Legende der Dressurausbildung
Paul Stecken
Paul Stecken war ein legendärer Ausbilder, der sich sein Leben lang der korrekten und vielseitigen Ausbildung von Pferden und Reitern widmete und viele erfolgreiche Schüler hervorbrachte, darunter Dressurlegende Dr. Reiner Klimke. Zudem galt er als einer der schärfsten Kritiker des Reitsports.
Ausbildungslegende Major a.D. Paul Stecken beeinflusste den Werdegang vieler Reiter und widmete sich sein Leben lang der korrekten und vielseitigen Ausbildung von Pferden und Reitern. Wie kaum ein anderer verkörperte er die klassischen Grundsätze der Ausbildung und brachte viele erfolgreiche Schüler hervor, beispielsweise Dressurlegende Dr. Reiner Klimke. Paul Stecken machte immer deutlich, worum es ihm bei der Pferdeausbildung ging und welche Entwicklungen er höchst bedenklich fand – Stichwort Rollkur. Auch nach seinem Tod ist sein bekanntes Motto “Richtig Reiten reicht!” in der Reiterwelt weit verbreitet, bringt es doch das Fundament einer pferdegerechten Ausbildung, unabhängig der jeweiligen Sparte, wunderbar auf den Punkt.
Ein Meister in der Jungpferdearbeit
Besonders viel Freude bereitete dem Ausbilder die Arbeit mit jungen Pferden. Wie bei einem unbeschriebenen Blatt Papier hat der Reiter hier die Möglichkeit, sein Pferd durch korrektes Reiten zu formen und so die Basis für spätere Erfolge zu legen. Gemeinsam mit seiner bekannten Schülerin und Olympiasiegerin Ingrid Klimke demonstrierte er in Videos eindrucksvoll, wie eine pferdegerechte Ausbildung junger Pferde aussieht und welche Erwartungen in diesem Stadium der Ausbildung an das jeweilige Pferd gestellt werden können.
Ein weiterer bekannter Ausspruch aus seiner Ausbildungslehre, der besonders auf die Jungpferdearbeit zutrifft: „Pferde gehen am liebsten richtig!" Denn Pferde setzen das um, was ihnen der Reiter vermittelt. Sie kennen in dem Sinne kein richtig und falsch, sodass Widersätzlichkeiten oftmals durch Missverständnisse oder Überforderung entstehen. Daher sprach sich Paul Stecken immer dafür aus, das eigene Verhalten als Reiter kritisch zu hinterfragen und Fehler zunächst bei sich selbst zu suchen. "Nichts ist schöner, als zu erleben, wenn Pferde richtig gehen, dafür Erfolge haben und dafür zufrieden und dankbar sind", bekräftigte Paul Stecken.
Einer der schärfsten Kritiker des Reitsports
Als Verfechter der Philosophie, dass Pferde am liebsten richtig gehen, kritisierte Paul Stecken jegliche nicht pferdegerechte Entwicklungen des Reitsports scharf. Insbesondere rückte er die vermehrt auffallende enge Halshaltung im Spitzensport in den Mittelpunkt: „Bei nachhaltig engem Hals und fehlerhafter Oberhalslinie gab es bis ca. 2000 in der Regel für die betreffende Lektion Note 5 oder 6 mit der Bemerkung am Rand: eng oder deutlich eng.“ Diese Beurteilung sei heute kaum mehr zu finden, was er unter anderem auf etwas strammere und kürzere Zügel zurückführt, wodurch die korrekte Zügelführung in den halben Paraden erschwert und eine relative Aufrichtung kaum erreicht wird.
Die Thesen des passionierten Ausbilders waren nicht nur analytisch scharf, sondern auch extrem deutlich: Er kritisierte die LDR (Long-Deep-round-Trainingsmethode) und erklärt, dass sie kaum von einer Rollkurmethodik zu unterscheiden sei. Er stellte klar, dass der Weltreiterverband FEI auch durch diese Unterscheidung in der Begrifflichkeit vermehrt zur Verunsicherung, welche Reitweise korrekt sei, beigetragen hätte. Außerdem beschäftigte er sich mit dem Schlaufzügel und forderte die FEI auf, den Distanzreitsport zu beenden, statt verbessernde Regularien zu finden.
Sein Vermächtnis
Obwohl die Nachfrage nach seinem unerschöpflichen Wissen und seiner klaren Ausbildungsphilosophie stets groß war, verneinte der legendäre Pferdemann immer wieder die Nachfrage, ob er seine Lehre aufschreiben würde. Im Januar 2016, kurz vor seinem Tod erschien jedoch doch noch ein Schriftstück des Meisters im FNverlag. In seinen Schriften „Bemerkungen und Zusammenhänge - Erkenntnisse eines Pferdemannes“ hielt Paul Stecken seine Erfahrungen und Überzeugungen für die nachfolgenden Generationen fest. Für ihn war dies eine Möglichkeit, die ihm so am Herzen liegende pferdegerechte und klassische Pferdeausbildung im modernen Reitsport zu fördern und zu erhalten.
Diese Leidenschaft für die Vermittlung der korrekten Ausbildung fing bereits während seiner Zeit im Militär an, wo er zunächst im Reiter-Regiment, dann im Kavallerie-Regiment und bei Kriegsende Chef der Reiterinspektion an der Kavallerie-Schule war. In den 1930er Jahren beteiligte er sich an der Entstehung der Reitvorschrift HDv12, der Urschrift der Richtlinien der Reiterei, setzte sich fortwährend für die Umsetzung und Weiterentwicklung der pferdegerechten Ausbildung von Pferden ein.
Seine Tätigkeit als Ausbilder erreichte einen Höhepunkt, als er im Jahr 1950 die Leitung der Westfälischen Reit- und Fahrschule von seinem Vater Heinrich Stecken übernahm. In mehr als 30 Jahren beeinflusste Paul Stecken die Ausbildung von zahlreichen Berufsreitern und Erfolgspferden maßgeblich. Er war es, der Reitsportlegende Dr. Reiner Klimke auf seine Erfolgspferde Winzerin und Dux brachte und ihn als Mentor mehrfach zu den Olympischen Spielen begleitete. Nach dem frühen Tod des weltbekannten Dressurreiters begleitete Paul Stecken auch dessen Tochter Ingrid Klimke bei der Ausbildung ihrer Pferde. Eine Zeit, an die weltberühmte Reiterin gerne zurückdenkt und die sie bis heute nachhaltig geprägt hat.
Für seine Leistungen und Beiträge als legendärer Ausbilder, FEI-Richter, Equipe-Chef und die Tätigkeiten in zahlreichen Ehrenämter im internationalen Reitsport, wurde Paul Stecken mit dem Reiterkreuz in Silber und Gold geehrt. Im Alter von 80 Jahren bekam der große Pferdemann außerdem die Gustav Rau-Medaille verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Diese Ehrungen und sein Vermächtnis machen deutlich: Major a. D. Paul Stecken war einer der großen Ausbilder dieser Zeit, der seinesgleichen sucht.