#18 Bewegungsexperte Eckart Meyners über Reiterfitness und besseres Reiten durch mehr Körperbewusstsein
„Leben ist bewegen“, das ist Eckart Meyners Motto und ein Grund, warum er sein Leben der Bewegung widmet. Er ist akad. Oberrat i.R. und war mehr als 38 Jahre als Dozent für Sportpädagogik an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Den „Reitervirus“ hat er von seiner Frau bekommen. Seither erforscht er die Bewegungslehre von Pferd und Reiter und ist DER Experte im Bereich Gesundheitssport und Reiterfitness.
In Interview mit Christian Kroeber erklärt er dir, warum es so wichtig ist, Reitunterricht handlungsorientiert zu geben und als Reiter Hintergründe zu Bewegungsabläufen und sensomotorischen Reizen zu kennen. Eine kleine Veränderung im Becken des Reiters kann die Kommunikation mit dem Pferd schon stören oder maßgeblich verbessern!
Höre im Podcast, welche Schaltstellen deines Körpers du besonders trainieren solltest, wie du mit einem höheren Körperbewusstsein dein Reiten verbesserst, wie Eckart Meyners Dressurreiterin Heike Kemmer zu Olympia brachte, warum er sich für „Reiten“ als Schulfach einsetzt und was du bei der Arbeit mit Franklin-Bällen besonders beachten solltest.
Viel Spaß!
Podcast Transkript
Dieses Transkript wurde durch eine KI erstellt und nicht gegengelesen.
[SPEAKER 2]Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des wehorse Podcasts. Diese Woche spreche ich mit dem absoluten Experten in Sachen Bewegungslehre, Eckart Meiners. Er ist seit vielen Jahren der erste Ansprechpartner für Reiterfitness und Gesundheit, Verbesserung der Bewegung von Pferd und Reiter und auch einer der Begründer des Franklin-Bälle-Hypes, der seit einiger Zeit inzwischen unterwegs ist. Zu diesem Thema haben wir einen sehr spannenden Facebook-Post. Wir haben Infos im Newsletter, bei Instagram, rundum fit für dein Pferd. Bevor wir starten, auch noch ein Hinweis in eigener Sache. Falls dir unser Podcast gefällt, freuen wir uns total über eine 5-Sterne-Bewertung. Das hilft auch anderen Menschen, diesen Podcast noch näher zu bringen. Nun aber das Interview mit Eckhard Meiners.
[SPEAKER 1]Viel Spaß!
[SPEAKER 2]Ein neuer Podcast bei uns. Ich freue mich ganz besonders. Wir sind heute bei einer Person, mit der Pferdia und auch inzwischen jetzt wehorse seit vielen Jahren verbunden ist. Wir sind bei Sportpädagoge und Bewegungsexperte Eckart Meyners. Hallo Eckart.
[SPEAKER 1]Grüß dich. Grüß euch.
[SPEAKER 2]Schön, dass du dabei bist bei deinem ersten Podcast bei uns. Du bist seit eh und je bekannt für das Thema Bewegungslehre. Bist auch einer der Begründer des Franklin-Hypes, also die Franklin-Bälle, die seit einigen Jahren Einzug gehalten haben in der Pferdewelt. Warst mehrere Jahrzehnte Dozent für Sportpädagogik an der Leuphana Universität in Lüneburg. Was hat dich dazu bewogen oder wie ist es dazu gekommen, dass du Sportpädagogik, Bewegungslehre verknüpft hast mit Reitsport?
[SPEAKER 1]Ich komme ja ursprünglich überhaupt nicht aus der Reiterei. Bin also auch kein Reiter in dem Sinne oder auch kein Trainer. und habe quasi den Einstieg erlebt durch meine Frau, die also aus einer Familie stammt, die Pferde gezüchtet hat. Der Schwiegervater war Landwirt, war auch Züchter. Und so habe ich den Kontakt zu den Pferden gewonnen. Am Anfang sehr kritisch, weil ich ja nicht wusste, wie ich mit den Pferden umgehen musste. Denn das sind Verhaltensweisen, Wahrnehmungsweisen, die man ja nicht aus dem normalen Sportlerleben kennt. Und nachdem wir geheiratet hatten, heute kennen wir uns übrigens 50 Jahre.
[SPEAKER 2]Heute?
[SPEAKER 1]Heute. Am heutigen Tag? Am heutigen Tag.
[SPEAKER 2]An diesem besonderen Tag dürfen wir ja einen Podcast machen, das ist ja sensationell.
[SPEAKER 1]Und sind im April nächsten Jahres 50 Jahre verheiratet.
[SPEAKER 2]Also eigentlich Gratulation zum heutigen 50.
[SPEAKER 1]Beziehungstag. Am Anfang war ich sehr skeptisch und war auch in dem Sinne sehr rigide im Umgang mit meiner Frau, muss ich sagen. Ich war damals noch Lehrer in Oldenburg, sie kam als Lehrerin für Sport auch an denselben Ort und ich war dagegen, dass sie ihre Pferde mitbringt, weil sie sich ja nur um Pferde gekümmert hat. Und dann kriegte ich die Stelle als Assistent an der damaligen Hochschule Düneburg und da traf Christiane ihre alten Freunde und da hatte ich verloren. Das heißt, da tauchte sie wieder ein in die Reiterei, was ich also auch heute verstehen kann. Und es gibt ja so einen netten Spruch, den ein internationaler Ausbilder mal zu dieser Situation gesagt hat. Er hätte versucht, Christiane mit blanker Kandare ein Jahr durchs Genick zu reiten. Das ist mir nicht gelungen und seitdem stehe ich doppelt ausgebunden in der Küche und muss abkauen. Das heißt, ich habe danach eben Leute über Christiane kennengelernt, Einflussreiter, Leute in der Reiterei, die dann gesagt haben, mich angestoßen haben und gesagt haben, Mensch, entwickle doch da mal was. Und als ich anfing beim ersten Reitfahrtlehrgang Ambulant 1976, gab es überhaupt nichts auf dem Sektor. Da gab es nur die DSB-Normen, so hießen die damals. Ich habe versucht, die entsprechenden Universitätsinhalte, was den Bewegungslehre- oder Gesundheitstrakt betrifft, zu transferieren. Das muss bei dem ersten Lehrjahr wohl so gut angekommen sein, dass die Leute begeistert waren und mich angerichtet haben, weiterzumachen. Und in der Zwischenzeit sind das ja 76 bis 2018 über 40 Jahre. Ganz viele Bücher entstanden, ganz viele Aufsätze. Und es macht mir unheimlich viel Spaß.
[SPEAKER 2]Filme mit uns, unzählige.
[SPEAKER 1]Und ja, ich habe dadurch sehr, sehr viele positive Erfahrungen gemacht mit Verlagen oder auch mit eurer Firma und so weiter. Weil diese Ideen Leute entfacht hatten und von daher eine Initialzündung ausgemacht haben.
[SPEAKER 2]Du kommst aber eigentlich, wie du gerade gesagt hast, gar nicht aus dem Pferdebereich.
[SPEAKER 1]Nein.
[SPEAKER 2]Leichtathletik war dein Thema.
[SPEAKER 1]Ja ursprünglich. Leichtathletik. Ich habe Handball und Fußball also relativ hoch gespielt. Und nachher habe ich mich spezialisiert in Badminton. Und Lüneburg hat nachher ja in der zweiten Bundesliga gespielt und so weiter. Quasi das, was ich in der Reiterei gemacht habe, habe ich auch im Batman-Sport vorher entwickelt. Und irgendwann musste ich mich entscheiden, machst du Reiten oder machst du Batman, also Rückschlagsspiele in dem Sinne. Und dann habe ich mich für Reiten entschieden.
[SPEAKER 2]Obwohl Batman ja auch interessant ist. Es ist eine der rasantesten Sportarten der Welt.
[SPEAKER 1]Ist so. In Lüneburg, als ich damals hierher kam, sind wir über Jahre mehrmals aufgestiegen und haben uns Namen verschafft. Irgendwann wurde ich dann gebeten, die Abteilung zu übernehmen und dann habe ich das gemacht. Da waren sie genauso skeptisch am Anfang, weil das andere Methoden waren, die Badminton-Spieler anzusprechen. Denn mein Einstieg kam über die Struktur des Spieles, das hieße Struktur des Pferdes. Und nicht über irgendwelche formale Dinge, die von außen vorgegeben werden. Und das war natürlich eine Sichtweise, die nicht jedem genehm war.
[SPEAKER 2]War es denn schwer, gerade in der Anfangszeit Fuß zu fassen? Also ich kann mir vorstellen, wenn man aus anderen Sportarten kommt, dann ist ja unser Pferdebereich erstmal ein Buch mit sieben Siegeln.
[SPEAKER 1]Ja, ist so. Aber ich hab mich da so eingearbeitet, weil ich einfach… meine, dass die Reiterei so eine spannende Materie ist. Also ich komme da gar nicht von weg. Und in den ersten Jahren haben sie natürlich gesagt, was will der uns denn weismachen? Der hat selber nicht groß geritten, ist kein Ausbilder und so weiter. Aber ich glaube, dass gerade die Innovation in bestimmten Sportarten nur von außen kommen kann. Weil man selber, wenn man in der Materie groß geworden ist, so ein bisschen betriebsblind werden kann. Muss nicht.
[SPEAKER 2]Und was ist genau, was dich daran fasziniert? Also beim Leichtathletik-Sport geht es nur gegen die Zeit beispielsweise oder in die Höhe oder in die Weite. Jetzt ist es beim Pferdesport ja so, man hat noch den Sportpartner mit dabei. Was ist für dich das Faszinierende im Gegensatz zu den anderen Sportarten, wo du vorher warst?
[SPEAKER 1]Das Faszinierende ist, wenn der Reiter entsprechend angesprochen wird, hat er den Einstieg zur Harmonie mit dem Pferd. Und ich habe über Jahrzehnte gesehen, mit welchen Kleinigkeiten man Reiter verändern kann. Und plötzlich zeigen die Pferde ganz andere Abläufe. Das Pferd macht keine Fehler. Wir machen sie. Und das zu verstehen, ist eine ganz wichtige Sache. Aber das war schwer zu vermitteln am Anfang. Vor allen Dingen durch einen Mann wie mich, der eigentlich nicht aus der Reiterei kommen will.
[SPEAKER 2]Also fehlende Akzeptanz zu Anfang.
[SPEAKER 1]Ja, total. Heute fragt da keiner mehr nach. Ja und ich bin ja damals auch sehr dankbar gewesen, dass zum Beispiel Heike Kemmer ganz offen an mich herangetreten ist und ich konnte mit ihr viele Dinge experimentieren und sie war für alle Dinge aufgeschlossen und da habe ich natürlich unheimlich viel gelernt auf dem Sektor.
[SPEAKER 2]Also auch Lernen von den Besten in dem Bereich.
[SPEAKER 1]Genau.
[SPEAKER 2]Was umfasst für dich das Thema Bewegungslehre, was ja ein großes Feld ist? Also geht es da ausschließlich um die Bewegung des Reiters? Geht es um die Bewegung des Pferdes oder geht es um beide? Was ist so das verbindende Element?
[SPEAKER 1]Auf der einen Seite sind das die Abläufe des Reiters in Koordination mit dem Pferd. Aber der zweite Punkt ist die Vermittlung des Reitens. In der Reiterei sind die Vermittlungsstrukturen ausschließlich anweisungsorientiert und die Leute dürfen nur übers Ohr lernen. Das heißt, sie haben gar keine Chance, einen anderen Zugang zu wählen. Und der zweite große Bereich ist, wenn ich die Bewegung analysiert habe, weiß wo die Schwäche des Pferdes oder des Reiters ist, dann muss ich einen Weg finden, diese Hintergründe an den Mann zu bringen oder an die Frau. Und da gibt es natürlich Vermittlungskonzepte, die wir mit handlungsorientiert bezeichnen. Das heißt, der Reiter selber muss entscheidungsfähig werden, muss fühlen lernen, was er wann in welcher Situation mit dem Pferd oder auf dem Pferd macht. Und das ist der zweite Bereich, Vermittlung. Also der erste Bereich ist die Bewegungsanalyse. Feststellen, wo Stärken und Schwächen des Reiters und Pferdes sind. Und der zweite Bereich ist dann die Vermittlung dieser Hintergründe an den Reiter.
[SPEAKER 2]Was ja durchaus dann auch spannend wird, weil ich kann mir vorstellen, heutzutage mit Videoanalyse oder anderen Tools kann man deutlich mehr machen. Thema Bewegungsanalyse, worauf achtest du? Jeder Reiter ist unterschiedlich. Was sind für dich da die Komponenten?
[SPEAKER 1]Also der Dialog muss geführt werden zwischen Reiter und Pferd über das Becken des Reiters mit dem Rücken des Pferdes. Jede kleine Störung des Beckens des Reiters führt dazu, dass das Pferd seine Bewegungsübertragung von der Hinterhand zum Pferdemaul nicht leisten kann. Und da setze ich primär an, aber Die Probleme, die im Becken entstehen, müssen nicht unbedingt nur im Becken gelagert werden. Das heißt, das Becken wird sehr stark determiniert auch durch den Kopf, durch die Kopfgelenke oder auch durch die Art, wie ich das Pferd schicke.
[SPEAKER 2]Die Becken-Kopfgelenke, oder?
[SPEAKER 1]Nein, die Kopfgelenke. Das heißt, das erste Gelenk ist der Übergang Schädel-Atlas. Der zweite ist der Übergang Atlas-Axis.
[SPEAKER 2]Also an der Wirbelsäule?
[SPEAKER 1]An der Wirbelsäule. Der erste Übergang macht nur leichte Bewegungen links, rechts, vorne, hinten. Und der zweite hat Drehmomente. Und wenn diese Gelenke fixiert sind, ist automatisch das Becken fixiert. Und diese Korrespondenzen, die muss ich entdecken. Die kann ich nicht sehen, weil die Leute ja nicht nackt reiten. Sondern sie haben Klamotten nackt.
[SPEAKER 2]Idealerweise nicht nackt.
[SPEAKER 1]Ich hatte das mal gesagt, ich will die Leute nackt halten. Oder wenn sie vor mir reiten, sehe ich sie nackt. Und das ist nicht gut angekommen.
[SPEAKER 2]Ja, das kann ich mir vorstellen.
[SPEAKER 1]Es war aber nicht konkret gemeint.
[SPEAKER 2]Also ist es Training erstmal der Person auf dem Pferd?
[SPEAKER 1]Ja, immer aber in Kooperation mit dem Pferd. Das ist ja das Spannende. Und genau das musste ich ja lernen. Dass ich einfach erkennen musste, aha, das mache ich mit einem Reiter. Und wie wirkt das auf das Pferd? Und das konnte man nur verstehen durch auch das Begreifen der Reitlehre. Und da hatte ich eben einen sehr, sehr guten Reitlehrer, Jochen Könige, lebt in Soltau, von dem ich unheimlich gelernt habe, weil er der Didaktiker für mich in der Reiterei ist, der die elementaren Dinge des Reitens und seiner Vermittlung wirklich zu leisten vermag. Denn das ist das größte Problem. Das heißt, die elementaren Dinge zu vermitteln und nicht jetzt irgendwie höhere Lektionen herauszukitzeln, das kann ich nachher machen, wenn die Grundlagen stimmen. Aber ich muss erst mal die Grundlagen legen und wenn die Grundlagen nicht da sind, geht es nicht weiter.
[SPEAKER 2]Gibt es dann auch Parallelen zu der klassischen Bewegungslehre ohne Pferd? Also findet man Elemente auf beiden Seiten?
[SPEAKER 1]Das habe ich nicht verstanden jetzt.
[SPEAKER 2]Wenn du schaust, wie die deutsche Reitlehre strukturiert ist, siehst du dort in der Ausbildungsweise quasi Elemente, die beispielsweise auch ein Leichtathlet wiederfindet?
[SPEAKER 1]Also die beste Bewegungslehre fürs Pferd ist die Reitlehre. Es wird ja immer gegen die Reitlehre geschimpft oder gegen die FN-Reitlehre. Aber die klassische Reitlehre, was immer klassisch ist, geht aus von der Natürlichkeit des Pferdes. Und diese Natürlichkeit des Pferdes gibt es also auch bei der Natürlichkeit des Menschen zu suchen und zu finden. Und dann muss man diese beiden zusammenschrauben, wenn man so will. Das heißt, die Elemente, Ich nehme mal Gymnastizierungsprinzipien. Gibt es genauso, was ich mache, sind auch Gymnastizierungsprinzipien mit dem Reiter. Ähnlich den Gymnastizierungsprinzipien für das Pferd in der Vermittlung. Beispielsweise die unglaubliche Monotonie im Trainingsprozess muss abgelöst werden von Variationen. Und genau das bieten die Bewegungsprinzipien.
[SPEAKER 2]Ist Reiter Fitness ein Thema, was du damals schon aufgebracht hast?
[SPEAKER 1]Ja, das erste Buch, was ich geschrieben habe, oder das zweite Buch, ähm, äh, na, wie heißt der Verlag in Hamburg? Katmos? Nee, nee, Hamburg. Nein, ist egal. Fit aufs Herd. Aber Fitness alleine reicht nicht aus. Fitness ist eine Sache, wo man sich fragen muss, wofür baue ich die Fitness? Sicherlich muss ich fit sein im Sinne ausdauernd. Bestimmtes Kraftpotenzial aufbringen, Beweglichkeitsaspekte. Aber entscheidend ist, dass ich das Ganze überführe in Gefühlsaspekte. Das heißt, dass ich erlebe, was passiert unter mir oder im Pferd über meinen eigenen Körper, um dann aufs Pferd einzuwirken. Denn erstmal kommt das Pferd dran, bevor der Reiter initiiert wird. Denn die große Masse bewegt immer die kleine. Und wenn ich mich nicht erstmal total dem Pferd anpassen kann, kann ich auch nicht einwirken.
[SPEAKER 2]Also ich schaue erstmal, dass ich quasi mit dem Pferd klarkomme in Anführungsstrichen und dann schaue ich, wie kann ich meine eigene Fitness beispielsweise verbessern.
[SPEAKER 1]Ja und wo sind Defizite? Und das ist natürlich der nächste Schritt, weil du das vorhin fragtest. dass ich einfach erstmal gucke, wie harmoniert das Ganze und wo sind Disharmonien. Und da muss man sich entscheiden, welche zentralen Nägel haue ich erstmal ein, bevor ich an feinsinnige Dinge hineingehe.
[SPEAKER 2]Obwohl man ja sagen muss, beim Thema Reiterfitness hat sich ja einiges getan. Also, wenn man jetzt in den Leistungssport guckt, jedes Kadermitglied muss bestimmte Sportkriterien inzwischen erfüllen. Man hat das Gefühl, es gibt eine gewisse Professionalisierung, was so das Thema Fitness angeht. Siehst du das auch, dass wir da auf einem richtigen Weg sind?
[SPEAKER 1]Ja, Gott sei Dank, aber viel zu spät. Als ich in die Reiterei kam, habe ich also nicht glauben können, wie schlecht oder wie wenig die Reiter fit sind. Ja, und das ist ja letztendlich heute in vielen Bereichen noch so. Und da hat sich einiges getan. Aber wir müssen über den Aspekt der Fitness hinwegkommen und das Ganze dann implantieren in einem Zusammenhang von Bewegungslernen und Bewegungsübertragung vom Reiterkörper auf das Pferd.
[SPEAKER 2]Ich glaube, die Reiterfitness ist auch so ein bisschen die Grundvoraussetzung, oder?
[SPEAKER 1]Das ist ein guter Begriff. Das sind die Grundvoraussetzungen, damit ich überhaupt die Reitlehre-Kriterien umsetzen kann.
[SPEAKER 2]Und bist du damals auf enormste Widerstände gestoßen? Ich kann mir vorstellen, als du damals angefangen hast, die haben alle gesagt, was will der Mainers jetzt? Sollen wir jetzt laufen gehen?
[SPEAKER 1]Also wie viele Leute gesagt haben, der ist bekloppt, das weiß ich nicht mehr nachträglich zu zählen. Aber letztendlich haben die Leute, die sich darauf eingelassen haben, ganz schnell den Zeiger umgedreht und haben gesagt, Leute, hört mir mal ein bisschen mehr zu, lasst mich noch mal experimentieren, damit wir vielleicht daraus entsprechende Konzepte entwickeln können. Jetzt habe ich auch den Verlach, der Ja-Verlach, Hambre.
[SPEAKER 2]Der Ja-Verlach.
[SPEAKER 1]Und da ist insgesamt, weil du danach fragst, unheimlich viel passiert jetzt. für die Reiter.
[SPEAKER 2]Würdest du sagen, um erstmal fit als Reiter zu werden, reicht es, wenn ich jetzt drei Kilometer einmal um den Wald laufe? Soll ich Yoga machen? Was sind so deine Tipps?
[SPEAKER 1]Also ich denke nicht in Sportartenkategorien, sondern ich denke in Schaltstellen des menschlichen Körpers. Und da gibt es so aus meiner Sicht sechs Punkte, die ganz wichtig sind. Einen habe ich genannt, die Kopfgelenke. Zweiten habe ich genannt, das Becken. Also Becken, Mobilität im Becken.
[SPEAKER 2]Also Beweglichkeit.
[SPEAKER 1]Beweglichkeit. Dritter Aspekt ist, Kreuzdarmeingelenk. Wenn das Kreuzdarmeingelenk des Reiters, also der Übergang zwischen Kreuzbein zum Becken, blockiert ist, sind die Bewegungen des Reiters nicht mehr dreidimensional. Da aber menschliche Bewegungen und Pferdebewegungen dreidimensional sind, kann ich mich dem Pferd nicht mehr anpassen. Das heißt, ich zerstöre die Natürlichkeit des Pferdes. Genauso wie das Pferd, wenn es ein blockiertes ISG hat, das überträgt im negativen Sinne auf den Reiter.
[SPEAKER 2]ISG heißt?
[SPEAKER 1]Iliosakralgelenk, Kreuzdarmeingelenk.
[SPEAKER 2]Ah ja, Idiosakralgelenk kennt man ja auch, wenn man mal so ein bisschen Rückenschmerzen hat, ist es meistens nicht die Bandscheibe, sondern Idiosakral. Also da geht es auch um Beweglichkeit, Flexibilität.
[SPEAKER 1]Ja, und dann, das waren also drei wichtige Punkte. Ein weiterer Punkt ist der Bereich des Brustbeines, weil hier bleiben viele Bewegungen, die vom Becken zum Kopf wollen stecken. Und das wären zum Beispiel jetzt vier Aspekte, die zentral wichtig wären anzugehen und die kann ich nicht durch eine spezielle Sportart, sondern da muss ich mir Hintergründe aus unterschiedlichen Bewegungsweisen aussuchen, um dann zu testen, was ist wirkungsvoll. Denn nicht jede Übung ist für jeden Reiter identisch wirkungsvoll.
[SPEAKER 2]Ist das dann individuell? Muss man mit seinem
[SPEAKER 1]Es ist generalisierend, aber auch individuell. Das heißt, ich habe das zweite Buch 2005 bei Cosmos, heißt ja Bewegungsgefühl des Reiters, Reitfehler erkennen und sie auszumerzen. Und da habe ich ein Buch geschrieben, wo ich gesagt habe, das und das Reitproblem kann ich mit den, den, den, den Übungen lösen. Und da muss natürlich dann der Trainer auswählen, welche Übung für den Reiter relevanter ist als die nächste.
[SPEAKER 2]Und da muss ja dann auch die Reitlehre in der Hinsicht ertüchtigt werden, dass auch Reitlehrer in Richtung Fitness gebildet werden, oder?
[SPEAKER 1]Genau. Also der Anspruch, der dahinter steckt, ist natürlich, also meine Frau sagt immer, Wenn du Lehrgänge machst, denke daran, du hast deine Studis nicht mehr vor dir. Das heißt, mein Einspruch ist natürlich sehr hoch, was die entsprechenden theoretischen Hintergründe betrifft. Aber die ganze Materie ist sehr komplex. Und da muss man schon in die Tiefe gehen. Und die Bewegungstrainer, also die ich jetzt ausgebildet habe, das ist ja ein offizieller Zusatzausbildungsgang der Berufsreiter, die werden schon ganz schön, ich sage es mal, geknechtet in Anführungsstrichen, weil Die Komplexität immer größer wird heute, weil sich der normale Bürger immer weniger bewegt.
[SPEAKER 2]Also er sitzt am Streibtisch, auf der Couch.
[SPEAKER 1]Und geht dann zum Reiten und wenn da diese Zwischenstation nicht aufgebrochen wird, wenn man so will, dann kann das Reiten nicht gelingen. Zumindest nicht in dem Sinne, was Harmonie und Abläufe betrifft.
[SPEAKER 2]Und ist so ein Trainingsprogramm dann einfach für die Reiter in den Alltag einzubinden oder sagt man dezidiert okay, heute treffen wir uns nicht um die Reitstunde zu haben, sondern heute machen wir mal einen Waldlauf mit Übungen danach.
[SPEAKER 1]Also ich habe dieses sogenannte Sechs-Punkte-Programm entwickelt, das ist ganz elementar. Da kann man also quasi innerhalb von zehn Minuten diese sechs zentralen Punkte, ich habe zum Beispiel das Treiben nicht genannt, ganz viele Bewegungsprobleme entstehen durch das falsche Treiben des Reiters. Und wenn ich falsch treibe, blockiere ich den ganzen Körper. Und durch diese Programme, 6-Punkte-Programme, kann ich den Reiter so schnell vorbereiten, dass die Bewegungsabläufe danach ganz anders, auf einer ganz anderen Bewegungsqualitätsstufe funktionieren.
[SPEAKER 2]Was genau heißt dann falsch treiben? Mit den falschen Muskelgruppen?
[SPEAKER 1]Mit den falschen Muskeln. Also man sieht ganz viele Leute, die treiben, jetzt muss ich vorsichtig sein hier mit den Verkabelungen, die treiben so mit den Beinen.
[SPEAKER 2]Also quasi Beine zusammen.
[SPEAKER 1]Beine zusammen. Dann blockiere ich quasi das Becken, weil die Adduktoren anspringen, also die Klemmer. Und ich muss mit dem hinteren Teil des Oberschenkels treiben und wenn ich das tue, ist automatisch der Absatz nach unten, das heißt der tiefe Absatz, der immer gefordert wird, den darf ich nicht runterdrücken, sondern das ist eine Reaktion auf die Anregung der richtigen Treibemuskulatur. Und wenn ich richtig treibe, ist auch der Bewegungsfluss durch den Körper eher gegeben, als wenn ich falsch treibe.
[SPEAKER 2]Bei Adduktoren ist ja auch immer so eine Problemstelle.
[SPEAKER 1]Ganz groß heute. Weil in den Adduktoren spiegeln sich eben auch Stressfaktoren in unserer Gesellschaft wieder. Und diese Stressfaktoren kannst du ja mal folgendes machen. Pack mal deine Fäuste zwischen die Knie. Ja. So und jetzt drück mal die Knie zusammen. Also falsches Treiben. Richtig zusammen. Und halt mal und realisier mal, wie weit das durch deinen Körper fließt oder nicht fließt.
[SPEAKER 2]Das ist eigentlich nur an den Adduktoren, ne?
[SPEAKER 1]Aha. Und drück mal richtig zusammen. Das habe ich schon gesehen. Merkst du, dass da plötzlich der Kopf sich feststellt? Das heißt, wenn ich falsch treibe, blockiere ich den Kopf und damit kann der Reiter nicht mehr mitspringen.
[SPEAKER 2]Und das hat dann quasi Auswirkungen auf den gesamten Sitz?
[SPEAKER 1]Total. Das ist die Basis, die dann von vornherein verloren geht.
[SPEAKER 2]Also muss ich die richtigen Muskelgruppen für die richtige Aktion, ich nenne es jetzt mal Aktion in Anführungsstrichen, im Sattel, also Treiben beispielsweise oder eine halbe Parade, eine ganze Parade. Darauf muss sich dann das Training der Muskelgruppen ausrichten.
[SPEAKER 1]Richtig. Und deswegen kann ich das nicht mit einer Sportart, in sich geschlossenen Sportart, sondern ich muss mir spezifische Abläufe aus unterschiedlichen Bewegungsansätzen heraussuchen, um das dann zu transferieren.
[SPEAKER 2]Und das ist ja auch ein spannendes Feld, weil damit verknüpft man ja mehrere oder viele Sportarten oder Bereiche mit dem Pferd.
[SPEAKER 1]Ganz genau.
[SPEAKER 2]Und du hast jetzt natürlich die letzten Jahrzehnte ganz genau beobachtet, hast selber gesagt, es entwickelt sich sehr, sehr viel. Du hast mal gesagt, der beste Tierschutz ist der gut sitzende Reiter. Wir haben jetzt viel über den Reiter gesprochen.
[SPEAKER 1]Ich glaube, das kommt nicht von mir, das kommt von Hannes Müller, Leiter der Deutschen Reitschule. Aber das ist mein Hintergrund. Also das kann ich nur unterstreichen.
[SPEAKER 2]Jetzt haben wir über den Reiter geredet, also richtige Muskelgruppen für die richtige Aktion, die dann im Sattel passieren soll. Das hat da ja auch fundamentale Auswirkungen auf das Pferd. Schaust du dir auch den Bewegungsverteil des Pferdes dann an?
[SPEAKER 1]Immer. Mein primärer Fokus ist natürlich der Reiter, aber dann kommt der nächste Schritt, dass ich mir sofort das Pferd angucke. Oder umgekehrt, bevor ich anfange beim Reiter, gucke ich mir die Bewegungsabläufe des Pferdes an. Und dann erst fange ich an beim Reiter zu suchen. Also wenn abgeritten wird und so weiter. Verschaffe ich mir einen Überblick und dann meine ich in gewisser Weise, Kenntnis zu haben, wo Stärken und Schwächen des Pferdes sind. Und das muss ich jetzt in Verbindung bringen mit dem Reiter.
[SPEAKER 2]Also dass man quasi den Reiter auf das Pferd abstimmt.
[SPEAKER 1]Genau.
[SPEAKER 2]Worauf achtest du dann bei einem Pferd? Zur Beurteilung der Bewegung?
[SPEAKER 1]Für mich sind die mechanischen Abläufe ganz wichtig. Also nicht im negativen Sinne mechanisch, sondern die Bewegungsübertragung. Wie aktiv ist die Hinterhand? Wie fließt die Bewegung über Gruppe, Rücken zum Pferdemaul und so weiter? Das ist wie beim Reiter. Das heißt, wenn ich richtig treibe, fließen die Bewegungen durch den Körper. Wenn das Becken flexibel ist, entsteht da kein muskulärer Stau, wenn man so will. um das Elementar auszudrücken und genauso ist es beim Pferd. Und einfach den Reitern auch zu vermitteln, wenn sie richtig treiben, dass das Pferd eine ganz andere Qualität hat. Hannes Müller, weil wir gerade ihn genannt haben, hat mal gesagt, dass ich die Pferde so schnell verbessern kann, weil ich den Reiter verbessere. Er hat gesagt, wenn Meiners 10 Prozent der Summe kriegen würde, die er die Pferde teurer macht, Dann wäre er mehrfacher Millionär.
[SPEAKER 2]Das wäre eigentlich eine schöne Geschichte. Könntest du eigentlich fordern. 10 Prozent.
[SPEAKER 1]Ja, damit ist ja nur angedeutet, dass die optimalen Bewegungsabfolgen des Reiters sich sofort beim Pferd widerspiegeln. Und das fasziniert mich ja.
[SPEAKER 2]Aber das zeigt ja auch, dass da einfach unglaubliches Potenzial auch schluckt.
[SPEAKER 1]Unglaublich. Unglaublich. Ich kann nicht begreifen und ich höre das ja immer wieder auch von meinen Bewegungstrainern. Es gibt ganz, ganz viele Leute, also Bewegungstrainer auch, die Lehrgänge machen. Die Leute sind alle begeistert. Aber die kommen oft nicht wieder. Denn sich morgens zum Beispiel hinzulegen, ein Programm zu machen oder vor dem Reiten bestimmte Dinge zu tun, kostet Disziplin.
[SPEAKER 2]Das sind ja auch kleine Dinge, die ich quasi auch vermatte zu Hause im Wohnzimmer machen kann.
[SPEAKER 1]Ich kann mit so vielen elementaren Dingen den Reiter vorbereiten aufs Reiten. Das ist unglaublich. Und wenn ich das implantiere in meinen Tagesablauf, wie Zähneputzen. Dann kann ich es auch morgens meinetwegen machen oder mittags machen und das hält. Das verändert die ganze Struktur des Reiterkörpers, sodass er, wenn er abends reitet, davon auch noch profitieren kann. Am besten ist es natürlich, wenn man es vorher macht.
[SPEAKER 2]Du hast es gerade angesprochen, du bildest auch aus. Bewegungstrainer in dieser Lehre, die du gerade beschrieben hast. Wie werden die Lehrer geschult? Was erfährt man dort?
[SPEAKER 1]Also erstmal erfährt man, dass es Bewegungsabläufe von außen gibt und von innen. Das heißt, ich muss von den äußeren Abläufen des Reiters oder auch Pferdes auf die inneren Vorgänge schließen können. Beim Reiter ganz wichtig, die ganzen sozialpsychologischen Effekte, die negativ eingreifen in Bewegungsabläufe, auch Lernprozesse. Das ist ein erster großer Schritt, also ich nenne das Außensicht und Innensicht zu unterscheiden.
[SPEAKER 2]Also quasi die Gedanken.
[SPEAKER 1]Ja, innere Abläufe, was passiert da mental und so weiter, und äußere Abläufe, muskuläre. Und das Ganze muss sich ja verbinden.
[SPEAKER 2]So innere wären zum Beispiel, ich habe Angst vorm Ausreisen, ich sitze deswegen anders.
[SPEAKER 1]Ja, oder auch Bewegungsübertragungen von innen, die dann durch negative Gedanken zerstört werden. Das muss also Grundlage sein, dass man weiß, Das, was ich sehe, ist nur ein Teilbereich dessen, was verändert werden muss und verändert werden kann. Und dann geht es eben ran an anatomisch-physiologische Hintergründe. Dann geht es an Vermittlungshintergründe, also das, was ich von Anfang an gesagt habe, wird implantiert in das ganze Curriculum, was steht, was ja auch in den Büchern wiederzufinden ist, bis hin zu der Reduzierung der Komplexität eben auf diese sechs Punkte. Da kann man mit einsteigen, aber kann das nachher wieder auch reduzieren auf diese sechs.
[SPEAKER 2]Und mit diesen sechs Punkten und der Ausbildung bist und warst du ja auch extrem gefragt. Beispielsweise hast du viele Jahre mit Heike Kemmer zusammengearbeitet, Olympionikin im Dressursport für Deutschland. Ist es dann wirklich so, dass man Leute auf Topniveau dort nochmal damit das Quäntchen besser macht?
[SPEAKER 1]Aus meiner Sicht absolut. Und das ist ja auch aufgenommen von der FN heute. Wir haben ja entsprechende Mediziner, wir haben entsprechende Bewegungslehre-Kompetenzen implantiert jetzt in die ganze Struktur des DOKRs und so weiter, was ich toll finde, dass das also aufgegriffen worden ist. Es hätte aus meiner Sicht eben viel früher kommen können.
[SPEAKER 2]Bist du mit so einer Heike Kemmer dann wirklich rausgegangen? Hast du gesagt, okay, wir machen diese Übungen jetzt oder ist es eher die Analyse von außen und du hast hier und da mal einen Tipp gegeben? Wie ist so die Zusammenarbeit dann?
[SPEAKER 1]Also die Situation war die, dass sie immer unterschiedliche Pferde geritten hat, dann auch demonstriert hat, wo Probleme sind und dann haben wir beide versucht, den Weg zu finden, aus diesen Problemen herauszukommen. Und das war eine ganz wichtige Sache. Und die Eltern waren wert. Ich weiß nicht, was Heike heute noch macht. Die ist ja entsprechend auch in die Jahre gekommen, sage ich mal so. Aber ich glaube, dass sich das für sie damals sehr schnell positiv ausgewirkt hat auf ihre eigenen Kompetenzen. Und ich meine, sagen zu können, dass so auch die Struktur ihres Unterrichts sich verändert hat.
[SPEAKER 2]Und die Struktur ihres Reitens.
[SPEAKER 1]Ja, aber wie gesagt, ich habe sie jetzt ein paar Jahre nicht mehr gesehen, da kann mir kein Urteil jetzt erlauben, wie es im Augenblick ist.
[SPEAKER 2]Oder vielleicht generell gesprochen, das war jetzt nur ein Beispiel mit Heike Kemmer, vielleicht generell, wenn man das dann praktiziert, auch auf Leistungsniveau, merkt man spürbare Erfolge quasi.
[SPEAKER 1]Ja, das war so nett, als sie 2008 die Bronzemedaille im Einzelnen geholt hat. Da wurde bei den Lobhudelungen, als sie wieder nach Hause gekommen war, eben unter anderem gesagt, ich will das mal vereinfacht ausdrücken, dass ich dafür gesorgt hätte, dass Bonaparte gar nicht in Situationen gelangen kann, Fehler zu machen. Und das ist ja das Ziel. Es sollen Fehler vermieden werden und nicht Fehler ausgemerzt, primär. Ich weiß nicht, ob das nachvollziehbar ist.
[SPEAKER 2]Das ist total nachvollziehbar und das ist am Ende auch das beste Lob für einen Trainer, oder?
[SPEAKER 1]Ja, aber das ist nicht zu sehen von außen. Das heißt, wenn einer dann rauskommt, dann sagen die, oh, toll geritten und so weiter. Aber woher die entsprechenden positiven Resultate kommen, das wird weitestgehend gar nicht gesehen.
[SPEAKER 2]Und das ist auch viel harte Arbeit mit dran.
[SPEAKER 1]Knüppelhart. Knüppelharte Arbeit letztendlich.
[SPEAKER 2]Du bist ja auch ein Verfechter des Schulreitsports, beispielsweise du bist beheimatet in Niedersachsen. In Niedersachsen ist der Schulreitsport durchaus verbreitet, sicherlich auch verbreiteter als in anderen Bundesländern.
[SPEAKER 1]Da haben wir viel getan, vom Verband her, als auch von meiner Person. Die Uni Lüneburg ist die einzige Uni bis heute, die entsprechende Lehrer im Fach Reiten ausbildet.
[SPEAKER 2]Warum ist das so wichtig, das in die Schulen reinzutragen?
[SPEAKER 1]Auslöser war ich selber. Als ich meine Frau kennenlernte, bin ich dann auf ihre Pferde zugegangen und wollte sie streicheln, aber die hauten alle ab. Weil ich da so drauf zugegangen bin. Nicht ahnend wie die Wahrnehmung des Pferdes. Also frontal quasi? Frontal. Also nicht die Wahrnehmung des Wesens Pferd beachtend. Und dadurch, dass ich wie ein Kind lernen musste, mit Pferden umzugehen, habe ich gemerkt, welche Bedeutung das für mich hat. Und das war Auslöser, dass ich gesagt habe und auch Konzepte entwickelt habe, warum ist der Umgang mit dem Pferd nicht nur das Reiten primär, sondern der Umgang mit dem Pferd, das Kennenlernen der Wahrnehmung des anderen Wesens und so weiter so wichtig für die heutigen Kinder, die teilweise ja sehr defizitär sind. im Bewegungsbereich, im psychologischen Bereich, Pädagogen, Zusammenhängen und so weiter.
[SPEAKER 2]Das ist ja auch am Ende eine super Ausbildung, wenn man mit Pferden zu tun hat, sowohl mental als auch körperlich.
[SPEAKER 1]Ja, das muss man sagen. Aber da hat die FN damals 1990 sofort diesen Funken aufgegriffen. Man hat auch zunächst kritisch geguckt. Aber wenn man bedenkt, dass wir heute, 28 Jahre danach, unglaublich viele Veröffentlichungen vom FN-Verlag haben, bezogen auf Konzepte, Schulsport, dann muss man sagen, es hat sich gelohnt, die Arbeit da zu investieren.
[SPEAKER 2]Kann man sagen, wie viele Schulen deutschlandweit sowas anbieten?
[SPEAKER 1]Das könnte sicherlich, Maria Schürrle-Otte, die ist ja zuständig dafür, für dieses Ressort. Aber wir hatten mal genaue Zahlen vor 10, 12 Jahren. Jetzt weiß ich nicht, ob da noch… So eine grobe Hausnummer? Ne, kann ich nicht sagen.
[SPEAKER 2]Aber in Niedersachsen sind es schon einige, muss man sagen, deutschlandweit.
[SPEAKER 1]Ja, und wir haben ja auch hier im Lüneburger Bereich eine Oberstufenklasse gehabt, wo man den Kurs Reiten im Rahmen der Zensuren des Prüfungsfaches akzeptieren wollte und konnte. Das heißt, die Note Reiten floss in die Abiturnote ein.
[SPEAKER 2]Aber ich würde so tippen, dass deutschlandweit 50, 60 Schulen… Nee, mehr.
[SPEAKER 1]Mehr? Oh ja. Ich glaube, das geht in die tausende. Ach wirklich?
[SPEAKER 2]Das hätte ich gar nicht gedacht.
[SPEAKER 1]Also nicht jetzt immer im Sinne der Ausbildung, sondern Tageskurse, entsprechende, wenn Schulen offene Konzepte haben, dass die also externe oder Kooperation mit Vereinen, nein, da passiert schon eine ganze Menge mehr.
[SPEAKER 2]Nun bist du ja auch ein Verfechter der Franklin-Bälle. Sibylle Wiemer war vor einigen Wochen bei uns im Podcast, mit der haben wir schon so ein bisschen drüber geplaudert, wie es damals anfing. Wie bist du auf die Franklin-Bälle gekommen?
[SPEAKER 1]Also der Auslöser an die Franklin-Bälle zu gelangen war die Auseinandersetzung mit den Faszien. Und das war ein Thema, was ja universitär geprägt war. Das heißt, ich habe diese Seminare in der Uni gemacht und habe mich jahrelang mit Faszien auseinandergesetzt.
[SPEAKER 2]Was genau sind nochmal Faszien? Faszien ist Bindegewebe.
[SPEAKER 1]Und verbindet quasi alle Teile des menschlichen Körpers untereinander und miteinander. Und wenn man einmal weiß, wie die Zusammenhänge sind, dass quasi nie ein Schmerz die Ursache dort hat, wo er zu fühlen ist, sondern ganz woanders herkommt. Wenn man das einmal begriffen hat, dann beschäftigt man sich mit ganz bestimmten Konzepten und da bin ich auf das Konzept von Franklin gestoßen. Vertrete das Konzept jetzt in dem Sinne nicht, weil ich sage, ich bin kein ausgebildeter Franklin-Lehrer. sondern integriere Elemente dieser Methode in Praxis. Und so kam ich auf die Bälle. Und die Effekte sind ja unvorstellbar schnell herzustellen.
[SPEAKER 2]Wie nutze ich denn die Franklin-Bälle? Es gibt ja verschiedene. Wie kann man die konkret einbinden ins Training?
[SPEAKER 1]Beispielsweise wenn einer sehr stark klemmt, also die Adduktoren, die Klemmer, zu intensiv belastet, dass man dann bestimmte Bälle, in dem Sinne erstmal die Weichen, die Softbälle an die Adduktoren packt, an unterschiedliche Stellen, dann reiten lässt. Das ist für viele dann natürlich eine sehr große Umstellung, weil man ja weg vom Pferd kommt. Und viele meinen in dem Sinne auch, das kann gar nicht gelingen. Aber in dem Moment, wo sie die Bälle wegnehmen und dann reiten, spüren sie, Beine ist offen, das Pferd geht viel aktiver nach vorne und sie selber können besser mitschwingen. Und so kann man quasi unterschiedliche Bälle für unterschiedliche Problemsituationen des Reiters einbeziehen. Immer als Hilfsmittel, das möchte ich jetzt besonders betonen. Nicht als allkompetente Methode, dass man den Reitlehrer nicht mehr braucht. Das ist nur ein Hilfsmittel, um den Körper des Reiters aufzuschließen, um dann wieder reitfachliche Dinge zu entwickeln.
[SPEAKER 2]Das ist ja, glaube ich, auch ein ganz wichtiger Punkt.
[SPEAKER 1]Ganz fundamental.
[SPEAKER 2]Dass man nicht sagt, okay, ich nehme jetzt den Franklin Ball, der löst jetzt alle meine Probleme, sondern es gehört ein bisschen Theorie auch dazu.
[SPEAKER 1]Ganz genau.
[SPEAKER 2]Und auch die richtige Umsetzung dann im täglichen.
[SPEAKER 1]Genau. Und von daher war dieser Hype nicht gewollt eigentlich. Ich freue mich natürlich darüber, dass die Leute spüren, dass es hilft. Aber man muss sich, bevor man eigentlich den ersten Einsatz vornimmt, muss man sich mit der Theorie beschäftigt haben, was passiert eigentlich wenn.
[SPEAKER 2]Und die Franklin-Bälle sind ja inzwischen, egal in welchen Stall man eigentlich in Deutschland fährt, überall angekommen und auch inzwischen eigentlich unabhängig von der Disziplin, die ich reite. Das machen Springreiter, das machen Rostowreiter, das machen Islandpferdereiter. Es ist ja fast für jeden anwendbar, oder wie siehst du das?
[SPEAKER 1]Ja, vollkommen richtig. Und es ist ja so, dass ich habe mal eine witzige Situation erlebt, dass mich eine ältere Dame angesprochen hat bei einer Veranstaltung, als ich mit Franklin-Bällen gearbeitet habe. Und die sagte, das ist ja unwahrscheinlich, ist das wirklich so, dass man sich so verändert als Reiter? Und da habe ich gesagt, ja, ich kann das auch mit Ihnen auf einem normalen Stuhl machen. Und dann hat die Dame sich auf einen Holzstuhl gesetzt, habe ich gesagt, machen Sie mit dem Becken mal die und die und die bewegen, habe ich ein paar Sachen vorgegeben und spüren Sie mal, was da passiert bei Ihnen. Dann habe ich Frank den Ball, also die Minirolle gegeben, ihr die identischen Bewegungen dann angewiesen, was ich sonst nicht so gerne mache. Und dann hat sie sich hingesetzt, ist sofort wieder aufgestanden, hat sich hingekniet, hat unter den Stuhl geguckt und hat gesagt, was machen Sie denn da? Und da hat sie gesagt, ich suche die Löcher. Ich hatte das Gefühl, in dem Stuhl sind plötzlich Löcher. Das heißt, sie hat erlebt, dass das Becken sich so senkt, dass man quasi in den Stuhl Löcher reingebrannt hat.
[SPEAKER 2]Was ja höchst interessant ist, dass Leute dann auch einen direkten Effekt merken.
[SPEAKER 1]Das ist ja das Schöne. Das heißt, in dem Moment wo ich das mache, das bleibt natürlich nicht, aber der Effekt entsteht schon nach einer Minute oder zwei Minuten, je nachdem wie ich das mache und wie korrekt ich auch die Bälle platziere. Das ist natürlich wichtig. Also wenn ich sie an die Adduktoren platziere, also an die Klemmer, dann muss ich die an mehreren stellen. weil die Klemme eine Muskelgruppe sind, die aus mehreren Teilbereichen besteht. Die Adduktoren bestehen aus unterschiedlichen Strecken, die zur Verkürzung oder zur Abschwächung neigen. Und die alle muss ich anregen, um die gesamte Struktur zu integrieren. Und deswegen ist es wichtig, sich mit Theorie auseinanderzulesen. Ich muss wissen, was tue ich eigentlich damit? Was passiert im Körper? Was passiert in den entsprechenden Muskeln oder Sehnen oder Strukturen?
[SPEAKER 2]Würdest du sagen, dass die Franklin-Bälle noch weiter in die Reitlehre integriert werden? War das jetzt ein Hype, der einmal hochpoppte und jetzt noch ein bisschen absackt oder sich verflacht? Oder sehen wir jetzt Franklin-Bälle auf die nächsten Jahrzehnte in der Reitlehre?
[SPEAKER 1]Also ich glaube, dass wir auf die Bälle gar nicht mehr verzichten können, aber immer nur als Teilinstrument, um den Reiter so vorzubereiten, dass es ihm nachher leichter fällt, die Reitlehre umzusetzen.
[SPEAKER 2]Siehst du denn auch Entwicklungen aus anderen Sportarten beispielsweise, die bei uns reinkommen in den Pferdesport? Ich meine in vielen anderen Bereichen, die Entwicklung bleibt nie stehen. Es gibt neue Konzepte, neue Methoden. Wird das weitergehen, dass man in zehn Jahren auch über andere Dinge nochmal redet?
[SPEAKER 1]Also mit Sicherheit habe ich in gewisser Weise eine Tür aufgeschlossen. Es kommen ja unterschiedliche Konzepte in die Reiterei und das ist auch gut so. Nur man muss sich prüfen, ob sie mittel- oder langfristig helfen. Man kann nicht alles einfach blind übernehmen, sondern muss da sehr kritisch mit umgehen. Und genau das wollte ich damit auch aussagen, dass man auch mit dem Franklin-Band kritisch umgehen muss und nicht glauben muss, dass das Allheilmittel ist.
[SPEAKER 2]Dazu hast du aber auch zusammen mit deiner Frau ja noch weitere Produkte unter der Linie Balimo entwickelt. Wie genau knüpft das daran an? Was genau ist Balimo?
[SPEAKER 1]Balimo ist ein Bewegungsstuhl, der quasi in die… Bewegungsablaufstrukturen des Reiters eingreift, die wichtig sind, damit der Reiter das Pferd nicht stört und entsprechend einwirken kann.
[SPEAKER 2]Also ein Stuhl, den ich täglich auch benutzen kann, zum Beispiel, wenn ich am Küchentisch sitze.
[SPEAKER 1]Genau. Das heißt, das ist also kein Wunderstuhl in dem Sinne, obwohl viele mir schreiben, Herr Meiners, Sie haben einen Wunderstuhl entwickelt, weil die plötzlich Erlebnisse haben, die sie vorher nicht hatten. Aber entscheidend ist das, dass es nichts anderes ist als das Reparieren von Strukturen, die der Mensch eigentlich mitbringt.
[SPEAKER 2]Was ist das Besondere an dem Balimo? Wie ist der konstruiert?
[SPEAKER 1]Dreidimensionalität. Das ist das ganz Besondere. Das heißt, das was ich vorhin gesagt habe, dass die Pferdebewegungen dreidimensional sind oder auch Reiterbewegungen dreidimensional. So kann der Stuhl wieder in relativ kurzer Zeit diese Dreidimensionalität herstellen.
[SPEAKER 2]Also ich sitze quasi nicht statisch, wie wir jetzt hier auf so einem normalen Stuhl sitzen?
[SPEAKER 1]Ich kann mich auf dem Stuhl nicht bewegen. Und wenn es nur drei, vier Millimeter sind. Aber das reicht teilweise schon aus.
[SPEAKER 2]Also ähnlich wie manche im Büro auf so einem Ball sitzen, oder?
[SPEAKER 1]Der Ball hat andere Funktionen. Das Entscheidende ist, dass das Drehmoment des Ballimos im Körper ist. Das ist eine abgerundete Fläche und da setze ich mich drauf, Sitzbeinhöcker, und letztendlich ist das Drehmoment, das Gelenk, die direkte Verlängerung der Wirbelsäule, also des Steißbeines. Und der Ball hat das Drehmoment unten auf dem Boden, das heißt, Er ist letztendlich in bestimmten Bereichen sogar kontraproduktiv.
[SPEAKER 2]Ja, Verlängerung.
[SPEAKER 1]Und der Ball rollt ja weg. Und damit kann ich quasi die kleinen Wirbelgelenke links und rechts der Wirbelsäule negativ beeinflussen, wenn man so will. Aber das ist eine komplexe Materie, da will ich jetzt nicht im Einzelnen eingehen.
[SPEAKER 2]Lieber Eckart, am Ende eines jeden WeHouse-Podcasts haben wir die vier klassischen Fragen, die ich auch dir stellen möchte. Und die Frage Nummer eins ist, hast du ein Motto, nach dem du lebst?
[SPEAKER 1]Ja, jetzt, nachdem ich im gesunderlichen Sinne einen kleinen Schluss zum Buch gekriegt habe oder auch größer, Leben ist bewegen. Das tägliche Bewegen und so weiter. Und ich mache das nicht mehr im sportlichen Sinne, sondern im Sinne der genügenden Funktionen des Menschen und habe jeden Morgen ein Programm oder absolviere ich von einer Stunde bis anderthalb Stunden. Und ich bin heute viel kritischer im Umgang mit Bewegung bis hin zu Ernährungsfragen.
[SPEAKER 2]Also du hast auch verknüpft das Thema Ernährung. Nicht nur Bewegen, sondern auch das, was es dem Körper gebe. Gibt es einen Menschen, der dich persönlich besonders geprägt hat?
[SPEAKER 1]Also im reitfachlichen Sinne müsste ich also eine ganze Reihe nennen, aber ich will in dem Zusammenhang mal zurückgreifen auf Familie. Das heißt, die Chance, die meine Frau mir gegeben hat, auch innerhalb der Familie zu experimentieren und das mögliche Umsetzen bestimmter Ideen von mir durch die Älteste und auch die zweite Tochter, haben mir Unreinigung gegeben, da habe ich sehr viel gelernt. Und wenn diese Diskussion nicht immer in der Familie gewesen wäre, hätte ich mit vielen Dingen nicht so überzeugend nach außen treten können. Dann der nächste Schritt, es waren entsprechende Ausbilder, wie ich vorhin genannt hatte, zum Beispiel König oder Hannes Müller und so weiter, könnte ich noch einige nennen. Okay.
[SPEAKER 2]Wenn du Reitern oder Pferdemenschen dieser Welt eine Sache im Umgang mit Pferden mit auf den Weg geben könntest, was wäre es?
[SPEAKER 1]Das ist natürlich vermessen jetzt aus meiner Politik, da was zu sagen. Ja, horcht erstmal ins Pferd hinein, bevor ihr auf das Pferd einwirkt. Ich habe immer noch den Eindruck, dass viele Leute, viele Reiter meinen, der Bock muss, um das mal ganz platt auszudrücken. Und das Ziel muss sein, dass jeder erstmal feinfühlig akzeptiert, was das Pferd mitbringt, auch wenn es zum Beispiel Rhythmusstörungen hat. Ich kann auf das Pferd nicht einwirken, wenn ich selbst diese Rhythmusstörungen mitmache. Nur dadurch, dass ich mitmache, kann ich dann im entscheidenden Augenblick da Veränderungen vornehmen. Also hineinhorchen, bevor ich einwirke.
[SPEAKER 2]Sehr gut. Und zum Abschluss vervollständige bitte diesen Satz für mich. Pferde sind für mich.
[SPEAKER 1]Das Leben geworden.
[SPEAKER 2]Ein großartiges Schlusswort. Ein ganz spannender Podcast zum Thema Bewegungslehre mit Sportpädagoge Eckart Meyners. Vielen Dank, Eckart.
[SPEAKER 1]Danke euch.
[SPEAKER 2]Das war der heutige Podcast. Alles rund um fit für dein Pferd findest du wie immer bei uns unter www.wehorse.com. Ich freue mich drauf, wenn du wieder dabei bist bei der nächsten Folge des wehorse Podcasts.