die Regenerierfähigkeit für deren Fortsetzung geistig, nervlich und konstitutionell. Des Weiteren interessiert, dass sich Abfinden mit äußeren Umständen wie Transporten, fremden Stallungen und ungewohnter, womöglich unruhiger Umgebung am Reiseziel, wobei auch Fremdfutter eine Rolle spielen kann. Hier scheiden sich die Pferdegeister. Und der Horseman steht dann am besten da, wenn er feststellen kann, dass er nicht nur richtig trainiert hat, sondern auch ein hartes, immer erneut leistungsfähiges Pferd besitzt, dessen Einsatz und Widerstandskraft durch keinerlei Umstände gemindert wird. Auch nicht durch kleine Verletzungen oder Prellungen. So ist einen jeder Beziehung hart im Nehmen eine optimale Voraussetzung in der Frage der Belastbarkeit. Wie immer, wenn sich ein Individuum in außerordentlicher Bereitschaft ohne weiteres mit allem abfindet und jede ihm gestellte Aufgabe löst, in zuverlässiger Ausdauer wächst die Verantwortung des beauftragenden Parts im Maßhalten. Nur allzu leicht wird übersehen, dass Bereitschaft und Belastbarkeit kein unerschöpfliches Reservoir sind und mehr Schonung verdienen, als dass sie Raubbau vertragen. Armalva von Amring I., Montsalvat, war 27 Jahre alt, als sie ihr irdisches Dasein aufgab. Ihr Herz, ihre Felddecke und ihr Skelett sind dem Deutschen Pferdemuseum übereignet worden. Sie trat ab als eine Legende ungewöhnlicher Treue, überragender Springerfolge und optimaler Belastbarkeit. Das Geheimnis ihres für heutige Begriffe unvorstellbar langen, bis ins hohe Alter erfolgreichen Lebens lag allerdings in bewusster Entscheidung. Ihre Einsätze und ihre Startmöglichkeiten unterschieden sich dadurch, dass die Stute nur gezielt gesattelt wurde. Sie lief nicht jedes M- oder S-Springen, wenn eine große Entscheidung bevorstand. Und sie eilte nicht von Turnier zu Turnier, ohne Pause. Micky Brinkmann sagte mal, wenn man nicht überzeugt ist, starten zu sollen, bleibt im Zweifelsfall ein Verzicht das Richtige. Trainingsvoraussetzungen Mag man es nun Training, Ausbildung oder Spazierreiten nennen, Konstitution, Kondition und damit das Leistungsvermögen sind immer abhängig davon, wie ein Pferd gehalten und körperlich fit gemacht wird und bleibt. Da die Ansichten hierzu und das Erfahrungsvermögen unterschiedlich sind, sollen hier am Rande des Buchtitels einige Überlegungen angestellt werden. So man die Stallungen einer näheren Untersuchung unterzieht, ist besonders in Neubauten die Frischluftqualität häufig miserabel. Dies Manko schwerwiegender Unzuträglichkeit kann der vorangestellten Feststellung schon mal keine konstitutionsfördernde Antwort geben, Hier ist schon mit ersten Einbußen an Lebensfrische zu rechnen. Besonders aber mit einer Einbuße an der Funktionsfähigkeit der Luftwege, ihrer ursprünglichen Gesundheit überhaupt. Ertrag es oder ändere es. Ersteres ist kaum zu verantworten. Das Ändern nicht ganz leicht. Abgesehen von technischen Möglichkeiten gibt es aber einen Weg, die Misere zu lindern. Man kümmert sich ja auch um seinen Hund, lässt ihn raus, geht mit ihm spazieren oder verschafft ihm Auslauf. Warum tut man das alles so begrenzt mit seinem Pferd? Die eine oder eine halbe Stunde der reiterlichen Nutzung reicht nicht aus für sein Wohlbefinden. Wenn man also unter normalen Voraussetzungen die Konstitution beurteilen will und eine gute Kondition und ein gutes Leistungsvermögen erreichen möchte, um danach ein Pferd zu bewerten, dann kann man einfach nicht umhin, vernünftige Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Alles andere ist dann eine Frage reiterlicher Einflussnahme, Herz, Lunge und Luftwege in Fitness zu bewahren, die Sehnen, Bänder und Muskeln widerstandsfähig zu halten, den Geist und die Seele des Pferdes in Frische und Wohlbefinden zu temperieren, durch vernünftige, möglichst regelmäßige Arbeit unter genauer Beobachtung ihrer Auswirkung, Gerade dieses Beobachten ist bedeutsam, denn nur dadurch kann die Art des Trainierens kontrolliert notwendigerweise geändert werden. In manchen Fällen auch die Art oder das Maß der Fütterung, die natürlich ausschlaggebend ist, das zu erreichen, wofür man reitet, weswegen man urteilsfähig bleiben möchte, ein Pferd so zu halten, wie man sich dies vorstellt. Diese Hinweise mögen genügen, denn dieses Buch ist weder eine Reit- noch eine Fütterungslehre. Infolgedessen kann hier nur dazu angeregt werden, nachzudenken und zu ändern, was tunlich umgestellt werden sollte. Je mehr Pferdekenner sich also entwickeln, umso besser für sie selbst und für andere, die Wachensinnes sind und bleiben, schlecht für Fehlergucker, die aber ja überdies mehr Drohne sind als Königin im Pferdestaat. Medizinisches Die Menschheit ist bemüht, aber sie nimmt auch hin. Gedankenlos vieles, aus Unsicherheit manches. So halten auch Nutzen und Schaden mit Mühe die Waage. Das Pferd ist mittlerweile offenbar ein höchst anfälliges Lebewesen. Dieses edle, die Menschheit erfreuende Stück Natur entfernt sich gesundheitlich von der Mutternatur und gerät zunehmend in die offenen Arme der Veterinärmedizin. Diese Fakultät soll hier keineswegs in Misskredit gebracht werden. Sie ist eine verdienstvolle, sich bemühende, vorbeugende, heilende oder nicht heilende Bestandseinheit, die studiert und praktiziert, um der Gesundheit des Pferdes zu dienen. Ohne sie würde es noch weniger gut aussehen. Die Veterinärmedizinische Wissenschaft hat an gewissen Fortschritten teilgenommen, die Tierheilkunde weniger. Sie hat dafür, vielfach nutzbringend, engere Tuchfühlung zur Natur gehalten. Beide vereint und einander mehr zugenähert, könnte vielleicht erreichen, was immer noch fehlt, überzeugende Erfolge. Es geht hier nun allerdings nicht so sehr um rein Medizinisches, sondern mehr um Pferdekenntnisse, soweit diese in medizinischer Hinsicht hilfsweise und ohne die Gefahr einer Fahrlässigkeit zum Wohl des Pferdes eingesetzt werden können und sollten. Ein versierter Horsmann wacht vorausschauend und in unermüdlicher Fürsorge über den Gesundheitszustand seiner Pferde. Kapitel 3 CONFORMATION Konformität ergibt sich aus der Summe des Zusammenwirkens geistiger Faktoren und körperlicher Funktionen. Dieser englische Begriff CONFORMATION für die deutsche Materialbewertung zielt auf CONFORM. Und dies bedeutet ein aufeinander abgestimmt sein. Es müssen also die einzelnen Partien und Teile zueinander passen, sich gegenseitig ergänzen und potenzieren, sobald sich in Bewegung setzt, was imstande, lediglich eine Modellbetrachtung zulässt und nicht mehr als Mutmaßungen erlaubt. So kann also eine Bewertung nicht davon ausgehen, in vielfach noch üblicher einleitender Exterieurnotengebung bereits abzustempeln, was sich in seinen eigentlichen Nutzeffekten erst in der Bewegung offenbart und letztlich unter dem Reiter dann eine treffsichere Begutachtung ermöglicht. Der Materialbegriff Er ist eingebürgert und man weiß, was darunter zu verstehen ist. Wenn man ihn antastet, wehrt sich die Macht der Gewohnheit. Aber es wehrt sich auch die Kraft der Überzeugung gegen die Anmaßung, das Material eines Pferdes bewerten zu wollen, wo doch dieser Begriff Kenntnisse voraussetzt, die schon wissenschaftlich fundiert sein müssen. Material wird durch Stoffe und Legierungen bestimmt, seine Wertigkeit auch durch statische und konstrukturelle Merkmale zum Ausdruck gebracht. Wie kann man also ohne weiteres behaupten, dies Vorderbein sei in der Röhre zu leicht oder jenes Sprunggelenk zu klein oder zu schmal eingeschient, jener Rücken zu matt und zu wenig tragfähig? Dieser Art Behauptungen sind dominierend vertreten. Sie sind in Wirklichkeit nicht zu begründen und haben daher in dieser Weise keinen Aussagewert. Seit Generationen werden sie als Erfahrungen weitergegeben und gedankenlos übernommen, im Brustton der Überzeugung vertreten und an Wesentlichkeiten vorbei auch praktiziert. Man hat dabei eine Bilderbuchdarstellung vor Augen. Alles, was davon abweicht, wird als Materialfehler deklariert, wobei dann der Gesamtwert die Konformation in lauter einzelne Teile zerfällt, die niemand mehr in der Lage oder Willens ist, zu einem Ganzen zusammenzufügen. Der Materialbegriff, wie wir ihn anwenden, ist ein einziger großer Irrtum. Er führt unweigerlich zu einem starren Formalismus nach der simplen vorgefassten Methode von falsch und richtig, huldigt einseitigen Korrektheitsbegriffen und verhindert individuell Bedeutendes, dass es ohne mehrere kleine Mängel, aber auch ohne eine einzige größere Abweichung von der Norm nicht gibt, zugunsten korrekter und langweiliger Mittelmäßigkeit. Ganz unbewusst ist es wohl menschliche Eitelkeit, nicht zuletzt in der Pferdezucht, die sich darin gefällt, das Bild eines Pferdes nach genormten Begriffen bis in die Winkellagen hinein zu bestimmen. Abweichungen vom Korrekten zu vermeiden und jegliche Wertung überprüfbar zu machen, wobei ausgeklügelte Notensysteme dafür sorgen, dass das Pferd in einzelne Teile zerlegt wird, bevor es als Bewegungs- und Reittier überhaupt in Erscheinung getreten ist. Es soll hier nicht behauptet werden, dass auf diese Weise grundsätzlich Fehlurteile entstehen. Doch kann die Art dieses Prinzips nicht verhindern, dass eine Ausgewogenheit des Urteils immer wieder dadurch in Frage gestellt wird, dass allzu leicht vermeintliche Fehler mit wirklichen Mängeln verwechselt werden? Und vor allem eine ausreichend gerechte Gewichtung der Vorzüge und Nachteile auf diese Art Waage ganz einfach nicht zustande kommt. So sollte man diesen ganzen Bewertungskomplex von dem so missverständlichen Materialbegriff fort in die einzig wesentliche Richtung bringen, die zur Beurteilung der Reitqualität führt und somit einzig da den Schwerpunkt setzt, wo er wirklich hingehört. Wenn dieses ja nun einmal ausschlaggebende Kriterium geklärt ist, kann abschließend untersucht werden, ob grafierende Mängel bestehen, die die als solche erkannte Reitqualität ausgleichslos oder unmittelbar mindern oder infrage stellen, um solche dann auf die Waagschale zu bringen, wo nötig hart und kompromisslos.
[SPEAKER 1]So herum
[SPEAKER 2]Und nur so kommen wir weg von der Fehlerguckerei, werden wir den Wesentlichkeiten gerecht und können gleichzeitig die Zahl der schlicht normalen vermindern zugunsten interessanterer, begehrenswerterer, reitbequemerer und leistungsfähigerer Pferde.
[SPEAKER 1]Korrektheit
[SPEAKER 2]Der übliche Korrektheitsbegriff liegt viel zu einseitig und zu primär im Bereich des Fundaments. Seinen vorgegebenen Winkelmaßen und seiner Spurgradlinigkeit, während andere Merkmale und Partien fälschlicherweise erst in zweiter Linie eine Berücksichtigung erfahren und dann eigentlich auch mehr einseitig optisch nach der Bilderbuchregel. Reitet man denn wohl lieber lebenslang ein Pferd mit feinem Genick, gut angesetzter Halsung, federnder Rückentätigkeit und einem gut synchronisierten, elastischen Bewegungsablauf, im Vorderbein etwas verstellt, in der Niere matt und in der Einschienung nicht ganz forschersmäßig? Oder ein Pferd in schnurgerader Stellung und Spur, breiteingeschient, in der Nierenpartie optisch ideal, aber fest im Genick und Rücken und unelastisch, mit nur geringem Engagement aus der Hinterhand. Eine Vollendung gibt es auch beim Pferdegeschöpf nicht. Also muss der Beurteiler vergeben können und lernen, nach Zweckmäßigkeitsgründen richtig abzuwägen. Denken wir also in vernünftigen Prioritäten, und da gibt es doch nur eins, das qualitätvollste Reitpferd gehört nach vorn. Das Pferd, welches das beste Reitgefühl verspricht, eine deutliche Leistungseignung, Das Glück dieser Erde eben, um dessen Willen so viele Menschen reiten, umzureiten oder auch umzusiegen. Nur gravierende Materialmängel können diese Prioritäten variieren oder ganz abbauen. Wobei sich jeder Beurteiler ernsthaft die Frage stellen muss, ob er das, was er verurteilt, auch zu begründen vermag. überzeugend und einstimmig, nicht in vereinfachender Berufung auf kritiklos übernommenen Überkommenheiten oder verallgemeinernder Erkenntnisse aus dem Kreise jenes Menschenmaterials, das sich weit und breit mit der Beurteilung von Pferden beschäftigt.
[SPEAKER 1]Das war also Teil 1 von Pferdekenner und Fehlergucker Hans-Joachim Köhler. Eingesprochen von Hans Heinrich Isenbarth. Absolut legendär das Ganze. Und morgen kommt dann Folge Nummer 2. Pünktlich morgen auf dem Kanal. Also viel Spaß.