#75 Claudia Butry: Reitunterricht neu gedacht
Als Reitlehrerin hat Claudia Butry mit ihrem Konzept 'Neues Reiten' vor allem ein Ziel: Die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd verbessern. Das funktioniert aber nicht für jedes Pferd-Reiter-Paar gleich. Sie sucht deshalb für jeden ihrer Schüler die individuell am besten passende Lösung. „Je größer mein Werkzeugkasten dabei ist, desto eher kann ich meinen unterschiedlichen Schülern helfen", so Butry.
Ihren Werkzeugkasten erweitert Claudia Butry fortlaufend. Sie verwendet ganz unterschiedliche Ansätze, wie zum Beispiel die Bewegungslehre ihres Ausbilders Eckart Meyners. Arbeitet der Reiter an seiner Beweglichkeit, Koordination und Balance, kann er auch die Kommunikation mit seinem Pferd verbessern. Im Interview mit Christian Kröber spricht Claudia Butry außerdem über ganz neue Konzepte im Reitsport – wie zum Beispiel über Neuroathletic.
Erfahre in dieser Podcastfolge, warum bestimmte Augenübungen dein gesamtes Reiten verändern können, wie du dich vom befehlsempfangenden Reitschüler zu einem selbstständigen Reiter entwickelst und was du von den alten Meistern außer klassischer Dressur noch lernen kannst.
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 1]Herzlich Willkommen zum wehorse Podcast. Mein Name ist Christian Kröber und heute habe ich die Ausbilderin Claudia Butry zu Gast. Sie ist vielen bekannt durch ihr Ausbildungskonzept Neues Reiten. Wir haben auf wehorse einige Onlinekurse, einige viele Onlinekurse mit ihr. am Start und wir sprechen nun gemeinsam über das Neureiten, was es eigentlich ganz genau ist. Im Zentrum steht, dass nicht alleine die Reitlehre im Vordergrund ist, sondern auch wissenschaftliche Aspekte des Reitens und der Bewegungslehre mit einfließen, was es damit auf sich hat und wie man wirklich neu reitet, besprechen wir jetzt. Also, auf geht’s! Herzlich willkommen im Podcast, Claudia Butry.
[SPEAKER 2]Hallihallo.
[SPEAKER 1]Schön, dass du da bist. Wir wollen über dich, deine Ausbildungsweise und dein Ausbildungskonzept sprechen und noch einiges darüber hinaus. Viele kennen dich mit deinem ganzheitlichen Unterrichtskonzept Neues Reiten, viele wehorse-Mitglieder, dich auch natürlich über unsere Plattform. Was genau ist Neues Reiten? Was macht dieses Ausbildungskonzept aus?
[SPEAKER 2]Ja, also es ist so, Neues Reiten, da denkt man immer so, naja, hat sie jetzt das Reiten neu erfunden? Das ist natürlich Quatsch. Also am Ende des Tages ist alles schon gedacht und alles schon geschrieben und alles schon gewusst worden im Reitbereich. Neues Reiten meint eigentlich, dass ich mich darum bemühe, moderne wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Bewegungslehre, aus dem Bereich Neuroathletik und natürlich auch aus der Reitlehre im weitesten Sinne mit einzubringen in meine Arbeit und in meinen Unterricht. Ich lege eigentlich sehr, sehr viel Wert darauf, dass die Reiter lernen, selbstständig zu arbeiten mit ihren Pferden. Und ich sie nicht so sehr einfach als Befehlsempfänger, wie es früher oftmals war, sehe, sondern eigentlich möchte, dass die Reiter mitdenken, mitüberlegen, was macht Sinn für sie und für ihr Pferd, was bringt sie weiter. Also wirklich mitdenken, mitfühlen, um selber auch wirklich Lösungsstrategien entwickeln zu können.
[SPEAKER 1]Wir können ja vielleicht mal durchgehen, was sind dann so die Teilaspekte? Du hast ja eine gesagt, also Neuroathletik, Bewegungslehre. Das sind ja sehr weite Felder. Also man kennt so beispielsweise ja Eckhard Meiners mit seiner Bewegungstrainer-Ausbildung, die du, glaube ich, auch genossen hast. Aber natürlich sind das viele große Bausteine, wenn du uns die einmal so zusammenstecken würdest.
[SPEAKER 2]Ja, also auf der einen Seite bin ich ganz ursprünglich geprägt auch von der FN. Ich habe da meinen Trainer A gemacht, bin also in der deutschen Reitlehre zu Hause und halte auch die Richtlinien für Reiten und Fahren, insbesondere die Ausbildungsskala schon als das übergeordnete Werk und das übergeordnete System, in dem man Pferde und Reiter ausbilden kann. Aber es gibt natürlich Aspekte, die da vielleicht nicht so vorkommen. Und ich schaue einfach sehr, sehr gerne über den Tellerrand. Zum Beispiel das Thema Bewegungslehre. Das ist ein großer Baustein. Ich habe die Ausbildung zum Bewegungstrainer EM bei Eckhard Meiners gemacht und arbeite sehr viel damit, weil das einfach eine unheimlich gute Möglichkeit bietet, am Reitersitz zu arbeiten, den Reitersitz zu verbessern und als Ausbilder auch sehen zu können, wo vielleicht das eine oder andere Thema im Sitz des Reiters liegt. Erfahrungsgemäß ist es oft so, dass die Pferde gar nicht das Problem sind, sondern das Problem sitzt leider Gottes meistens im Sattel. Und wenn ich da anfange, am Reitersitz zu arbeiten und den Sitz zu optimieren, ein besseres Bewegungsgefühl im Reiter zu kreieren, dann habe ich eine ganz, ganz super Möglichkeit, auch das Pferd damit zu verbessern.
[SPEAKER 1]Da hat sich ja auch enorm viel getan. Das haben wir hier schon viel auch im Podcast besprochen mit anderen. Diese Sichtweise da drauf, was eigentlich Reiten, in Klammern Reitsport, wie sich das weiterentwickelt hat, das ist schon etwas, was sich enorm gewandelt hat, oder?
[SPEAKER 2]Also eigentlich schon, aber eigentlich auch nicht. Wenn man sich so die Literatur anschaut und sich die alten Meister anguckt, da findet man also schon bei Guérinier, bei Plouvinel, man findet überall schon Hinweise darauf, dass der Reiter wirklich an sich auch arbeiten muss und dass falsch verstandene Sitzkorrekturen eher zu Verkrampfungen führen. Ganz deutlich wird es dann in dem Zeitabschnitt, wo die Heeresdienstvorschrift 12 entstanden ist, wo es auch darum ging, dass Rekruten Soldaten aufs Pferd gekommen sind. Und da gab es halt tatsächlich, ich glaube, in der Ausgabe von 1927 gab es tatsächlich einen Anhang Leibesertüchtigungsübungen für Rekruten. Also eigentlich ist es überhaupt nicht neu, sondern auch das wurde schon immer gewusst und auch beherzigt. Es ist aber etwas in Vergessenheit geraten. Und das ist ja in vielen Dingen in der Reitlehre so. In der Reiterei geht es um klassische Lektionen, geht es um Übungen, die nicht im Aufgabenheft stehen. Die sind ein bisschen vergessen worden. Und genauso ist es eigentlich auch, was das Thema Sitz angeht. Und da hat Eckhard Meiners unter anderem einfach sehr, sehr viel Gutes getan, dass er das aus sportwissenschaftlicher Sicht nochmal beleuchtet hat und gesagt hat, hey Leute, wenn ihr an euch selber arbeitet, eure Koordination verbessert, euer Gleichgewicht, euer Bewegungsgefühl, dann habt ihr ganz, ganz andere Möglichkeiten auf dem Pferd. Also es ist in Mode gekommen wieder, sagen wir mal so, Gott sei Dank.
[SPEAKER 1]Also wieder in Mode gekommen, wie du richtigerweise sagst. Das war mir persönlich gar nicht bewusst. Also in der HDV12 gibt es tatsächlich einen Teil, wo es um die Athletik des Reiters geht.
[SPEAKER 2]Ja, ganz genau. Also es ist immer schon vorhanden gewesen. Man kann sich jetzt natürlich aus sportwissenschaftlicher Sicht darüber streiten, ob diese Übungen heute noch so bewertet werden, wie man sie früher bewertet hat. Viele Übungen sind heute eher verschrien als dysfunktionale Übungen, die nicht so einen guten Effekt haben. Aber generell wurde sich einfach viel mehr mit dem Körper beschäftigt. Weil der natürlich auch letztendlich dafür gesorgt hat, dass man überhaupt seine Arbeit im Zusammenhang mit dem Pferd verrichten konnte.
[SPEAKER 1]Ist das für dich eine gewisse Grundvoraussetzung, dass man einen guten Sitz entwickelt, dass so die Grundphysis, die Grundfitness erstmal steht oder ist das etwas, was auch so parallel entstehen kann?
[SPEAKER 2]Also es braucht schon eine Grundfitness. Also wenn man sich das so überlegt, braucht man eigentlich schon sehr viel. Also es geht in einem gewissen Grad auch um eine Grundkraft und eine Grundkondition. Aber es geht vor allen Dingen um Beweglichkeit, um Koordination. Und da sollte man von vornherein schon gut drin sein. Oder sagen wir mal, es erleichtert die Sache enorm. Weil Reiten ist einfach ein hoch koordinativer Sport. Wir müssen ganz, ganz viele verschiedene Dinge gleichzeitig machen. Die Arme machen was anderes als die Beine. Der Kopf guckt unter Umständen woanders hin, als die Fußspitze hinzeigt. Das sind alles kleine Dinge, die aber enorm wichtig sind. Und wenn ich das vorher schon gut kann oder gut darin geübt bin, dann ist es viel, viel leichter, auf dem Pferd zurechtzukommen, als wenn ich das noch erarbeiten muss. Was dann die Sportart spezifischen Geschichten angeht, ich sag mal das Konzert der Hilfen wie Spielen, Sitz, Schenkel, Zügel zusammen. Das ist natürlich was, was ich dann auch tatsächlich auf dem Pferd lernen muss. Aber wenn ich grundsätzlich schon mal ein gutes Bewegungsgefühl habe, mich selber gut wahrnehmen kann, wo sich mein Körper im Raum befindet, gut im Gleichgewicht bin, dann habe ich es einfach viel, viel leichter, als wenn ich mir das alles auf dem Pferd erarbeiten muss. Und ehrlicherweise hat es das Pferd auch leichter.
[SPEAKER 1]Unbedingt, unbedingt. Nun, Also dieser athletische Aspekt ist sicherlich das eine, aber ich glaube, da ist ja noch mehr, wenn wir, wie du ja richtig gesagt hast gerade, das ist so ein bisschen auch etwas, was wieder in Mode kommt. Was würdest du sagen, ist auf der anderen Seite der Klaviatur dann das Hochmoderne, was dann dazukommt bei dir?
[SPEAKER 2]Also letztendlich ist es der, ich sag jetzt mal, wissenschaftliche Unterbau, dass man sich heutzutage viel mehr damit beschäftigt, welche Bewegungsketten werden angesprochen, wie funktionieren diese Bewegungsketten, in welchem Teil des Körpers stimmt der Bewegungsfluss nicht. Ich glaube, bei den alten Meistern war das einfach sehr, sehr viel Erfahrungswissen. Die haben einfach ihren Blick geschult, die haben ein Auge dafür bekommen. Und heute kann man das im Grunde genommen mehr auf eine wissenschaftlichere Basis stellen. und kann wirklich sagen, so, in dem Teil des Körpers passiert jetzt gerade keine Bewegung. Und deshalb haben wir in einem anderen Teil des Körpers zu viel Bewegung. Also gutes Beispiel ist vielleicht, dass der, wenn der Absatz nicht mitfedert oder dass der Unterschenkel unruhig ist, dann sagen viele Reiter zu mir, Mensch, mein Bein ist so unruhig. Und ich versuche das immer stillzuhalten, aber es funktioniert nicht. Und das Problem liegt aber gar nicht im Absatz oder im Fuß oder im Bein im unteren Bereich. Meistens liegt das Problem in einer starren Hüfte, die nicht beweglich genug ist. Also das sind so Bewegungskettenverständnis für Biomechanik, was ja nicht nur auf Erfahrungswissen fußt, sondern dann tatsächlich auch nachprüfbar ist. Und wenn man dann noch einen Schritt weiter geht, das ist eine Ausbildung, in der ich noch drin stecke, sozusagen. Das ist der Bereich Neuroathletik. Das ist also wirklich ganz, ganz modern, wenn man so möchte. Da geht man hin und versucht, die Kommunikation zwischen Nervensystemen und Bewegungssystemen zu verbessern. Das heißt, eigentlich arbeitet man ein Stück weit am Gehirn, weil das Gehirn ist letztendlich der Teil unseres Körpers, der die Bewegung auslöst und auch die Bewegung korrigiert. Und das ist sehr, sehr spannend, wie man Bewegungen verbessern kann, auch auf dem Pferd beim Reiten, indem man eigentlich das Gehirn trainiert und gar nicht so sehr den Körper.
[SPEAKER 1]Wie sieht das dann ganz konkret aus? Also wenn ich eher das Gehirn trainiere, sind das dann eigentlich Situationen, die wir alle aus Natur kennen, wo ich nur dann anfange, anders zu denken? Oder sind das tatsächlich ganz andere Dinge, die ich mache?
[SPEAKER 2]Zum Teil sind es ganz andere Dinge, die ich mache. Also ich habe, um das kurz zusammenzufassen, in der Neuroathletik geht es darum, die bewegungssteuernden Systeme zu beeinflussen. Das ist das visuelle System. Das ist das propriozeptive System. Das ist das System, was die Wahrnehmung des Körpers im Raum steuert. Und das ist das Gleichgewichtssystem. Und wenn ich jetzt im propriozeptiven Bereich arbeite, dann habe ich Gelenksbewegungen. Also alles Dinge, die man letztendlich im Bewegungstraining auch macht. Aber wenn ich so ans Gleichgewichtssystem gehe oder an das visuelle System, da macht man dann Augenübungen, Augenbewegungen, die kann man auch auf dem Pferd machen und die machen einen riesen Unterschied. Das ist sehr, sehr spannend und auch fast ein bisschen spooky teilweise, weil man halt manchmal gar nicht so genau sieht, was passiert oder man bewegt die Augen fünfmal rauf und runter und hat auf einmal ein völlig anderes Reitgefühl. Das ist wirklich verrückt.
[SPEAKER 1]Wie sieht sonst in deiner Ausbildungsphilosophie konkret die Umsetzung aus? Also arbeitest du ganz viel mit Sitzschulung oder ist das eigentlich total spezifisch so, wie du dich auf deine Schüler einstellst oder beispielsweise auch mit den Online-Kursen, die wir mit dir haben, wo es ja sowohl allgemein als auch spezifisch ist? Wie stellst du dich darauf ein, auf das Individuum?
[SPEAKER 2]Also das ist mir halt total wichtig, ganz individuell mit den Reitern zu arbeiten, mit den Pferden auch, aber das ist wieder ein anderes Thema. Und das kommt wirklich ein bisschen darauf an. Also es gibt verschiedene Dinge. Ich habe sowas wie Everyday Work, wo ich wirklich regelmäßige Reitschüler begleite. Und da kommt es immer ein bisschen darauf an, was haben wir gerade. Hat das Pferd eher ein Thema, wo wir am Thema des Pferdes arbeiten müssen? Oder hat der Reiter ein Thema, wo wir mehr am Thema des Reiters arbeiten müssen? Und das ist das Schöne, dass ich insofern recht breit aufgestellt bin, dass ich da wirklich auch variieren kann und sagen kann, mei, dein Becken ist heute so fest, jetzt müssen wir einfach mal ein paar Beckenübungen machen, sonst führt das hier zu nichts. Und dann gibt es natürlich auch noch Kurse, die ich gebe, die dann zum Teil sehr spezifisch sind, wo es dann wirklich darum geht, so wir machen jetzt wirklich reine Sitzschulung mit einer Theorie als Einleitung und wirklich mit reinen Sitzseminaren, die aber auch immer in Kombination mit dem Pferd stattfinden.
[SPEAKER 1]Woher kommt so deine Neugierde an dieses verknüpfen auch mit dem neuen wissenschaftlichen Stand? Wie ist da so dein persönlicher Weg dahin?
[SPEAKER 2]Letztendlich bin ich ja kein gelernter Reitausbilder, sondern habe ursprünglich mal ein Studium der Geisteswissenschaften absolviert und bin also generell an wissenschaftlichem Denken und Arbeiten auch interessiert.
[SPEAKER 1]Soziologie, glaube ich, richtig?
[SPEAKER 2]Genau, Soziologie mit Medienwissenschaften und Politologie. Aber gut, eigentlich sollten es Medienwissenschaften werden. Egal. Also ich bin einfach immer neugierig. Ich bin interessiert an verschiedenen Herangehensweisen und meine eigene reiterliche Karriere begann im Grunde genommen ein bisschen so, dass ich mich so ausgeliefert fühlte. Der Reitlehrer hat mir irgendwelche Phrasen um die Ohren gehauen und ich habe überhaupt nicht verstanden, wovon er redet und was er mir mitteilen will. Und da habe ich mir geschworen, sollte ich jemals in meinem Leben in die Lage versetzt werden, wo ich Reitschüler unterrichte, dann möchte ich das transparent haben. Dann möchte ich, dass die verstehen, worum es geht. Die sollen verstehen, warum sie bestimmte Dinge machen und warum sie bestimmte Dinge nicht machen sollen. Ich möchte, dass sie die Fachsprache verstehen, dass sie einfach mir folgen können. Es hilft mir nichts, wenn ich unglaublich viele Worte verbraucht habe an meinen Reitschüler, aber der am Ende des Tages genauso schlau ist wie vorher. Also das ist so ein Antrieb. Und ich bin einfach sehr interessiert. Deshalb bin ich auch eingetaucht in die ganzen alten Meisters, hab mich total interessiert. Wie haben die gearbeitet? Was machen die? Und eben auch diese modernen Aspekte. Was steckt dahinter? Wie kann ich den Leuten besser helfen? Also das ist eigentlich ein Riesenantrieb, dass man Reitschüler hat, wo man merkt, ich komme da nicht weiter an dem Punkt. Und es muss doch irgendwas geben, wie ich demjenigen auch helfen kann, dass er sich verbessern kann, dass er sich wohler fühlt, dass er sich sicherer fühlt. Und das ist so ein bisschen der Antrieb.
[SPEAKER 1]Da steckt ja dann auch ganz viel Tüftelei dahinter am Ende, weil ich muss ja ganz genau schauen, wenn ich einen Reitschüler habe, wo ich nicht weiterkomme. Was ist jetzt genau der Ansatzpunkt?
[SPEAKER 2]Genau, genau, es geht immer darum, ich sag mal, die Hauptbaustelle zu finden oder rauszufinden, wie kann ich denjenigen erreichen? Und das findet ja auf ganz vielen Ebenen statt. Das ist ja nicht nur das Körperliche. Das hat ja auch was damit zu tun. Wie lernen Menschen, auf welchen Kanälen können die am besten Dinge verarbeiten? Es gibt Menschen, die können Die erreicht man am besten über Sprache. Es gibt Menschen, die brauchen Bilder. Dann gibt es Menschen, die brauchen taktile Reize. Da müssen die Bewegungen geführt werden. Dann spielt natürlich auch die Psyche eine Rolle. Mit was für einer mentalen Grundeinstellung kommt der zu mir in den Reitunterricht? Wie ist sein Tag gelaufen? Das sind ganz, ganz viele Facetten, die man als Reitlehrer immer mit im Kopf haben muss und wo man sich immer fragen muss, Ja, was ist heute Sache? Und genau diese Tüftelei macht es auch so spannend herauszufinden. Wie kann ich den erreichen? Wie kann ich den verbessern? Und je größer der Werkzeugkasten, wenn man das so sagen möchte, des Ausbilders ist, desto größer ist natürlich auch die Chance, dass er dem Schüler helfen kann.
[SPEAKER 1]Was sind da so die Top-3-Fälle, die du siehst, also wo quasi Pferde und Reiter nicht mehr miteinander klarkommen? Was sind da so die Top-3-Gründe? Du hast einige ebenso genannt.
[SPEAKER 2]Also mit Sicherheit ein Top-Grund ist der schlechte Sitz, das mangelnde Bewegungsgefühl des Reiters, die Schwierigkeit, den eigenen Körper, sag ich mal, zu kontrollieren. Ein weiteres Thema ist der mentale Status. Wenn jemand sehr verbissen ist, sehr ehrgeizig oder sehr verkrampft oder auch sehr ängstlich, dann gibt es in der Regel immer Störungen in der Kommunikation mit dem Pferd. Und dann vielleicht der dritte Punkt, das mangelnde Verständnis oder das fehlende Verständnis für die Reitlehre. Warum mache ich was? Was ist wichtig, auch für das Pferd, um es gesund zu erhalten? Das sind so die Punkte, wo es, glaube ich, am meisten klemmt, weshalb es so viele Kommunikationsstörungen zwischen Reiter und Pferd gibt.
[SPEAKER 1]Wie ist so dein eigener Background? Bist du selber auch viel am Reiten oder ist wirklich so deine Passion, wirklich das Unterricht geben, die Korrektur, auch diese etwas komplexeren Fälle dann zu behandeln? Wie ist da so dein Background?
[SPEAKER 2]Also im Grunde genommen läuft das Ganze bei mir auf drei Ebenen ab. Die eine Ebene ist der Reitunterricht. Dann gibt es die Seminare. Aber ich habe auch eigene Pferde und auch Brittpferde bei mir am Hof stehen, mit denen ich täglich arbeite. Das heißt, ich reite auch selber sehr, sehr viel und sehr, sehr gerne.
[SPEAKER 1]Und das Ganze im schönen Allgäu.
[SPEAKER 2]Ja, auch das noch. Das ist das Allerbeste daran.
[SPEAKER 1]Und wir haben ja ein weiteres Projekt in diesem Jahr noch mit dir geplant. Und ich habe währenddessen gelernt, dass es quasi ab November schon akute Schneegefahr gibt, wenn man das so sagen kann, bei euch.
[SPEAKER 2]Ja, das ist im Allgäu tatsächlich so. Um nicht zu sagen, also wir hatten vor, ich glaube, anderthalb oder zwei Wochen hatten wir tatsächlich schon mal 2 Grad und Schneeregen. Also auf den Bergen, so ab 2000 Meter Höhe liegt auch schon Schnee. Also jedes Mal, wenn es jetzt anfängt zu regnen, haben wir oben in den Bergen schon Schnee und man muss damit rechnen. So ab Oktober wird es Zeit, die Winterreifen aufzuziehen und zu gucken, dass man seine beheizten Tränken in Ordnung hat und all diese Dinge.
[SPEAKER 1]Nun hast du ja eben einige namhafte Ausbilder schon genannt, die auch dich in gewisser Weise geprägt haben. Was sind denn für dich so ein paar Eckpunkte oder ein paar Ausbilder, wo du sagst, die machen das wirklich richtig, richtig gut und da würde ich oder da stehst du komplett hinter?
[SPEAKER 2]Ja, also zum einen natürlich, wie vorhin schon erwähnt, mein Ausbilder Eckhard Meiners. Der macht das ganz, ganz großartig und ist aus meiner Sicht ein Segen für die Reiter und auch für die Pferdewelt.
[SPEAKER 1]Wenn ich einmal einladen darf, am Ende auch ein Pionier in diesem Zurückbringen der Athletik.
[SPEAKER 2]Herr Meiners hat wirklich über 40 Jahre lang richtig hart gekämpft, dass seine Ideen und seine Ansätze wirklich auch Eingang finden in die Reiterei. Er wurde sehr belächelt anfangs. Und immer mehr Reiter haben dann verstanden, dass dieses Thema wirklich ein ganz, ganz großes, ein ganz, ganz wichtiges ist. Und deshalb ist es natürlich toll, dass es jetzt mittlerweile auch in der Berufsausbildung für Reitausbilder tatsächlich auch Prüfungsthema ist. Das ist wirklich, da hat er wirklich Großes geleistet, kann man nicht anders sagen.
[SPEAKER 1]Okay, also Eckart Meiners, damit haben wir losgelegt.
[SPEAKER 2]Dann, wer für mich gerade jetzt in den letzten Jahren sehr, sehr prägend war und auch immer noch ist, ist wirklich Anja Beran, die sehr aus dem klassischen Lager kommt, die in der klassischen Reitkunst zu Hause ist. Da fahre ich auch selber tatsächlich regelmäßig zum Training hin und nehme da sehr, sehr viel mit. Eben weil es halt da auch um diese kleinteilige, friemelige Arbeit auch mit schwierigen Pferden geht und es einfach ganz viele Übungsabfolgen und Lösungsstrategien gibt in der klassischen Reitkunst, die auch leider so ein bisschen in Vergessenheit geraten sind. und kaum noch genutzt werden. Und da nehme ich also auch sehr, sehr viel mit und bin sehr froh, dass ich da diesen Kontakt habe und auch mit ihr arbeiten kann.
[SPEAKER 1]Und dazu noch um die Ecke, Anja Beran ist, weiß nicht, ob das schon Allgäu ist, aber zumindest ist Allgäu Grenzgebiet.
[SPEAKER 2]Es ist Allgäu, es ist Ostallgäu, ja, ja. Das ist noch so eben im Allgäu.
[SPEAKER 1]Sehr gut. Liebe Claudia, am Ende eines jeden WIRS-Podcasts habe ich die vier klassischen WeHorse-Fragen, die ich natürlich auch dir gerne stellen möchte. Und Frage Nummer eins ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 2]Ich versuche immer im Jetzt zu sein. Im Jetzt zu sein und nach vorne zu schauen.
[SPEAKER 1]Okay, dann kommt Frage Nummer zwei. Haben wir schon so ganz leicht gestriffen das Thema. Gibt es einen Menschen, der dich vielleicht auch besonders im Hinblick auf die Pferde geprägt hat?
[SPEAKER 2]Puh, ich muss mal kurz nachdenken.
[SPEAKER 1]Ein paar Namen hatten wir ja eben schon.
[SPEAKER 2]Also tatsächlich ist es so, dass mich einige sehr, sehr gute Reiter und Reitausbilder begleitet haben und auch nach wie vor begleiten. Aber ich möchte eigentlich sagen, dass am meisten Prägung durch die Pferde stattgefunden hat. Ich habe sehr, sehr viele verschiedene Pferde unterschiedlichster Ausbildungsniveau begleiten und reiten und arbeiten dürfen. Und die haben mich tatsächlich am allerallermeisten gelehrt, ohne jemandem seine Kompetenz in Abrede zu stellen, aber am Ende sind es die Pferde, die einem das meiste beibringen.
[SPEAKER 1]Okay, wunderbar. Dann geht es weiter mit der dritten Frage. Wenn du Reitern bzw. Pferdemenschen eine Sache im Umgang mit ihren Pferden auf den Weg geben könntest, was wäre es?
[SPEAKER 2]Pferde sind nicht einfach Sportgeräte, die wir nutzen dürfen, sondern Pferde sind eigene Persönlichkeiten, die mit Respekt behandelt werden möchten, die Achtung verdienen. Und das ist das Allerallerallerwichtigste, dass wir immer darauf schauen, pferdegerecht mit den Pferden umzugehen und zu arbeiten. Wenn man in die Geschichte guckt, Pferde sind im Grunde genommen der Grundstein unserer Zivilisation. Wenn die uns nicht ermöglicht hätten, Waren und große Strecken zu überwinden und zu transportieren, dann wäre die Zivilisation aus meiner Sicht nicht das, was sie heute ist. Und es ist einfach Zeit, dann den Pferden ein bisschen was zurückzugeben, indem wir einfach artgerecht und ordentlich und respektvoll mit ihnen umgehen.
[SPEAKER 1]Und dann zum Abschluss vervollständige bitte diesen Satz. Pferde sind für mich.
[SPEAKER 2]Passion, Leidenschaft, Lebensinhalt.
[SPEAKER 1]Einfach alles. Großartig. Danach kommt eigentlich nichts, könnte man auch sagen. Also es hat sehr viel Spaß gemacht mit dir, Claudia. Ja, die Schneesaison im Allgäu steht ja quasi bevor. Und wir freuen uns auf ein weiteres tolles Projekt mit dir. Und ich sage Dankeschön und viele Grüße.
[SPEAKER 2]Ich danke auch sehr für die Möglichkeit. Und es war ein sehr nettes Gespräch, lieber Christian.
[SPEAKER 1]Vielen Dank. Falls dir diese Podcast-Folge gefallen hat, lass gerne eine 5-Sterne-Bewertung da. Wir sagen Dankeschön.